[Harry Potter]Blut an meinen Händen

Jul 18, 2006 23:22

Titel: Blut an meinen Händen
Autor: styko
Fandom: Harry Potter
Spoiler: Band 6
Charaktere: Harry Potter, Hermine Granger, Ron Weasley; ferner Severus Snape, Lord Voldemort
Word Count: 2425
Rating/Warnings: PG 14 - unbetaed; Blut, chara death, dark; verworren, verstörend?; Art lose Gedankensammlung
Zusammenfassung: Harry sucht jeden Morgen erneut das Blut an seinen Händen.
Anmerkung des Autoren: Ich habe es mal auf mia_chans Wunsch "angst, irgendwas mit Blut und viel Tod" hin geschrieben, aber ich bin wohl ein wenig vom Thema abgekommen. Ich komme gern vom Thema ab *hust* Aber das ist eine der wenigen Geschichten von mir, die ich selbst irgendwie mag. Auch, wenn ich nicht genau weiß warum. *Setzt nochmal ganz frech Fakecut in ihr Schreibjournal*
Disclaimer: Harry Potter und seine Charaktere gehören nicht mir, sondern Joanne K. Rowling; ich leihe sie mir lediglich aus und mache keinen Profit hiermit. Der Inhalt, die Idee und der Verlauf dieser Story sind jedoch meiner Fantasie entsprungen.

Blut an meinen Händen

Es waren die Träume, die am schrecklichsten waren. Sie waren so real, dass Harry manchmal nicht wusste, ob es wirklich nur Träume waren oder er in der Zeit zurückreiste und die schlimmen Momente alle noch einmal erlebte. Immer wieder aufs Neue. Es war die Strafe für all die Schuld, die er auf sich geladen hatte. Er verdiente es nicht anders, das wusste er, aber es änderte nichts daran, dass er sich nachts im Bett herumwarf, irgendwann aufschreckte und seine Hände immer und immer wieder an den Bettlaken abwischte.

Jeden Morgen fürchtete er sich davor die Augen zu öffnen und die blutgetränkten Laken zu sehen. Aber wenn er sich doch dazu überwand und die Augen öffnete, war da nichts von dem Blut, das er in der Nacht so verzweifelt abgewischt hatte.

Es gab nie Blut; nicht wenn er schlief, nicht wenn er auffuhr oder an irgendeinem Morgen. Nicht in der Realität, nur in seiner Einbildung. Aber seine Einbildung war so stark, so heftig, dass Harry sicher war, dass sie irgendwann real werden würde. Jeder Albtraum wurde irgendwann real. Die schönen Träume blieben Träume, aber die Albträume fanden sich irgendwann in der Wirklichkeit wieder. Eigentlich waren es keine Träume, es waren Visionen der Zukunft, die auf einen wartete. Aber es waren grausame Visionen, den selbst wenn man ihre Natur irgendwann verstand, konnte man sie nicht abwenden und ihre Erfüllung erwischte einen immer wieder eiskalt.

Harry hatte sie schon früher gehabt, aber er hatte sie nicht verstanden. Er hatte sie nicht verstehen wollen, erst recht nicht, nachdem sie immer detaillierter und intensiver wurden. Die schreckliche Zeit hatte nach Dumbledores Tod angefangen, als er mit Hermine und Ron losgezogen war, um die Horkruxe zu suchen. Der Anfang ihrer Reise war trotz ihrer Mission noch aufregend gewesen. Sie waren zum ersten Mal alleine unterwegs; es gab nur sie drei, sonst niemanden. Von ihnen hing das Schicksal der Welt ab. Keiner von ihnen verstand damals, was das wirklich bedeutete.

Sie wanderten durch ganz Großbritannien, suchten nach Hinweisen und Zeugen, nach irgendwas oder irgendjemanden, der ihnen Hinweise liefern konnte. Sie suchten nach den Horkruxen, nach Artefakten der Hogwartsgründer. Sie besuchten Tom Riddles altes Waisenhaus und den Friedhof beim Riddlehaus, den Harry in solch schlechter Erinnerung hatten.

In Little Hangleton war es, wo die erste der grausamen Visionen ihn traf. Sie waren müde und enttäuscht, weil sie nach sieben Monaten immer noch keine Spur auf etwas hatten. Bisher waren sie von Angriffen der Death Eater verschont geblieben, aber die Zeitungen berichteten jeden Tag von neuen grausamen Taten. Deshalb blieb immer einer von ihnen wach, aber Harry beging den Fehler diesmal zu schlafen. Er hätte es ahnen können. Doch er tat es nicht und der Traum traf ihn mit ganzer Wucht.

Diese Träume hatten nie einen klaren Handlungsverlauf. Es waren immer nur Fetzen, Bruchstücke von irgendwelchen Ereignissen. Sie begannen nicht am Anfang und endeten nicht am Ende. Sie setzten plötzlich ein und hörten genauso plötzlich wieder auf. Harry sah Dinge, die er kannte, und Dinge, die im unbekannt waren. Er war an Orten, an denen er oft gewesen war, und an Plätzen, von denen er nicht einmal wusste, wo sie lagen. Oft flirrten die Szenen so schnell, dass die Farben verschwammen, bis alles zu einer trüben Masse wurde, aus der jedes Mal nur das Rot herausstach.

Sein erster Traum handelte von Hermine. Er sah eine Szene aus dem dritten Schuljahr, ihre erste Begegnung; er sah Dinge aus ihrer Vorschulzeit, die er unmöglich miterlebt haben konnte, und die nur durch ihre Erzählungen in seine Erinnerungen geraten waren. Aber alles was er sah, wirkte so, als hätte er es tatsächlich miterlebt, und er vermochte nicht zu trennen, zwischen dem was wirklich war und zwischen dem, was er sich einbildete.

Er sah eine jüngere Hermine im Schnee spielen und einen Schneemann bauen, der im nächsten Augenblick zerstört auf der zertrampelten Schneedecke lag. Er sah, wie die Hermine von jetzt ihm etwas erzählte, und während sie sprach begannen ihr blutige Tränen über die Wangen zu rinnen.

Hermine lachte, dann schrie sie; sie weinte, rief, kicherte, war wütend, beleidigt, verängstigt. Es wechselte alles in einem solch atemberaubenden Tempo, dass Harry die Luft wegblieb. Er wollte Hermine packen, aber unter seiner Berührung schrie sie auf wie eine Todesfee, vergrub die Hände in den Haaren und riss sich ganze Büschel ihrer Locken heraus.

Schatten begannen um sie herumzuwandern; erst nur wenige, dann immer mehr. Sie trennten sie von einander, Harry versuchte sie abzuschütteln und er schaffte es, doch als er sich Hermine näherte, schrie sie wieder und rannte vor ihm weg, in einen dunklen Wald, der aus dem Nichts aufgetaucht war.

Der Zeitablauf verschnellerte sich, Harry sah niemanden mehr, nur sich selbst durch verschiedene Plätze eilen. Es war vollkommen zusammenhangslos, aber er wusste, dass er suchte und suchte und Hermine nicht fand. Dann bemerkte er die Feuchtigkeit an seinen Händen und als er auf sie hinabblickte, waren sie rot von Blut.

Harry wachte damals schreiend auf und rieb sich die Hände an den Bettlaken ab, immer und immer wieder, so wie er es heute noch tat. Er war nicht davon abzubringen und Hermine und Ron waren durch sein Benehmen fast genauso verstört wie er. Dann wurde er ohnmächtig und als er am nächsten Morgen aufwachte, tat er so als wäre nichts geschehen. Hermine und Ron sahen ihn mit sorgenvollen und verängstigten Blicken an, doch sie drängten ihn nicht zu sprechen. Harry behielt seine Träume für sich, jeden einzelnen. Vielleicht war das der Fehler gewesen.

Die Zeit verging, die Träume kamen unregelmäßig. Manchmal kurz nacheinander, manchmal waren Wochen und Monate dazwischen. Sie handelten meistens von Hermine, manchmal von seinen Eltern, hin und wieder von anderen Freunden. Aber niemals von Ron. Harry fragte sich irgendwann, ob er Ron nicht genug liebte, das er keine Angst vor seinem Tod hatte. Es kam zum Streit mit Ron, mal schwach, mal heftig. Sie vertrugen sich immer wieder, aber Ron tauchte nie in seinen Träumen auf. Harry hätte froh darüber sein sollen, doch er war es nicht.

Irgendwann vergaß Harry, wie lang sie schon unterwegs waren. Es kam ihm vor, als suche er schon sein ganzes Leben nach Horkruxen und Überbleibsel der Gründer. Es gab nichts anderes mehr in seinem Leben; er war nur noch davon besessen, irgendetwas zu finden, was Voldemort entgültig vernichten konnte. Er war so naiv damals gewesen. Er schien alles vergessen zu haben, was Dumbledore ihm gesagt hatte; alles was Remus und Sirius ihn gelehrt hatten oder sonst jemand. Er war nur von einem einzigen Gedanken besessen und vergaß darüber hinaus alles andere.

Ron verschwand eines Tages, als sie sich zwischenzeitlich getrennt hatten. Anfangs glaubte Harry, Ron würde wieder auftauchen, wenn er ihm genug Zeit ließe zurückzukommen. Dann, nachdem diese Zeit abgelaufen war, glaubte er, Ron wäre zurück nach Hause gegangen und hätte ihn im Stich gelassen. Er konnte es ihm nicht verübeln. Hermine war hysterisch vor Angst; sie konnte nicht mehr klar denken und Harry beschloss sie zu führen, obwohl er genauso von Sinnen war.

Sie kehrten nach Monaten zum Fuchsbau zurück und fanden nur ein verlassenes Haus vor, in dem alles aussah, als wäre es vor Jahrzehnten verlassen worden. Ron war nicht da und auch sonst niemand. Später erfuhren sie, dass es niemanden mehr gab, der im Fuchsbau leben konnte. Die gesamte Familie Weasley war getötet worden, nur Ron hatte man noch am Leben geglaubt. Zwei Monate später fand man seine zerschundene Leiche auf dem Grab seiner Eltern.

Harry und Hermine fielen in ein tiefes Loch. Ron war für etwas gestorben, was vielleicht aussichtslos war. So lange hatten sie gesucht und immer noch nichts gefunden. Ihre anfangs so große Hoffnung war schon lange beständig kleiner geworden und mit Rons Tod schien sie ganz zu verschwinden.

Dann begann Harry von Ron zu träumen. Es waren keine Albträume, keine Visionen. Rons Leben war bereits beendet. Es waren Träume von Rons kurzem Leben, von Dingen, die er mit Harry und ohne ihn erlebt hatten. Es waren Träume von glücklicheren Zeiten, die mehr schmerzten als jeder Albtraum, da Harry die Realität kannte und damit die Gewissheit hatte, dass es niemals wieder so sein würde. Am Ende dieser Träume waren seine Hände nicht in Blut getränkt und doch wischte er sie apathisch ab, wenn er aufwachte, immer und immer wieder, als ob er sie so von etwas säubern konnte, das nicht da war.

Hermine entwickelte etwas, das sie als Hoffnung und Entschlossenheit bezeichnete, aber in Wirklichkeit lediglich ein verzweifeltes Aufbäumen gegen eine vorherbestimmte Zukunft war. Sie schliff Harry mit, auf ihrer Reise durch Großbritannien, auf der Suche nach der Rettung der Welt. Harry versuchte sie von ihrem Vorhaben abzubringen, er wollte mit ihr zurück nach London, zurück nach Hogwarts, irgendwo hin, wo sie sich ausruhen konnten. Es war vorbei. Sie würden alleine nichts erreichen. Aber Hermine wollte es nicht akzeptieren. Sie suchte weiter und fand einen Hinweis, der sie zu einer Höhle an einem Waldrand führte. Es war der letzte Strohhalm, an den Hermine sich klammerte. Wenn sie in dieser Höhle nichts finden würden, würde sie dem Wahnsinn verfallen.

Sie fanden nichts, obwohl Hermine jeden Stein in der Höhle umdrehte. Sie grub mit den Händen im Boden, so lange, bis sie aufgeschürft waren und ihr Blut auf den Boden tropfte. Harry wollte sie dazu bringen aufzuhören, aber sie entwand sich seinem Griff und stürzte in den Wald davon. Harry rannte ihr hinterher und bekam sie irgendwann zu fassen, doch sie schrie auf, so schrill wie eine Todesfee. Sie schlug mit ihren Händen nach ihm und er packte sie. Sie schrie weiter und weiter, trat, kratzte und spuckte und riss sich irgendwann los. Sie verschwand im Dunkel des Waldes und Harry verlor sie aus den Augen. Er rief nach ihr und suchte und suchte, aber er fand sie nicht. Es war dunkel, nur der Halbmond schien und brachte nicht viel Licht. Alles war nur Schwarz oder ein trübes Grau, doch als Harry innehielt und auf seine nassen Hände starrte, leuchtete das Blut an ihnen so rot wie die untergehende Sonne. Harry schrie und wurde ohnmächtig.

Er erwachte an einem Ort, an dem er nie gewesen war und doch so gut kannte. Ein Zimmer, wie er es vielleicht in einem späteren Leben einrichten würde. Er hätte sich darin wohl fühlen können, hätte er nicht genau gewusst, wem es gehörte. Lord Voldemort hatte immer mit seinen Opfern gespielt. Er tötete nur die schnell, die ihm keine Gefahr waren, und ließ die leiden, die eine für ihn darstellten. Harry hatte nie verstanden, ob es banale Dummheit war oder einfach ein Zwang. Vielleicht konnte er nicht anders, vielleicht wollte er es nicht.

Später, nachdem alles vorbei war, sagte Severus irgendwann einmal, dass Tom Riddle aus Angst vor dem Tod zu einem Monster geworden war, das er selbst verabscheute. Aber der Junge von damals hatte nicht zurückgekonnt und das Monster wütete unaufhaltsam. Voldemorts einziger Schwachpunkt war das kleine Bruchstück seiner Seele, das sich einen letzten Rest Menschlichkeit bewahrt hatte, und den Wunsch verspürte lieber zu sterben, als das Monster weiter wüten zu lassen. Dieses kleine Bruchstück brachte Voldemort dazu, seine gefährlichsten Gegner am Leben zu lassen. Harry wusste nicht, ob es stimmte, aber es war die einzige Erklärung, die er hatte.

Harry konnte nicht sagen, wie lange er in der Gefangenschaft des Dunklen Lords verweilte. Er hatte schon lange jeglichen Sinn für die Zeit verloren und lebte nur noch von Tag zu Tag. Es kümmerte ihn nicht mehr, ob er den nächsten erleben würde, es ging ihm nur darum im Heute etwas zu erreichen.

Voldemort wollte Harry brechen, doch wo bereits alles in Scherben lag, gab es nichts mehr zu brechen. Voldemort begriff nicht, dass er Harry schon lange zerstört hatte, und versuchte es immer weiter. Es war ein nutzloses Unterfangen, so wie Harrys Suche nach den Horkruxen nutzlos gewesen war.

Irgendwann hatte er einen Zauberstab in seiner Hand und zielte auf Voldemorts Herz. Er hätte auch auf seinen Kopf oder auf seinen Arm zielen können, es war egal, wo der Todesfluch einen traf. Aber Harry zielte auf sein Herz, obwohl Harry nicht einmal sicher war, ob Voldemort ein Herz hatte.

Voldemort lachte ihn aus, sagte ihm, dass es nutzlos war ihn umzubringen, solange Teile seiner Seele noch irgendwo weiterlebten. Dann stand Severus plötzlich neben Harry und nahm ihm den Zauberstab ab. Harry wehrte sich nicht, er hätte es sowieso nicht tun können. Er konnte niemanden töten, obwohl er schon so viele Menschen getötet hatte.

Was danach geschah, geschah wie in einem Traum, in Bruchstücken, von denen manche wahr waren und manche nicht. Harry sah, wie Voldemort weiter lachte und sich über ihn lustig machte und Severus dabei den Rücken zuwandte. Er sah, wie ein jüngerer Voldemort seine Horkruxe erstellte und sie dann versteckte. Die Scherben genau dieser Horkruxe fielen auf den Boden und obwohl Voldemort immer noch mit dem Rücken zu Severus stand, schien er genau zu wissen, was Severus soeben hatte fallen lassen.

Harry hatte nie begriffen, ob Voldemort Severus am Ende doch Vertrauen geschenkt hatte, oder ob das Entsetzen auf seinem Gesicht lediglich von der Erkenntnis herrührte, dass er in einigen Sekunden sterben würde. Als der grüne Todesfluch aus Severus’ Zauberstab schoss, wusste Harry plötzlich, was damals auf dem Astronomieturm wirklich zwischen Severus und Albus gewesen war, und dass alles nur ein Teil des großen Ganzen war, so wie alles immer nur ein Teil des großen Ganzen ist und nichts für sich allein stehen kann.

Das Rad der Zeit drehte sich weiter. Voldemort war tot und seine Diener, die nicht tot waren, fielen erneut von ihm ab und dezimierten sich. Aber es gab sie noch und es war nur eine Frage der Zeit, bis sich ein Nachfolger fand, der Voldemorts Platz einnahm. Doch Harrys Aufgabe war erfüllt, obwohl er nichts dafür getan hatte. Alles was er getan hatte, war die Menschen, die ihm am nächsten standen, in den Tod zu führen. Es hatte mit seinen Eltern begonnen und Ron war nicht der letzte gewesen.

Hermine lebte noch, aber sie war dem Wahnsinn verfallen. Sie verbrachte ihre Zeit damit in Büchern nach Horkruxen und Überbleibsel der Gründer zu suchen und egal, wie oft man ihr sagte, dass es nicht mehr nötig war, sie ignorierte es und suchte weiter und weiter ohne jemals etwas zu finden.

Harry lebte das weiter, was andere als Leben bezeichnen würden, aber in ihm war schon so viel gestorben, dass er mehr ein Toter im Reich der Lebenden war. Vielleicht konnte er gar nicht mehr sterben, weil er schon längst tot war.

Er verbrachte die Nächte weiter mit Träumen, die ihn quälten, und die Morgen damit Blut auf seinen Bettlaken zu suchen, das nicht existierte.

rating: pg 14, chara: ron weasley, chara: voldemort, länge: 2000-3000, chara: hermine granger, fandom: harry potter, chara: harry potter, chara: severus snape

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