Worte zu 2015 gelesenen Büchern, Teil I

Aug 24, 2015 18:58

The Secret History - Donna Tartt

Dies notierte ich als ersten Leseeindruck:

Das unglaubliche erzählerische Tempo; dennoch die eigentliche Lähmung (des Erzählers);

Die Feinsinnigkeit, gleichzeitig die überbordernde Pretentiousness.
Im Grunde wird ein zentraler Handlungspunkt im Prolog genannt, der Leser weiß, was passieren wird - und dennoch ist das Buch auch sehr, sehr spannend. Suspense, nicht Suspicion; einerseits - wobei es zentral auch nicht einmal unbedingt um das 'wie' geht - wie kommt es zum eben erwähnten, im Prolog erwähnten, Ereignis X? Und was passiert danach, wie gehen die Charaktere damit weiterhin um; was sind die Konsequenzen? Am Ende sind die eigentlichen Handlungsstränge doch vor allem - Kulisse, Bühne für die Beschreibung einer, nunja, etwas eigentümlichen Gruppe an Studierenden, Freunden, mit spitzer, treffender Feder.

Der Auslöser, das Buch zu bestellen und zu lesen war dieser Tumblrpost (allerdings; Spoiler - das genannte Ereignis X wird hier konkret benannt, und auch noch etwas mehr; es verdirbt nicht unbedingt den Lesegenuss, aber das sieht vielleicht nicht jeder so): http://greatish.tumblr.com/post/120601158958
Die zentralste Stelle, im nachinein betrachtet, aus diesem 'Review':

"Despite how pretentious it sounds in the blurb, it’s actually twice as pretentious but thrice as brilliant!"

Also; die Protagonisten, und der Erzähler, sind alle unglaublichst pretentious. Aber das dürfen sie auch sein - was das Buch für mich heraushebt, ist nicht die Identifikation mit einem oder mehreren der Figuren. Was es zu einem bisherigen Favoriten meines Lesejahrs 2015 macht ist Folgendes:
thrice as brillant - erstens - das Setting ( imaginäres Elitecollege in New Hamshire), zweitens: der narrative Bogen; die Bezüge,die formal evoziiert werden: großartigst. (das konkreter zu benennen, wäre auch schon wieder fast spoilern) Drittens: die unglaublich feinsinnige Sprache, es macht großen Spaß, das zu lesen, weil es so extrem gut geschrieben ist.
Exemplarisch diese Stelle/Formulierung:



Neben solch formidablen, pointierten Beschreibungen gibt es großartige Analogien und detaillierte Beschreibungen der Bekleidung die die Figuren tragen und der Dinge, die sie verspeisen, wofür ich einen Soft Spot habe.
Vermutlich ist es außerdem ratsam, vor der Lektüre sicherzustellen, dass ein ordentlicher Whiskey im Haus ist

Addendum, 25.08.

Nachdem ich obige Worte schrieb, dachte ich noch weiter über das Buch nach. Folgendes fiel mir dabei auf:
Ich, wie auch das verlinkte Review auf Tumblr, betone ständig die Pretentiousness der Charaktere. Ich glaube, darin liegt auch viel des ganzen Appeal des Buches; dass man während des Lesens, durch die Art und Weise, wie es konzipiert, strukturiert ist (das man z.B. das Gefühl hat, ja schon zu wissen, worauf es hinausläuft, da es ja schon im Prolog genannt wird - aber Ereignis X findet 'schon' in der Mitte des Buches statt, also auf die Seitenanzahl bezogen - ); und dass es vordergründig vorgibt, relativ linear zu sein, aber das doch auch gar nicht ist, sondern perspektivisch immer aus der Distanz einiger Jahre rückblickend erzählt wird, und der Erzähler denkt, alles umfassend begriffen zu haben; was sich auf die Leserin überträgt; die Überheblichkeit, die Pretentiousness der Protagonisten führt zu einer eigenen Überheblichkeit, Pretentiousness des Rezipierenden - und führt sich damit selbst ad absurdum, bzw. enttarnt sich, wenn man dann als diese Leserin beständig versucht, zu ergründen, warum die Pretentiousness so reizvoll erscheint, warum diese den Reiz des Buches so sehr mit ausmacht.

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