Ficathon:
let it bleedFandom: Original, Anarchist
Character: Jocelyn
Genre: action, drama, gore, psychological, child abuse (angedeutet)
Rating: P-18
Warning: violence, blood, gore (and I'm completly unable to write women)
Prompt:
Let's write a tragic ending von
tears_into_wine You’ve got a gun, I’ve got a gun
Let’s write a tragic ending
Sie hörte leise Atemzüge ... und es waren nicht ihre. Die Dunkelheit machte es unmöglich, weiter zu sehen als ein paar wenige Meter. Die Atmende war weiter entfernt und befand sich in Deckung - so wie sie selbst.
Jocelyn blickte auf ihre Waffe hinunter. Der alte Revolver ihres Vaters lag schwer in ihre Hand, aber sie war so vertraut mit ihm, dass sein Gewicht schon lange keine Rolle mehr spielte. Wichtig war im Moment nur die Anzahl der Patronen, die sich noch in der Trommel befanden. Sie hatte den Fehler gemacht und nicht gezählt, wie viele Schüsse sie in den letzten Augenblicken abgefeuert hatte. Fünf oder sechs? Das war entscheidend. Das Lager fasste nur sechs Schuss.
Sie atmete so leise, wie sie konnte. Ihre Position durfte sie unter keinen Umständen preisgeben. In Hinsicht auf die Anzahl der verfügbaren Munition, war ihre Kontrahentin ihr gegenüber klar im Vorteil. Sie konnte den Rauch des SMGs noch in der Luft wahrnehmen. Er war nicht so weit weg, wie sie es sich wünschte.
Aber so verzweifelt das alles auch schien - ihr Puls war ganz ruhig. Ihr Herz wurde nicht mehr zusammengequetscht, wenn sie an die Frau dachte, die sie gerade umzubringen versuchte. Vor Jahren noch war das ganz anders gewesen. Ein bloßer Gedanke hatte gereicht und sie war in die Knie gegangen. Diese Zeiten waren vorbei. Sie war älter und stärker geworden, hatte die richtigen Menschen gefunden, die sie in ihre Obhut genommen hatten und nun - nach einer viel zu langen Suche - konnte sie endlich Rache nehmen für das, was diese Frau ihrer Familie angetan hatte. Vor allem ihrem Vater.
Sie umfasste den Griff fester und presste die Lippen aufeinander.
Sie musste sicher gehen, auch wenn das Geräusch des Lösens der Trommel definitiv die Aufmerksamkeit von Tatjana auf sich ziehen würde.
Jocelyn zählte innerlich bis zehn, dann schloss die Augen, drückte den Spann mit dem Daumen herunter und löste mit dem Zeigefinger das Lager aus dem Corpus.
Eine Kammer war nicht leer.
Und das fremde Atmen stoppte. Jocelyn fluchte, als die erste Salve unmittelbar neben ihr in der Wand einschlug. Sie warf sich zur Seite, rollte hinter einen Container und nutzte den kurzen Moment, um in ihrer Weste ein paar Patronen hervorzuholen. Geübt setzte sie diese ein, aber die Schritte waren schon so nahe, dass sie sich für eine weitere Flucht entschied. Sie konnte gerade nichts sehen und um blind in der Gegend herumzuschießen, war ihr die Munition zu kostbar. Es waren noch die handgegossenen Kugeln ihres Vaters, die sie benutzte. Sie waren effektiver als herkömmliche Kugeln. Beim Aufprall lösten sich kleine Splitter, die das Verbluten der Opfer förderten. Den Tod machte es nicht besser, aber er ging schneller. Eine seltsame Devise für einen Kopfgeldjäger, wie ihr Vater einer gewesen war.
Bis diese Frau in sein Leben getreten war und es in seinen Grundfesten erschüttert hatte.
»Oh, kleine Jocelyn. Jetzt hast du so lange nach mir gesucht und läufst ja doch nur weg.«
Es war eine Stimme, die Menschen um den Verstand bringen konnte, einlullend und sinnlich wie sie war. Auch Jocelyn selbst hatte sich vor Jahren von ihrer falschen Liebenswürdigkeit blenden lassen. Sie war noch so jung und naiv gewesen, gutgläubig und vertrauensvoll.
Es war ihr eine Lehre gewesen.
Sie vertraute nur noch drei Menschen. Olga, Bullseye und dem Mann, der sie zum Lächeln brachte - Asgar.
Vielleicht sehe ich sie gar nicht wieder, schoss es ihr flüchtig durch den Kopf, als eine Salve ihren hektischen Schritten folgte. Sie warf sich zu Boden, schlitterte hinter eine Wand und verankerte endlich das Kugellager wieder, drehte die Trommel und lehnte den Lauf flüchtig an ihre Stirn. Ein kurzes Stoßgebet. Sie sah nur einen Schatten, als sie sich drehte und zielte. Der Schuss hallte laut durch den leerstehenden Komplex und prallte in eine Wand. Jocelyn fluchte, sprang auf die Füße zurück und rannte. Sie brauchte mehr Licht!
Aber mehr Licht bedeutete gleichermaßen, dass auch sie besser zu sehen war.
Ihr blieb keine Zeit, die Vor- und Nachteile abzuwägen. Das Mondlicht fiel nur vage durch die dreckigen, teilweise zerbrochenen Fensterscheiben. Ihr Schatten hob sich deutlich vor diesem Hintergrund ab und weitere Schüsse folgten ihrem Weg. Dreck und Betonstücke hefteten sich an ihre Haare, drängten sich in ihre Lungen und der Hustenreiz ließ sie würgen.
Keine Zeit.
Keinen Fehler jetzt.
Ein dicker Stützpfosten war ihr nächstes Ziel und sie erreichte ihn gerade noch so. Eine Kugel war ihr durch die Haare geflogen. Sie hatte das Herausreißen einiger Strähnen deutlich gespürt.
Ihr nächster Schuss musste sitzen.
Sie wollte an diese Furie nicht mehr Kugeln verschwenden, als unbedingt nötig.
Wie viel Schuss waren wohl noch in der Maschinenpistole? Jocelyn hatte den Typ nicht gesehen. Sie wusste nicht einmal, wie viele Kugeln ein Magazin fasste. Bisher hatte Tatjana kein einziges Mal nachgeladen. Und es waren schon viele Schüsse gefallen. Keiner hatte getroffen, wohlbemerkt, und vielleicht war sie darauf ein bisschen stolz. Aber sie hatte gelernt, dass man sein Glück niemals überstrapazieren sollte.
»Und wieder versteckst du dich. Wie damals ... im Wandschrank. Dabei weiß ich immer, wo du bist. Du kannst nicht weglaufen, Mädchen. Bringen wir es endlich zu Ende. Ich habe genug von deiner Unfähigkeit!«
Jocelyn spürte ein lautloses Vibrieren in ihrer Kehle. Sie ließ das Knurren nicht raus. Genauso wie sie der Wut nicht freien Lauf lassen durfte. Wut machte blind und leichtsinnig. Sie war zu gut, um sich von ihren Emotionen lenken zu lassen. Es war ein harter Weg bis zu diesem Punkt gewesen und sie würde sich das nicht kaputtmachen lassen. Fahrig wischte sie sich einen Schweißtropfen von der Stirn und strich sich ihre Haare hinters Ohr. Die andere Seite war kahl. Da, wo Tatjana ihr vor Jahren das Bügeleisen an den Kopf gedrückt hatte. Die Narbe brannte gerade fürchterlich. Joe schob es darauf, dass Tatjana in ihrer Nähe war. Alles andere wäre unerträglich. Aber es musste so sein, denn sonst machte ihr die Narbe nur Probleme, wenn sich das Wetter änderte oder sie auf dieser Seite schlief.
»Ich bin kein Mädchen mehr«, sagte sie schließlich leise, als sie - den Revolver im Anschlag - hinter dem Pfosten hervorkam und sich Tatjana direkt gegenüber sah. Zehn, vielleicht elf Meter. Sie schoss nicht und auch Tatjana ließ den Finger nur über dem Anzug schweben.
»Sieh an ... du siehst tatsächlich nicht mehr sonderlich ängstlich aus.«
Tatjanas Lippenstift und Tusche waren verwischt. Einige wirre schwarzen Haarsträhnen hingen ihr in der nicht mehr sonderlich glatten Stirn. Make-up rettete nicht alles. Bei einer über 50-Jährigen gleich gar nicht. Doch für ihr Alter war diese Frau noch viel zu flink und sie wusste, was sie tat. Sie hatte jahrelang nichts anderes getan, als Menschen zu quälen, zu töten.
So wie sie auch Jocelyns Vater ermordet hatte.
»Jeder von uns hat eine Waffe. Wovor sollte ich also Angst haben? Vor dir? Du hast deine besten Zeiten längst hinter dir und vielleicht solltest du das langsam begreifen.«
»Darum geht es doch gar nicht, Schätzchen. Es geht um deinen Vater und es geht um dich und mich.«
Jocelyn verpasste fast, wie sich der fremde Zeigefinger wieder spannte. Sie warf sich im gleichen Moment zur Seite, wie auch ihr Finger den Abzug betätigte. Schmerz explodierte an ihrer Seite, aber es war nicht ihr eigener Aufschrei, den sie hörte. Nur eine Sekunde später entglitt das SMG Tatjanas Hand und fiel klappernd auf den Boden. Das Schreien wurde zu einem Gurgeln. Jocelyn drehte sich auf die Seite und sah zu der Frau, die sich einst als ihre Stiefmutter vorgestellt hatte. Blut drang zwischen den Fingern hindurch, die sich um den faltigen Hals schlangen. Ihre eigene Hand löste sich von ihrer Seite. Sie war voller Blut, aber es fühlte sich nicht wie ein Durchschuss an. Die Salve schien sie nur gestreift zu haben. Der Blutverlust und der Anblick waren trotzdem ausreichend, um ein unangenehmes Kratzen an ihrem Bewusstsein zu verursachen. Trotzdem kämpfte sie sich auf die Beine zurück, fasste den Revolver mit der rechten Hand fester und ging die paar Schritte zu der röchelnden Frau, die nunmehr auf ihre Knie gesunken war und dabei zusehen konnte, wie sich unter ihr eine Blutlache bildete.
Doch als sie aufblickte, war da die gleiche eisige Verachtung in den blauen Augen wie zuvor. Ein Ausdruck, den selbst der Tod nicht auslöschen konnte.
»Du hast recht«, erklärte Jocelyn, als sie die Mündung des Revolvers auf Tatjanas Kopf richtete. »Es ging um dich und mich. Wir sehen uns in der Hölle, Schätzchen.«
Der Schuss explodierte in Tatjanas Kopf und verteilte ihr Gehirn in der Umgebung. Der Körper sackte nach vorn, suhlte sich noch kurz in seinem eigenen Blut, ehe er ganz still lag. Kleine Luftbläschen an dem aufgeplatzten Hals zeugten vom letzten Sauerstoff, der aus den Lungen entwich.
Genugtuung fühlte sich anders an.
Vielleicht war Joe nur abgelenkt von dem Schmerz in ihrer Seite und der dunkler werdenden Sicht.
Irgendwoher drang ihr Name zu ihr.
Und weitere Schritte.
Sie waren doch allein gewesen. Wo kamen die plötzlich her?
»Joe? Joe!«
Sie sank auf die Knie, als neben ihr jemand schlitternd zum Stillstand kam und sie auffing. Ihre Sicht war schon zu verschwommen, um ein Gesicht erkennen zu können, aber an die Stimme erinnerte sie sich.
Die würde sie nie vergessen.
»Asgar ... ich hab sie gefunden ... ich hab sie ...«
»Shht ... ich bring dich hier raus! Verdammt ... wir haben doch gesagt, du sollst nicht allein losgehen, sondern uns mitteilen, wenn du an Informationen zu ihr kommst.«
Jocelyn lächelte. Vielleicht wurde ihr ihre Dickköpfigkeit nun zum Verhängnis, aber das spielte keine Rolle mehr. Wenn, dann würde sie in seinen Armen sterben.
Und das war doch ein verdammt guter Deal.