Ficathon:
write your darlingsFandom: Original, Sequel von 'Nachts'
Character: Killua
Rating: P-18
Genre: drama
Warning: blood, light gore, violence, suicidal thoughts, SPOILER from the end of 'Nachts'
Prompt:
I wanna break you von
unpolar Killua konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal so schnell und so lange gelaufen war. Es schien ihm eine Ewigkeit her zu sein und dass er nicht trainieren musste, um seine Fähigkeiten zu erhalten, war in diesem Moment - hier unten in der Kanalisation, die viel zu dunkel war und höllisch stank - von großem Vorteil.
Er war jemandem gefolgt.
Doch mittlerweile war er der, der verfolgt wurde. Das alles war pure Absicht und er konnte nicht leugnen, dass der Kick, den er gerade spürte, alles übertraf, was er in den letzten Jahren empfunden hatte.
Ein ebenbürtiger Gegner.
Eine Brut aus seinen Genen oder aber zumindest aus dem Masterplan, der keiner war.
Vier von ihnen hatte er in Maine zur Strecke gebracht, als diese ganze Angelegenheit mit Edgar Griffin eskaliert war. Weder Nash und der Chief, noch er selbst hatten darüber nachgedacht, dass es noch immer einen gab, der in New York sein Unwesen trieb.
Den Schatten, der für die Morde verantwortlich war, die erst Killua angehängt worden waren - absichtlich. Das war eine aufregende Zeit gewesen, die im Gefängnis ihr Ende gefunden hatte. Lange war er dort nicht geblieben. Natürlich nicht. Und im Grunde hatte er es Nash und dessen Boss zu verdanken, dass er sich hier noch halbwegs frei bewegen konnte. Mit zahlreichen Einschränkungen.
Bis ein weiterer Mord geschehen war.
Gleiches Schema, schwer erreichbare Orte. Letztendlich waren die Polizisten froh darüber gewesen, dass er wieder aufgetaucht war.
Doch das alles war schon wieder Wochen her.
Wochen, die es gedauert hatte, diesen Kerl aufzuspüren, dessen Schritte er gerade nicht mehr hören konnte.
Killua blieb unvermittelt in dem schmalen Abwasserkanal stehen. Seine Stiefel waren längst durchtränkt, ebenso wie seine Hose an den Unterschenkeln. An den Gestank hier unten hatte er sich mittlerweile gewöhnt und Licht benötigte er nicht, um sehen zu können.
Dennoch war es gerade sein Gehör, auf das er sich völlig konzentrierte.
Auch das war ein Kick. Er konnte seinen Klon weder spüren, noch riechen. Dessen Gedankenwelt war gesichert wie ein Tresor. Wer auch immer der Kerl war - er musste schon annäherend so lange in diesem Zustand sein wie er selbst und das ... war beeindruckend, faszinierend und vielleicht - nur vielleicht - ein bisschen erschreckend. Killua konnte pauschal nicht sagen, ob er überhaupt eine Chance gegen jemanden hatte, der war wie er. Bis vor einem halben Jahr hätte er es nicht einmal für möglich gehalten, dass noch mehr verkorkste Humanexperimente wie er auf der Erde herumrannten.
Das konnte er nicht zulassen.
Das war der Grund dafür gewesen, dass er sich an Nash und die New Yorker Polizei gewandt hatte. Und es war der Grund, dass er jetzt hier unten war. Und dieser Idiot war ihm gefolgt. Wenn Killua ehrlich zu sich selbst war, machte es keinen großen Unterschied, ob sie sich oben jagten oder hier unten.
Doch hier waren keine Menschen.
Er hatte sie noch im Hinterkopf. Wenn dieser Typ in ein Gemenge lief und dort ein Massaker verursachte, dann wüsste Killua nicht, wie er es Nash erklären sollte. Der Typ konnte beängstigend sein - manchmal. Mittlerweile waren sie gute Freunde. In sehr seltenen Fällen auch mehr als das.
Killua schüttelte innerlich über sich selbst den Kopf. Als hätte er jetzt Zeit, um über solche Banalitäten nachzudenken. Er schloss zusätzlich zu der Dunkelheit, die hier unten schon herrschte, die Augen, um sich noch besser auf seine Ohren konzentrieren zu können. Seinen Atem hatte er auf ein Minimum reduziert. Sein Herz pochte dumpf. Darauf hatte er keinen Einfluss.
Er hörte nichts.
Aber er fühlte sich beobachtet. Dieser Kerl war noch in der Nähe.
Killua erschauderte. »Wie lange willst du mir noch folgen, ohne etwas zu tun? Traust du dich nicht?«
Er machte einen Schritt durch das stille Wasser. Sie hatten einen Bezirk erreicht, der gar nicht mehr versorgt wurde. Über ihnen musste das stillgelegte Industriegebiet liegen. Zumindest nahm Killua das an. Umso besser. Hier konnte er sich voll und ganz an seinem Gegner austoben.
Irgendwo in der Ferne der Gänge erklang ein heiseres Lachen. Fast zu leise. Killuas Ohren zuckten und er sprintete los. Er war lange genug verfolgt worden. Es reichte.
Parallel zu seinen eigenen Schritten erklangen andere Geräusche. Nicht durch das Wasser. Killua grinste. Bewegte sich der Andere tatsächlich an den Wänden entlang? Oder gar an der Decke? Er kannte das Geräusch von Nägeln, die in Steine schlugen. Ihre Nägel. Normale würden wohl einfach zerbrechen. Es wäre nicht einmal genug Kraft da. Es war schon faszinierend, seine eigenen Fähigkeiten bei jemand anderem zu sehen.
Das dürfte mehr als interessant werden.
Vielleicht ... nur vielleicht ... war dieser Kerl der Schlüssel zu etwas, an das Killua schon sehr lange nicht mehr gedacht hatte und dass es ihm in diesem Augenblick in den Sinn kam, war mehr als kontraproduktiv.
Seine plätschernden Schritte hielten inne.
Es war still. Zu still.
Killua knurrte, blickte blitzschnell nach oben und ... war doch zu langsam. Zu Klauen verspannte Finger trafen sein Gesicht und blendeten sein rechtes Auge. Killua griff nach dem anderen Körper, bekam ihn zu fassen und schleuderte ihn auf Distanz. Er blinzelte hastig, aber auf dem einen Auge sah er nur verschwommenes Rot. Das würde er für ein paar Minuten nicht nutzen können.
»Du Fledermaus«, brummte Killua, der sich langsam duckte und sein Gegenüber betrachtete, der sich auf ähnliche Art und Weise, wie er es immer tat, die Finger ableckte. Das Bild hatte etwas viel zu Sinnliches an sich und ließ seine Mundwinkel zucken. »Das hat dir gefallen, oder? Kannst du überhaupt reden?«
Der Typ schmunzelte wieder, fletschte die Zähne und drehte sich dann viel zu flink um. Doch Killua hatte nicht vor, wieder allzu viel Abstand zwischen sie kommen zu lassen. Er sprang von seiner Hocke nach vorn, stemmte sich kurz auf die Hände und holte mit den Füßen noch einmal mehr Schwung, als er ein weiteres Mal absprang. Er erwischte den Kerl nur an den Beinen, aber es reichte, um ihn zu Fall zu bringen. Prustend tauchte dessen Kopf wieder aus der Jauche auf, in die er für eine Sekunde lang eingetaucht war. Wie ein glitschiger Aal drehte sich der Kerl in seinem Griff und verpasste Killua einen Haken, der seinem Nacken ein unangenehmes Knacken entlockte. Die andere Faust folgte so schnell, das Killua gerade noch rechtzeitig den Arm heben konnte, um sie abzuwehren. Sein Kopf schnellte nach vorn, seine Zähne waren auf Zerreißen aus, aber da war nur der Stoff des durchnässten Oberteils, das er zu fassen bekam.
Dieser Kerl war wirklich schnell.
In seinen Reflexen stand er ihm in nichts nach und selbst bei der Verfolgungsjagd war es sehr schwer gewesen, zu ihm aufzuschließen. Warum es ihm hier jetzt gelungen war, schob Killua darauf, dass der Andere vermutlich genau wie er keine Lust mehr darauf hatte, sinnlos einem Schatten hinterherzulaufen.
Er maß sich nicht an, ihre Mentalitäten miteinander zu vergleichen. Er konnte mit großer Sicherheit behaupten, dass sein Klon auf ganz andere Weise aufgewachsen war als er. Vermutlich besaß er auch die Fähigkeiten schon länger als er. Möglich war es. Sie hatten aus Griffin nicht herausbekommen, wann er mit seinen Experimenten angefangen hatte. Aber das, was sie erfahren hatten, war, dass Killua der Erste gewesen war - dicht gefolgt von weiteren Versuchen, die in den Staaten stattgefunden hatten. Alaska. Am Ende der Welt. In einer Eiswüste.
Es war egal.
Sein Nacken war noch seltsam blockiert, was ihn nicht daran hinderte, nach vorn zu schlagen und nach der Kehle des Anderen zu greifen. Er bekam sie tatsächlich zu fassen, doch gleichzeitig gruben sich fremde Finger in seinen Unterbauch, wühlten herum und Killua roch sein eigenes Blut.
Ein widerliches Gefühl.
Ihm wurde tatsächlich etwas schwummerig davon. Gleichzeitig wurde sein Trotz umso stärker. Diesem Grünschnabel würde er was erzählen!
Ungeachtet des hemmenden Gefühls in seinem Hals ließ er seinen Kopf nach vorn schnellen und zog den Anderen gleichzeitig am Hals näher zu sich. Frontal krachten ihre Stirnen aufeinander. Der Kerl strauchelte kurz und Killua schob sein linkes Bein zwischen sie, versenkte die Ferse unterhalb des Rippenbogens in dem harten Bauch und wurde die wühlenden Finger in seinem Inneren los. Sein Körper protestierte heftig dagegen, dass dreckiges Wasser in sein Innerstes drang. Killua schleppte sich auf eine der beiden schmalen Kanten links und rechts des schmalen Abwasserstroms und zuckte unkontrolliert dabei. Es dauerte lange, bis sich die Verletzung wieder schloss. Das würde sicher noch ein Nachspiel haben. Der Dreck war nun in ihm. Er wusste nicht recht, auf welche Art und Weise sein Körper diese flüssigen Fremdkörper wieder loswerden wollte. Und eigentlich ... wollte er das auch gar nicht wissen.
Die Ablenkung war nicht gut.
Sein Klon war längst wieder auf den Beinen, aber er ließ sich mit dem Näherkommen Zeit. Der genoss sichtlich, was hier passierte.
»Weißt du ... sie haben uns immer gesagt, dass wir so werden sollen wie du. Aber ich finde ja, dass du nicht wirklich viel zu bieten hast.«
Killua lachte heiser. »Sieh an - es kann sprechen.«
»Es? Bezeichnest du dich selbst auch so?«
»Nein, sollte ich? Ich kann mir schließlich was darauf einbilden, das Original zu sein, nicht wahr?«
»Vermutlich.«
Killua spürte harsche Finger in seinen Haaren. Sein Körper wurde nach oben gerissen. Seine Arme zuckten immer noch, aber unter größter Anstrengung streckte er sie nach oben, bekam die kräftigen Unterarme zu fassen und krallte die Nägel in sie. Tief genug, um die Nerven zu erreichen. Der Griff löste sich, aber nicht der von Killua. Er würde nicht mehr loslassen. Als die Zuckungen etwas nachließen, stemmte Killua die Füße in den Grund, legte alle Stärke, die er aufbringen konnte, in seine Knie und schleuderte den Mann hinter sich über seinen Kopf hinweg an die Kanalwand. Der Beton knirschte unter dem Aufprall. Vielleicht waren es auch ein paar Knochen in dem athletischen Körper. Endlich hatte Killua einen Moment Zeit, um sich den Anderen anzusehen. Braune Haare, Narben, die ein vielleicht ehemals recht attraktives Gesicht entstellten. Und dann ... dreckig gelbe Augen, als der Kerl sie wieder öffnete. Er brauchte nicht lange, um sich von dem harten Aufprall zu erholen. Aber dieses Mal war Killua schneller. Er sprang auf den Mann, verwinkelte seine Füße mit den Beinen, um sie an Ort und Stelle zu halten und krallte die Finger wieder in die Arme, die sofort nach ihm greifen wollten. Er sah wieder klar und genauso durchdringend war auch der Blick des unter ihm Liegenden.
Killua knurrte leise. »Du gehst mir tierisch auf die Nerven, weißt du das? Wie heißt du überhaupt? Ich will wissen, wen ich gleich aufschlitze.«
Und dieser Mistkerl lachte ihm direkt ins Gesicht. Killuas Augenlid zuckte aggressiv, aber er konnte dem Anderen wohl kaum einen Vorwurf machen. Er war genauso drauf wie er selbst, aber sich selbst so reflektiert zu sehen, war mehr, als sein Ego ertragen konnte.
»Red schon! Ich heiße Killua, aber ich schätze, das weißt du bereits.«
»Jeder kennt deinen Namen. Du bist unser Vater.«
»Ich bin Niemandes Vater. Ihr alle seid operiert worden, genau wie ich. Das hat nichts mit Genen zu tun.«
»Mag sein. Aber es gibt auch andere Arten von Vätern. Nicht nur die Biologischen.«
»Schwachsinn! Jetzt sag mir endlich deinen verdammten Namen!«
»So ungeduldig?«
Killua knirschte mit den Zähnen. Mit einem Rucken zog er seine Finger in seine Richtung und öffnete damit die Arme des Anderen. Blut quoll aus den Arterien. Für ein, zwei Sekunden, ehe der Fluss nachließ. Aber der Blutverlust sollte dennoch ausreichen, um den Kerl ein wenig aus dem Takt zu bringen, und tatsächlich flackerte etwas in den gelben Augen auf.
Es war beeindruckend. Diese ganze Umwandlung schien wirklich nur mit ganz speziellen Genen möglich zu sein. Er besaß rote Augen, der Kerl hier gelbe. Ein anderer, der schon nicht mehr lebte, hatte giftgrüne Augen besessen und zwei weitere ebenso rote Augen wie er selbst. Nur der Vierte hatte mit seinen bernsteinfarbenen Iriden keine so große Abweichung von der Norm gezeigt. Solch eine Farbe kannte er noch von Andrej.
Killua schüttelte den Kopf. Er hatte keine Geduld mehr für diesen Mist. Warum nur kam er nicht in die Gedanken dieses Mannes? Er musste sich dafür sonst nicht einmal Mühe geben und hier gelang es ihm nicht einmal, wenn er sich vollständig darauf konzentrierte.
»Na, frustriert?«, wurde er gefragt und für einen Moment fragte sich Killua, ob seine Gedanken offen lagen wie die der vielen Menschen da draußen über ihren Köpfen. Doch vermutlich sprach eher seine Mimik eine überdeutliche Sprache. Deswegen entspannte er seine Gesichtsmuskeln und schenkte dem Mann unter sich ein müdes Lächeln.
»Ich sagte bereits, dass du mich nervst. Es wird nicht wirklich besser.«
»Ist ja nicht so, als würde ich deine Zeit verschwenden. Was tust du schon? Du wandelst unter ihnen, ohne sie zu töten. Ich habe dich beobachtet. Sie haben dich schwach gemacht.«
»Nein. Haben sie nicht. Ich lebe. Was tust du denn? Ich habe dich in einem Club aufgegriffen. Du machst es nicht anders als ich.«
»Oh, vergleiche mich nicht mit dir. Der Zweck heiligt die Mittel. Die Menschen sind unsere Beute. So ist es gedacht. So sollte es sein. Wir sind ihnen überlegen. Hast du das alles vergessen?«
Killua runzelte die Stirn. Er konnte diesen Typen nicht mehr reden hören. Das war genau das, was sie auch ihm gesagt hatten - damals. Dann hatte er Menschen kennengelernt, die er nicht töten wollte, weil sie ihm wichtig geworden waren und mittlerweile ... galt das für alle Menschen, weil er so am besten leben konnte. Am einfachsten. Wer wollte schon ständig Leichen beseitigen? Vermutlich kam er nun in das Alter, in dem er sesshaft werden wollte. Da konnte er nicht ständig in ein anderes Land ziehen. Auf einen anderen Kontinent.
Aber der andere Mann war jünger als er. Viel jünger. Dass er so stark war, beeindruckte Killua noch immer, aber mittlerweile wusste er, dass er ihn töten konnte, wenn er nur die Nerven behielt. Dass der Fremde so viel sprach, zeigte, dass er sich seiner Fähigkeiten vielleicht nicht mehr ganz so sicher war. Killua hoffte einfach darauf.
»Ich habe es nicht vergessen. Ich habe nur dazu gelernt. Du könntest das auch, aber leider musstest du dich mit mir anlegen, also wirst du diesen Zeitpunkt nicht mehr miterleben. Und das tut mir nicht leid.«
Killua holte aus. Sein Schlag wurde abgefangen. Sie hatten zu lange geplaudert. Das Kräftemessen war direkt. Wie ein Armdrücken, nur in Schieflage. Killua presste die Zähne aufeinander und legte sein ganzes Gewicht und seine ganze Kraft in den Druck, den er ausübte. Der Andere hielt ihm eine Weile stand, dann gab der Arm nach. Das Aufschlitzen von eben schien noch nachzuwirken. Er holte ein weiteres Mal aus. Und er traf. Ein Mal, zwei Mal, dann bäumte sich der Körper unter seinem auf und sie fielen von der Kante zurück in das kalte Kanalwasser. Killuas Kopf geriet unter die nasse Oberfläche. Eine Hand legte sich auf sein Gesicht und presste ihn hinunter, als er versuchte, wieder nach oben zu kommen.
Blind schlug er um sich und kratzte. Er wusste nicht wie, aber es gelang ihm, wieder nach Luft zu ringen. Irgendetwas in seinem Inneren bäumte sich auf und für einen kurzen Augenblick sah er nichts mehr und das lag nicht an dem dreckigen Wasser, das ihm in die Augen gekommen war.
Dieser flüchtige Moment unter Wasser ... hatte ihn rasend gemacht.
Und er war am effektivsten, wenn er nicht nachdachte.
So war es schon immer gewesen.
Schläge, Tritte, aber das Gewicht verschwand nicht. Dann öffnete er trotz des Wassers den Kiefer, erwischte die Hand und biss so fest zu, dass selbst die Knochen dem nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Die Hand zuckte zurück, Killuas Kopf schoss aus dem Wasser und er gierte nach Luft, noch während er den anderen von sich schubste, ihm nachfolgte und ihn mit dem Gesicht voran ebenfalls ins Wasser drückte.
Der Körper zappelte. Durch die Bauchlage waren die Bewegungen eingeschränkt.
Und sie wurden immer schwächer.
Killua blinzelte. Er hatte das Wasser aus seinen Lungen gehustet, während er den Körper nach unten gedrückt hatte, doch erst jetzt nahm er es bewusst wahr und er drückte gleich noch fester zu.
Kopf unter Wasser.
Wasser.
Der Zusammenhang wurde ihm erst bewusst, als der Mann unter ihm sich nicht mehr bewegte. Da waren keine Luftblasen mehr im Wasser. Kein Herzschlag.
Der Typ war tot.
Ertrunken.
Killua ließ von den braunen Haaren ab, fiel auf seinen Po und starrte den Toten an, der nicht mehr auftauchte. Da war keine Luft mehr in den Lungen, die den Körper trug, sondern Wasser, das ihn schwerer machte.
So ... einfach war das?
Er hätte sich all die Jahre - diese vielen Jahre - einfach nur in irgendein Gewässer stürzen und Wasser einatmen müssen?
Seine veränderten Gedankengänge erschreckten ihn nicht einmal. Sie waren so vertraut wie das, was er eben getan hatte. Das Töten. Aber für ein paar Atemzüge lang kam es ihm wie die Erlösung vor, auf die er so lange gewartet hatte.
Und ungeachtet all der guten Dinge, die ihm eigentlich in den letzten Monaten und auch schon davor widerfahren waren, wollte er das gerade mehr als alles andere.
Diese Sehnsucht ... war nie gestorben.
Er musste einfach ... nach hinten fallen, den Kopf unter Wasser tauchen und ...
Ein stechender Schmerz, der quer von einer Schläfe zur anderen schoss, löschte den Gedanken nahezu aus. Killua ächzte überrascht, griff sich an den Kopf und biss die Zähne aufeinander.
»Was ...«
Der quälende Impuls wiederholte sich und das um einiges stärker als zuvor.
Killua brüllte, bäumte sich auf und krallte die Finger so fest in seinen Kopf, dass er durch die Haut drang. Der dumpfe Schmerz war nichts im Gegensatz zu dem im Inneren seiner Gedanken.
Natürlich.
Er war nicht der Einzige, der über solche Dinge entschied. Der enge Kanal, in dem er sich befand, wurde breiter. Viel breiter. Er sank tiefer. Und plötzlich wurde seine Todessehnsucht von Angst überflutet, die ihn stets überkam, wenn er sich mit weitläufigen, unberechenbaren Gewässern konfrontiert sah.
Nein ...
Warum jetzt? Warum ... konnte er nicht einfach ...
Wieder schrie er auf. Sein Kopf drohte zu explodieren. Er schleppte sich hinauf auf die Kante, presste sich an die Wand und atmete flach. Er hatte keinerlei Kontrolle darüber. Er wollte nichts mehr, als sich unter Wasser zu drücken. Aber er ... kontrollierte das nicht. Er hatte es fast schon wieder vergessen.
Es mochten meistens nur viel zu realistische Träume sein.
Aber das hier - das war keiner dieser Träume. Es war die Realität. Und Killua existierte auch in dieser, nicht nur in seinen Gedanken oder in seinen Tagträumen.
Killua.
Er war Killua.
Und er würde hier nicht sterben.
Plötzlich rauschte es unterhalb seines Ohres.
Er erschreckte sich so sehr über dieses Geräusch, dass er fast wieder ins Wasser zurückrutschte und als er plötzlich eine Stimme hörte, verstand er immer noch nicht, was hier geschah.
»Killua? Killua, hier spricht Nash. Hast du ihn? Wo bist du? Over.«
»Was zum ...«
Killua zerrte sich die Jacke vom Körper. Die hatte er von Nash geschenkt bekommen. Aber ... da schien es ein paar Details gegeben zu haben, über die sein Freund keinen Mucks verloren hatte. Ein integriertes Funkgerät.
Das war so abstrus, das Killua schon wieder grinsen musste. Ein bisschen verzweifelt vielleicht.
Er hatte keine Ahnung, wie man solch ein kreisrundes Ding bediente. Er drückte einfach herum, bis irgendetwas nachgab und sprach danach erst.
»Ich habe ihn. Ich bin irgendwo im Kanalsystem. Ich schätze, unterhalb des stillgelegten Industriegebietes. Ist recht ruhig hier.«
»Wieso zittert deine Stimme so? Over.«
»Was soll dieses dämliche Over? Egal. Ich ... ich bleibe noch ein bisschen hier sitzen und ...«
»Wie hast du ihn getötet?«
»Ich hab ihn ... ertränkt.«
Das Gerät blieb ein paar Sekunden lang still. Sekunden, die sich zu einer Minute ausweiteten, so dass Killua kaum mehr annahm, noch einmal angesprochen zu werden, doch gerade, als er die Augen schloss und sich wieder seinen Gedanken hingeben wollte, rauschte es wieder.
»Wir haben dich. Ich komme dich holen. Stell bloß keinen Unsinn an!«
Unsinn? Er?
Killua lehnte den Kopf an die kalte Wand und lachte. Freudlos und verzweifelt. Er hätte Nash gar nichts sagen sollen. Der kannte solche Momente selbst zu gut. Er verstand ihn. Deswegen waren sie so ein gutes Team. Und anhand seiner brüchigen Stimme musste er erkannt haben, was Killua gerade durch den Kopf gegangen war. Dabei konnte er es ja selbst nicht einmal recht in Worte fassen.
Er war überfordert davon, dass es ... so einfach gewesen wäre ... all die Jahre ...
»Ich mach keinen Unsinn«, murmelte er für sich selbst und blickte zu der Stelle, an der sein Klon gestorben war. »Das wäre das einzig Sinnvolle gewesen, das ich jemals getan hätte.«