I see your face, it's haunting me

Nov 15, 2016 13:41

Ficathon: like the whisper of the wind
Fandom: The Walking Dead
Pairing: Daryl/Jesus, Merle & Daryl (Brother Complex)
Genre: hurt/comfort, light romance
Rating: P-12 Slash
Prompt: And every time I see you in my dreams, I see your face, it's haunting me von tears_into_wine

Es gab Momente im Leben, in denen hatte man zu viel um die Ohren, um nachts überhaupt schlafen zu können, geschweige denn zu träumen. Daryl waren sie vertraut. Er kannte sie aus seiner Kindheit, er kannte sie vom Hier und Jetzt und doch häuften sich in letzter Zeit wirre, manchmal recht verstörende Träume. Er verstand nicht, was sie ihm sagen wollten. Er wusste es einfach nicht. Wenn er am Morgen vor allen anderen aufwachte, konnte er sich nicht einmal an all das erinnern, was er träumte, doch eine Sache tauchte immer wieder auf und blieb auch dann, wenn er die Augen längst geöffnet hatte und wieder bei vollem Bewusstsein war.
Merle ...
Er sah ständig Merles Gesicht vor sich.
Es schien ihn zu verfolgen, dabei war der Tod seines Bruders schon so lange her, dass es ihn nicht mehr so aus der Bahn werfen sollte. Es gab nicht einmal einen plausiblen Grund dafür, dass er nun gehäuft von seinem toten Bruder träumte, oder begann erst jetzt die Zeit, in der er das Erlebte zu verarbeiten begann? Warum jetzt erst? Warum, wenn doch alles ... in halbwegs geraden Bahnen lief? Es waren schon einige Wochen vergangen, in denen nichts Schlimmes geschehen war. Keine Überfälle, keine unüberschaubaren Beißerfluten, keine Tode ... alles war still. Daryl konnte es sich nicht erklären. Er sprach mit Aaron darüber. Er sagte ihm, er müsse sich viel mehr ausruhen und nicht immer so präsent sein, wie er es eben immer war. Gegenüber Rick äußerte er dazu nichts. Glenn kam selbst einmal auf ihn zu und fragte ihn, warum er in letzter Zeit immer so fertig aussah. Auch Michonne behielt ihn vermehrt im Auge und niemand wollte, dass diese dunkle Amazone über einen wachte.
Wenn er für das alles nur eine Erklärung hätte. Träume konnten doch nicht so anstrengend sein, nicht wahr?

»Du siehst schon wieder so übel aus, Mann ... was tust du nachts?«

Daryl rückte sich die Armbrust zurecht und betrachtete den kleineren Mann, der sich in sein Wahrnehmungsfeld gedrängt hatte ... und es auch immer wieder ungefragt tat. Lange Haare, üppiger Bart, doch darüber junge, noch scheinbar völlig ungetrübte Augen, kaum Falten und zwischen borstigen Härchen ein gewinnendes Lächeln. Daryl dachte immer wieder an ihre ersten Begegnungen zurück. Wie Jesus ihren Truck geklaut hatte, wie sie ihm hinterhergefahren waren und dieses kleine Fangespiel gespielt hatten, bis sie ihn endlich erwischen und fesseln konnten. Ein interessanter Einstand, aber seitdem hatte sich der junge Mann so völlig anders verhalten. Er war freundlicher, als man annehmen würde, half, wo er konnte und ... nun ... offensichtlich machte er sich auch so seine Gedanken. Es war nicht das erste Mal, dass er Daryl auf sein fertiges Aussehen ansprach.
Der Ältere winkte ab. »Was ihr nur alle habt. Ich bin das blühende Leben. Und jetzt lass mich meine Arbeit machen.«
»Ich glaube, du brauchst dringend ein Mädchen, Junge.« Jesus schmunzelte, als er von Daryls irritiertem Blick getroffen wurde.
Unschuldig hob er die Schultern. »Jeder Mann hat Bedürfnisse. Vielleicht solltest du sie auch mal befriedigen, dann kannst du auch besser schlafen.«
»Und das sagst du, weil ...?«
»Ich bin auch ein Mann, weißt du.« Jesus hob die Arme, drehte sich einmal im Kreis und lachte dann vergnügt. »Ich weiß ganz genau, von was ich rede und nun ... ich habe dich noch nie mit jemand anderem gesehen, also wird es vielleicht mal Zeit.«
»Nicht jeder ist so ... wie du.«
»Nein, vermutlich nicht.«
Jesus behielt das Lächeln auf den Lippen, auch wenn er die Worte schon als eine Art Beleidigung deuten könnte, aber ihm sollte es recht sein. Viele Dinge waren ihm in den letzten Jahren egal geworden.

Daryl sah dem Kerl hinterher und schüttelte dann leicht den Kopf. Wenn er genauer darüber nachdachte, hatten die Träume angefangen, seit er Jesus kannte und vielleicht war es vermessen, aber vielleicht war an dem Namen ja doch mehr dran, als sie alle glauben wollten. Dieser Kerl war sicher ... ein Omen des Bösen oder etwas dergleichen. So fröhlich er immer war und so sehr er sich auch ins Zeug legte - irgendetwas hatte er an sich, das Daryl keine Ruhe ließ. Ganz offensichtlich. Und er erschrak ein wenig über sich selbst, weil seine Gedanken überhaupt in so eine Richtung gelenkt wurden. Er musste dringend auf Tour. Auf andere Gedanken kommen. Draußen konnte er sein meistens recht volles Hirn nicht so von der Leine lassen. Da war Fokus gefragt. Konzentration.

[...]

Daryl wälzte sich herum. Nun hatten sie schon ordentliche, warme Betten und trotzdem fand er nicht die Ruhe, die sein Körper so dringend nötig hatte. Er hörte im Halbschlaf Merles Stimme. Erinnerungen suchten ihn heim, die er so gut verdrängt hatte und die sein Gemüt aufwühlten. Er hatte lange nicht mehr an Neal gedacht. Sehr lange. So viel war in der Zwischenzeit passiert. Es hatte nie Anlass gegeben, um sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen, mit denen Neal ihn vor Jahren konfrontiert hatte. Flüchtig dachte Daryl an Beth zurück, an die kurze, gemeinsame Zeit, ehe sie gestorben war. Und immer wieder war da Merle.
Merle, der ihm sagte, dass er es nicht wert war, sich anderen anzuschließen, weil er dafür gemacht war, sie irgendwann alle zu verraten.
Aber Daryl hatte sich geändert.
Die Zeiten hatten ihn geändert.
Die Menschen, die er getroffen hatte.

Er wälzte sich wieder auf die andere Seite, brummte unverständliches Zeug, aber der tiefe Schlaf wollte nicht kommen. Wieder drehen, das Kissen unter seinem Kopf zurechtrücken, Beißer zählen - was man eben so tat, um einschlafen zu können. Nichts funktionierte. Aber er war auch nicht mehr wach genug, um zu bemerken, dass er nicht mehr allein war.
Bis zu dem Augenblick, als er sich abermals drehte und ... auf Widerstand traf. Daryl fuhr hoch, griff in der gleichen Bewegung unter sein Kopfkissen, holte dort das Messer hervor und wälzte den Angreifer auf das Bett, um ihm das Messer dann an die Kehle zu halten, und nach der Taschenlampe zu tasten.
Er leuchtete direkt in Jesus‘ Gesicht. »Paul?«
»Verdammt ... bist du schnell«, murmelte der Blonde, ehe er blinzelte. »Und hey ... ich sagte, meine Freunde nennen mich Jesus, also halt dich gefälligst daran!«
»Wer sagt, dass ich dein Freund bin? Du hättest jetzt tot sein können und es wäre mir egal gewesen.«
»Ach ja? Offensichtlich lebe ich aber noch, also wärst du jetzt so gütig? Die Lampe ist ziemlich hell und die Klinge schadet meinem akkurat geschnittenen Bart.«
Daryl schüttelte den Kopf bei so viel ... Nichtvorhandensein von Menschenverstand. Anders konnte er das, was da offensichtlich in Jesus‘ Kopf vorging, nicht erklären. Wollte er auch gar nicht. Dieser Mann war zu leichtsinnig für alles, beziehungsweise sah er viele Dinge einfach nicht so verbissen wie die meisten anderen - Daryl eingeschlossen. Aber er tat dem Langhaarigen den Gefallen, löste das Messer von dem vom Bart halb verdeckten Hals und legte die Lampe auf das Fensterbrett zurück, ohne sie auszumachen. »Was willst du hier?«
Daryl schob das Messer zurück unter das Kopfkissen und sah den Anderen auffordernd an. Jesus neigte den Kopf, blieb für ein paar Momente an dem nackten Oberkörper hängen, den man eigentlich nie zu Gesicht bekam, ehe er sich zu einer Antwort herabließ. »Ich war neugierig darauf, wie du nachts schläfst und da deine Tür nicht wirklich gut gesichert ist, war es kein Problem, hereinzukommen.«
»Du hast mein Schloss geknackt?«
»Kleinigkeit.« Jesus winkte über seine Schulter ab, als würde er eben diese Kleinigkeit locker über seine Schulter hinweg in den Müll der nicht nennenswerten Dinge werfen. Daryl unterdrückte ein Schnauben. Dieser Kerl!
»Jetzt hast du mich wach gemacht, also kannst du auch wieder verschwinden.«
»Du hast ja nicht einmal richtig geschlafen«, betonte Jesus und hob beide Schultern. »Wer ist Merle?«
Daryl runzelte die Stirn. Wie lange war Jesus schon in seinem Zimmer? Und ... wieso hatte er während dieses Halbschlafes geredet? Er war ein wenig entsetzt von sich selbst und starrte mürrisch aus dem Fenster. Wenn er dem anderen keine verpassen wollte, musste er wohl in den sauren Apfel beißen, auch wenn Jesus eine Tracht Prügel definitiv verdient hätte. »Mein Bruder.«
»Was ist mit ihm passiert?«
»Er wurde gebissen.«
Jesus neigte etwas den Kopf und endlich verschwand auch dieses dumme Grinsen aus seinem Gesicht. »Das tut mir leid.«
»Ist lange her. Zufrieden?«
»Nun ... du scheinst von ihm zu träumen. Ist das schon lange so?«
Daryl schüttelte den Kopf, ehe er sich dieser Geste überhaupt richtig bewusstwerden konnte. Jesus verstand, positionierte seine Beine im Schneidersitz und machte es sich damit noch gemütlicher auf dem fremden Bett. Daryls Augenlid zuckte flüchtig.
»Von Toten zu träumen, ist nie sonderlich gut. Das zeigt, dass du noch nicht abgeschlossen hast. Was hat er getan, damit du ihn so intensiv in Erinnerung behältst?«
»Was soll die Frage? Hast du alle vergessen, die du einst geliebt hast?«
»Nein, aber ich habe auch keine Alpträume von ihnen.«
Daryl wurde langsam wirklich wütend. »Das sind ...«
Doch ... es handelte sich um Alpträume, sonst wäre sein Schlaf vermutlich erholsamer. Der angefangene Satz blieb so stehen. Jesus machte ihn rasend, brachte ihn dazu, sich mit solchen dummen Dingen auseinanderzusetzen. Warum nahm er sich überhaupt das Recht heraus, das zu tun?
Der Blonde ließ das unkommentiert, strich sich nur nachdenklich über den Bart und lächelte dann wieder.
»Weißt du«, fing er an und beugte sich ein wenig nach vorn. »Du solltest dich dringend ablenken. Ich wüsste da einige tolle Dinge.«
Das konnte sich Daryl bestens vorstellen. »Nein, danke ...«
»Hm ... schade.« Jesus zuckte ein weiteres Mal mit den Schultern, aber sein Grinsen wurde breiter, als er die Beine löste, sich vom Bett begab und sich vor diesem noch einmal umdrehte. »Aber glaube nicht, ich würde deine Blicke nicht bemerken. Ich mag manchmal ein Idiot sein, aber solche Dinge sind mir noch nie verborgen geblieben und ich fühle mich wirklich geschmeichelt.«
»Was zum ...«
Jesus wandte sich zum Gehen, da schlug Daryl die Decke zurück, sprang auf und griff nach dem Kleineren, um ihm diese Anmaßungen aus dem Kopf zu prügeln, aber in dem Moment, als er den Anderen zu sich herumdrehte, stellte der sich auf die Zehenspitzen und ... küsste ihn.
Daryls Faust blieb in der Schwebe und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen.
Jesus stand wieder normal, grinste flüchtig und sah kurz zu der erhobenen Hand hoch. »Na los ... worauf wartest du?«
Die Faust begann zu zittern, dann senkte sie sich langsam. »Du bist doch vollkommen irre.«
»Wie die meisten hier«, erklärte Jesus. »Du bist irre, ich bin irre, Rick ist irre ... alle sind irre. Und? Irrsinn ist menschlich, schätze ich. Und heimliche Gefühle sind es auch.«
»Gefühle ...«
Daryl spuckte dieses Wort vor Jesus‘ Füße, als hätte es einen schalen, widerlichen Geschmack auf seiner Zunge hinterlassen. Trotzdem. Sein Körper war in Aufruhr. Und er wusste nicht recht, ob das nur von dem unruhigen Schlaf zuvor stammte oder von der Wut, die er gerade in sich hatte. Oder von etwas ganz anderem.
»Ich meine«, setzte Jesus seinen immerwährenden Monolog fort. Scheinbar hörte er sich verflucht gern reden. »Was hast du schon zu verlieren? Du hast niemanden, ich habe niemanden. Es wäre keine große Sache. Aber vielleicht träumst du gerade deshalb so schlecht, hm? Hat dein Bruder damit zu tun? Ist dir mal jemand wichtig geworden und er hat sich um ihn gekümmert?«
»Was?«
Daryl wollte den Kopf schütteln, aber Fassungslosigkeit lähmte ihn und er hasste es, sich so zu fühlen.
»Also stimmt es? War es ein Mann? Eine Frau? Warum ist Merle so ausgerastet damals?«
Daryl ließ den anderen los, als wäre der Mantelärmel mittlerweile zu heiß, um ihn noch berühren zu können. »Wie ... woher ...«
»Ich weiß nichts, aber ich habe eine gute Menschenkenntnis. Und ich weiß, dass du nicht immer so schlecht ausgesehen hast wie jetzt. Ich habe mit ein paar deiner Freunde geredet und sie gefragt, ob du schon immer so unausgeruht warst. Sie haben mir genau vom Gegenteil erzählt und es ist schon seltsam, dass ... nun ja ... es jetzt eben so ist. Liegt es an mir? Bringe ich dich durcheinander?«
Natürlich brachte er ihn durcheinander! Was war denn diese ganze Szenerie hier? Ein einziges Chaos.
»Es ist besser, du verschwindest jetzt.«
»Wollte ich ja, aber du hast mich aufgehalten.«
»Raus hier!«
Jesus schmunzelte noch einmal, ehe er tatsächlich ging - dieses Mal unbehelligt.

Als Daryl sich wieder auf seinem Bett niederließ und den Kopf in seine Hände presste, sah er immer noch Merle vor sich. Er grinste hämisch. Dann war da Neal. Und Merle, der auf ihn einschlug. Immer und immer wieder. Daryl schüttelte den Kopf, verdrängte den Anblick mit aller Macht und wusste, dass er keinen Schlaf mehr finden würde. Sein Kopf war überfüllt, konnte nichts mehr filtern und viele Dinge strömten haltlos auf ihn ein.
Merle hatte ihn fürs Leben gezeichnet.
Und hatte damit den Job ihres Vaters vermutlich ungewollt fortgeführt.
Denn ja. Daryl war sich der Blicke, die immer wieder an dem Typen, der sich selbst als Jesus bezeichnete, hängen blieben, durchaus bewusst, aber er durfte nicht. Wohin sollte das führen?
Er würde nur wieder jemanden verlieren, der ihm wichtig war.
Es passierte immer wieder.
Und es sollte aufhören.

genre: romance, fandom: the walking dead, ficathon, character: daryl, genre: hurt/comfort, format: fanfiction, format: oneshot, character: merle, character: jesus, prompts, pairing: daryl/jesus

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