Dies ist mein Wochenende - von Sata Christ

Nov 01, 2004 13:33

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Dinge, die man braucht, wenn man auf Tour geht: Kaffee, Decke, Kopfkissen, Aspirin, Kaffee, Wärmflasche, Ohrenstöpsel, warme Socken, Kaffee.

Freitag - 1. Konzert:
Nach eher gelassenem Arbeitstag in letzter Minute noch einen Notfall auf Station versorgt. Die Notaufnahme glaubt, es ist dringend. Mein Stationsarzt glaubt, dringend ist eher der Wunsch der Verwandten, mal ein ruhiges Wochenende zu haben. Egal. Den Soundcheck hätte ich sowieso nicht geschafft.
Also 19:00, und von der Arbeit direkt in den Club. Alles schon aufgebaut, brauch man also nur spielen, oder? Man kann nicht sagen, daß es keinen Spaß macht, den macht es. Gegen Mitternacht erwartet uns ein gut aufgewärmtes Publikum. Wie war das gleich? "Der Sound ist rund und ein Set hat 75 Minuten." Danach ist man tot aber glücklich. Nach Merchandising und Ausrüstung in den Van laden dann nur noch tot.
Gegen vier Uhr etwas bin ich im Bett und zelebriere meinen Zustand. Bis etwa 6:15.

Samstag - 2. Konzert:
Aufstehen. Und immer dran denken: der Wecker, nicht die Band ist der Feind. Um 08:00 vorm Proberaum, in eisiger Kälte und ohne Frühstück ist dafür allerdings viel Überzeugungsarbeit nötig.
"Wie weit ist es nach Lüneburg?" - "So 800 km." - "Und wann müssen wir da sein?" - "Is mir Wurscht. Sie werden wohl kaum ohne uns anfangen."
Die Fahrt selbst war der beste Teil des Gigs. Zehn Stunden später finden wir uns auf dem Lüneberger Campus wieder, konfrontiert mit 50 feiernden Gästen und einem Kerl mit Zylinder, der Kronenkorken kehrt und fragt, ob einer von uns Jungfrau ist. Ganz so hatten wir uns das nicht vorgestellt.
Der Raum - ich sage mit Absicht nicht "Club" - heißt Wohnzimmer. Wir fragen uns, wen wir für die Buchung dieses Gigs am besten hassen sollen. Vier Musiker könnte man auf der Bühne vielleicht noch unterbringen, denke ich mir. Zu dumm, daß wir zu Sechst sind. "Vielleicht kann das Publikum ja in den Nebenraum gehen?"
Publikum. 20 zahlende Gäste. Dafür hätte sich die Erschließung des Nebenraums nicht wirklich gelohnt. Bestimmt hatte jeder viel Spaß daran zu beobachten, wie wir versuchten, uns auf der Bühne nicht allzu viele Schrammen zuzufügen. "Der Sound ist rund und das Set hat 75 Minuten." Keine Zugaben.
Auf dem Weg nach Draußen starrt mich mein Gitarrist an: "Für das Geld, das wir bei diesem Gig gespart hätten, hätten wir uns zwei Gitarren kaufen können." Das Resumée.
Die gute Nachricht: es gibt einen Schlafplatz. Die schlechte: er ist im Harz. Während der zweieinhalbstündigen Fahrt bin ich etwas verwundert, aber vor allem dankbar, daß mein Bassist nicht am Steuer einschläft. Ich hätte es getan. Gegen 04:00 gibt es dann ein Bett. Bett? Kennt ihr diese Holzstühle, die man aufklappt, um sich dann auf ein Stück gespannten Stoff zu setzen? Die gibt's auch als Bett. Vor allem auf Feuerwachen. Der Raum ist groß und kalt, und nein, es gibt nicht genug Decken. Gegen sieben wach ich auf, weil ich meine Schulter nicht mehr spüren kann und mein Sänger schnarcht.

Sonntag - 3. Konzert:
Aber es gibt Frühstück. Und viel Kaffee. Genug, um gegen 09:00 weiter gen Olching zu reisen. "Gen Süden!" Neben mir knabbert mein Bassist an einer Gauda-Semmel. "Und was haben wir aus dem hier gelernt?" - "Es gibt Käse und Antikäse." - "Und Synkäse und Askäse." Nicknicknick.
In Olching sind wir dan,n natürlich, zu früh. Also vertreiben wir uns die Zeit mit Pasta (und Kaffee), nisten uns beim Chef-Groupie ein und mißbrauchen die häusliche Dusche. "Ich bin fit." sprach's und keiner lachte.
Kurz vor Auftritt dann nochmal ein Tiefpunkt. "Mir reicht's. Wir geben jetzt alles, was noch drin ist und dann gehen wir ins Bettchen." So sei es. Der Akku steht zwar auf Reserve, aber ausruhen konnten wir ja nachher immer noch. Gegen Mitte des Sets fängt die Halle an zu schwanken. Ach nein, das bin doch ich. Meine Finger wollen mir nicht mehr recht gehorchen. Und nach dem letzten Ton schläft der Schlagzeuger über seinen Drums ein. Ich setze mich hin und starre ihn ein. Es ist ein beruhigendes Bild.
Ein letztes Mal laden wir den Transporter voll, springen auf die Sitze und fahren Heim. Das Ausladen in den Proberaum macht fast schon wieder Spaß, nur sind unsere Knochen inzwischen einfach zu kalt. "Ich werde zu alt für diesen Scheiß." - "Hmhm. Und das an nur einem Wochenende."
Auf dem Heimweg setze ich noch diverse Mitfahrer an diversen Stellen der Stadt ab. Und irgendwie man fühlt sich ein bißchen anders als vor ein paar Tagen.

Um 03:36 ist das Rock-Wochenende vorbei, und ich liege in meinem Bett. "Werde bestimmt nicht schlafen können", denk ich noch, und bin weg.
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