(Надеюсь, все помнят, что такое
serialbathroomdummyrun.) Так вот, я теперь являюсь счастливой обладательницей этого каталога. Сканы выложу позже. Пока предлагаю насладиться теорией туалетных фотографий. Немецкий + английский. Французский текст я проигнорировала, надеюсь, никто не обидится.
Hartmut Fischer: Vorwort
Der Schriftzug an der Tür wird in bestimmten Stunden als Schatten über dem Eingang zur Galerie lesbar. Es soll Situationen geben, in denen der Entschluss gefasst wird, seine Existenz ins Badezimmer zu verlegen. Jean-Philippe Toussaint beschreibt dies in seiner Erzählung sehr schön und unterstreicht jene Endgültigkeit mit dem Umzug des Protagonisten samt seiner Bibliothek ins Badezimmer.
Gegenteilig verhält es sich mit den vielfachen, flüchtigen Bekanntschaften mit Hotelbadezimmern, die Blixa Bargeld gemacht und fotografisch festgehalten hat und diese nun seinerseits erstmalig in Juliettes Literatursalon plaziert hat.
Nun bin ich wahrscheinlich derjenige, der am meisten Zeit mit diesen Räumlichkeiten (ohne jemals in ihnen gewesen zu sein) verbracht hat. Von einer bestimmten Position hat man von der Buchhandlung vier verschiedene Einblicke in den Galerieraum:
den direkten und drei gespiegelte: durch zwei Schaufenster und die Tür. Dort sind zunächst die schablonenhaften Zeilenanordnungen erkennbar - skylines? Verse?
Der Tag übernimmt die Rolle des Vexierbades: je dunkler es wird, desto stärker entwickeln sich die Konturen der Bilderrahmenversschablonen, Umrisse werden scharf und zusätzlich auf die gespiegelten Fotos aus der Galerie legen sich immer deutlicher die Buchregale auf jene, vermischen sich. Jetzt scheinen die Buchrücken deutlicher, beginnen die Schablonen auszufüllen.
Die Badezimmerverszeilen eröffnen nun im Anschluss der gespiegelten Regale ein neues Bild imaginierter Autoren - die eigentlichen Verse beginnen sich zu schreiben ...
bis das Entwicklungsbad im zunehmenden Tageslicht seine Wirkung zu verlieren beginnt; nach und nach taucht wieder der Schriftzug über dem Eingang der Galerie auf, die Dichter warten wieder geduldig, alphabetisch geordnet in Buchdeckeln, da öffnet sich die Tür ...
Blixa Bargeld: Das Spiel wird erfunden, die Regeln werden entdeckt
Meine Tätigkeit als fahrender Musiker, Darsteller, Sänger et cetera bringt viele, sehr viele Hotelaufenthalte mit sich. Im Schnitt vielleicht zweihundert im Jahr. Die Prozeduren: Einchecken, Auspacken, Einpacken, Auschecken et cetera wiederholen sich, wiederholen sich bis ins Detail. Ich kann auf eine Frage der Rezeptionistin schon antworten, bevor sie gestellt wird.
Hotels gleichen sich, insbesondere die Hotels einer Kette, und die meisten Hotels gehören zu einer Kette. Es fällt mir manchmal schwer, wenn die Arbeitsbedingungen sehr gedrängt sind, z. B. in einer Tourneesituation (eine Stadt pro Tag, ein Hotel pro Nacht), mich zu erinnern, wo ich bin, mir den Namen der Stadt, den Namen des Hotels, die Zimmernummer zu merken, dabei ist die Zimmernummer das Wichtigste. Was für eine Stadt draußen ist, ändert nichts, wenn sowieso keine Zeit ist.
Ich denke an Howard Hughes, der mehrere Häuser in den Vereinigten Staaten besaß, die absichtlich, bis ins Kleinste gleich eingerichtet und ausgestattet waren. Für ihn als Flieger machte es wohl nach der Landung, im Haus, keinen Unterschied mehr wo er sich befand. Oder an Lemmy, den Sänger der Band „Motörhead", der seine Wohnung in London genau wie ein „Holiday Inn" eingerichtet hat: dieselben Möbel, dieselben Vorhänge, alles.
Hotelzimmer sind unheimlich. Jedes Hotel versucht, und wirbt damit, behaglich, gemütlich zu sein, den Gast sich „wie zuhause" fühlen zu lassen. Aber ich fühle mich nicht „wie zuhause", ich fühle mich noch nicht einmal in meiner Wohnung „wie zuhause", (Daran sind möglicherweise die vielen Hotelaufenthalte nicht ganz unschuldig.) und kann mir auch von anderen Hotelgästen nicht vorstellen, dass sie sich bei ihrer Übernachtung so fühlen.
Ein Hotelzimmer ist unpersönlich, hat unpersönlich zu sein, das macht es gut. Es wird immer wieder in seinen neutralen Zustand zurückversetzt, ein Zustand in dem es für immer verbleiben würde, würde er nicht durch Hotelgäste wieder zerstört. Man könnte in einem Hotelzimmer vorsichtig auf einem Stuhl sitzen und der Urzustand würde erhalten bleiben. Legt man sich aber ins Bett oder benutzt das Badezimmer, muss das Zimmer bezahlt werden. Die Badezimmer in Hotels sind in ihrem neutralen Zustand antiseptisch, oder sollten es sein. Die Toilette ist mit einem Papierband versiegelt, dessen Aufschrift: „Desinfected - for your protection" mir beweisen soll, dass seit dem letzten Gast gesäubert wurde. Ebenso die Toilettenpapierrolle, deren loses Ende kunstvoll gefaltet wird. Ich bin die Verunreinigung, die in diesen Raum eindringt, einen Raum, der meiner Anwesenheit nicht bedarf. Ich bin der, der das Badezimmer entjungfert, es zum vorübergehenden Bestandteil meiner Welt macht, überall Spuren hinterlassend: in den Handtüchern, dem Waschbecken et cetera.
Es war mehr als nur spontan, als ich ca. 1990 anfing, diese Badezimmer mit Einwegkameras zu fotografieren. Grundlos; nicht weil das erste fotografierte Badezimmer (Ramada, Zürich) etwas Besonderes hatte, eher nicht. Nein, es war der Anfang eines Spiels, dessen Regeln ich erst nach und nach entdeckte, und dessen Ausgang ich noch nicht kenne. Vielleicht ist es der Versuch ein Netz über die Monotonie zu legen, etwas festzuhalten in der ständigen Umdrehung dieses Getriebes, mir die Wiederholung anzueignen, mit Sinn zu füllen.
Ich interessiere mich nicht für Badezimmer, Armaturen, Sanitäreinrichtungen et cetera. Aber hätte ich immer wieder das Hotelbett fotografiert, wäre es fast unmöglich geworden eine metapherfreie Behauptung aufzustellen. Betten bedeuten. Was bedeuten Badezimmer?
Mit den Jahren fing ich - unvermeidlich - an, die Badezimmer genauer zu betrachten, Konstanten in meiner Vorgehensweise zu entdecken. Alle Badezimmer haben ein Waschbecken, das erste Bild, die erste Regel, in der Regel mit einem Spiegel darüber. Ich will mich nicht unbedingt in verschiedenen Hotelbadezimmerspiegeln porträtieren, also versuche ich mich, in der Regel, aus dem Bild zu halten. Aber wie in Jan van Eycks „Hochzeitsgemälde des Giovanni Arnolfini“, schmuggelt mich ein Spiegel meistens doch ins Bild. Die nächsten Bilder, die nächsten Regeln gehören den einzelnen Gegenständen, den besonderen Merkmalen eines Badezimmers. Je mehr es davon gibt, umso mehr Fotos mache ich. Eine kleine Nasszelle mit einem uninteressant hängenden Handtuch wird entsprechend wenig honoriert. Mindestens ein Foto. Fotografiert wird jedes Hotelbadezimmer, vorausgesetzt ich habe das Zimmer wirklich benutzt. Also auch zwei an aufeinanderfolgenden Tagen benutzte Zimmer im selben Hotel (sollte ich das Zimmer gewechselt haben) werden festgehalten. Auch Stundenhotels, Flughafenhotels, Tageszimmer et cetera. Fotografiert wird, wenn es Hotel heißt. Ein Apartement ohne täglichen Service ist schon zu sehr Wohnung. Der Service, das Zurücksetzen in den ersten Zustand, den Zustand vor meiner Anwesenheit, ist ausschlaggebend.
In einem Hotel in Santiago de Chile versagte der Blitz meiner Einwegkamera. Es scheint diese Art Kamera nicht zu geben in Chile, also konnte ich auch keinen Ersatz besorgen. Ich habe das Badezimmer trotzdem fotografiert, ohne Blitz, schwarz. Eine neue Regel hat sich offenbart.
Was sich auf den Fotos abbildet ist nicht wichtig, es geht nicht um Fotografie. Es geht um das Einhalten der entdeckten Regeln, um Wiederholung.
Jede Serie, je ein Badezimmer, formt eine Zeile, mit Hebungen und Senkungen im Hoch- und Querformat, zeitlich dicht aufeinander folgende Serien einen Ausschnitt. Es entstehen Achtzeiler, Zehnzeiler, Sechzehnzeiler, Stanzen, Canti, Litaneien. Wie dieses Spiel ausgeht, ist noch nicht bekannt, die letzte Regel ist noch nicht entdeckt.
Ich habe ein Badezimmer verlassen, der Spiegel ist jetzt ungestört. „Do not disturb“, das Schild an meiner Tür, wird umgedreht: „Make up the room“. Beseitigt meine Spuren.
Maria Zinfert: Ein Hotelbadezimmer ist ein Hotelbadezimmer ist ein Hotelbadezimmer ist ein…
Neulings hab ich ein Stück Kernseife photographiert zu 3.50 Mark - die ist mir großartig gelungen; zum 'Sprechen' sag ich Ihnen.
Karl Valentin
Noch Joseph Roth (der beinahe ständig in Hotels gewohnt hat) beschreibt in seinem Roman „Hotel Savoy“ die sanitären Einrichtungen wie folgt: „Wasser, Seife, englisches Klosett, (...) freundlich blinkende Nachtgeschirre, wie köstliche Überraschungen in braungetäfelten Kästchen“. Ein weiter Weg zu den genormten Standards heutiger Hotelkettenbadezimmerausstattungen.
Dennoch ist ein Hotelbadezimmer nicht wie das andere und ein Waschbecken gleicht nicht aufs Haar dem nächsten und einmal gibt es eine Badewanne und ein andermal nur eine Dusche und manchmal auch beides und gelegentlich sogar Vorhänge an Fenstern und Bilder an den Wänden und beinahe immer ist ein Fön installiert und ganz selten einmal auch ein Fernseher und hin und wieder entdeckt man einzigartige Details in der Ausstattung eines Hotelbadezimmers.
Und einer der jahraus jahrein durch Hunderte solcher Hotelbadezimmer geht, vor den Spiegel tritt, seine Zahn- und sonstigen Bürsten, -pasten und Salben und Seifen auspackt, um sie tags darauf wieder einzupacken, der ist vom vielen Hinschauen schon so müde geworden, dass der Wunsch nach einem Halt nicht weiter wundert, einem Anhalten im Vorübergehen, einem sich Halten an Fotografien, wie sie Blixa Bargeld seit 1990 mit Einwegkameras aufnimmt und seit Ende 1997 von mal zu mal in Galerien zeigt.
Ein kleiner Teil dieser großen und stetig wachsenden Sammlung an Hotelbadezimmerfotoserien ist in diesem Katalog abgebildet, Bruchstücke einer Sammlung, die mittlerweile auch durch sich selbst wächst, denn an jedem Ausstellungsort gibt es wieder ein Hotelbadezimmer, das ebenso fotografiert sein will.
Hartmut Fischer: Foreword
At certain hours the lettering on the door can be seen as a silhouette above the entrance to the gallery. Situations involving the decision to transfer his existence into the bathroom are in store. Jean-Philippe Toussaint describes this well in his story and underlines the finality of this decision with the move of the protagonist along with his library into the bathroom.
This is in contrast to the multiple, fleeting acquaintances with hotel bathrooms, made and photographically captured by Blixa Bargeld and which he has now put on display for the first time in Juliettes Literatursalon.
I am probably by now the one who has spent the most time in these premises (without ever having been inside them). A certain position in the bookshop provides four different views into the gallery area: one direct and three reflected: by two display windows and the door. It is here that the stencilled arrangement of lines first becomes apparent - skylines? verses?
The day assumes the role of the 'vexierbad': the darker it becomes the stronger the development of the contours of the stencilled verse on the picture frame, outlines move into focus and in addition the image of the bookshelves on the pictures reflected from the gallery becomes increasingly clearer, culminating in a blend.
Now, as the spines of the books become clearer, the stencilled lines start to fill out.
In connection with the reflection of the shelves, the lines of bathroom verse now yield a new picture of the imagined author - the real verse start to flow...
until the developer bath starts to lose its effect in the increasing day light; gradually the lettering above the entrance to the gallery starts to reappear, the poets wait patiently again, lined up alphabetically in their book covers, the door opens...
Blixa Bargeld: The game has been invented, the rules will be discovered
My job as a travelling musician, actor, singer etc. involves many, very many hotel visits. The average is about 200 a year. The procedures: check-in, unpack, pack, check-out etc. are repeated in detail. I can answer a receptionist's question before she even asks.
Hotels are similar, especially the hotels of a chain, and most hotels belong to a chain. Sometimes, under tight work shedules, for example on tour (one city a day, one hotel a night), it is hard to remember where I am, the name of the city, the name of the hotel, the room number, the room number being the most important. What kind of city is outside doesn't change a thing, if there's no time anyway.
I think of Howard Hughes, who had several houses in the U.S., which were purposely furnished and equipped exactly the same. Being a pilot, it made no difference to him in which house he was after landing. Or take Lemmy, the singer of the band “Motörhead”, he designed the interior of his apartment in London like a “Holiday Inn”, same furniture, same curtains, same everything.
Hotel rooms are unheimlich. Every hotel tries to be and advertises itself as comfortable, pleasant, to make the guest feel at home. But I don't feel at home, I don't even feel at home in my own apartment (possibly the many hotel stays are responsible for that), and I can't imagine that other hotel guests spending the night feel that way.
A hotel room is impersonal, has to be impersonal, that makes it good. It is returned to it's neutral state again and again, a condition that would remain, if not disturbed by the guest. You could sit carefully on a chair in a hotel room and the original state would be preserved. But if you lie on the bed or use the bathroom, the room has to be paid. The bathrooms are antiseptic in their untouched condition, or should be. The toilet is sealed with a paper band enscribed: “Desinfected - for your protection” which should prove, that it was cleaned after the last guest. The toilet paper roll, the loose end folded decoratively has received the same treatment. I am the soilure that penetrates this room, a room which doesn't need my presence. I am the one who deflowers the bathroom, makes it to a temporary part of my world, leaving traces everywhere: in the towels, the basin, etc.
It was more than spontaneous, when I started taking pictures of these bathrooms around 1990 with disposable cameras. Without reason; not because the first bathroom I took a picture of (Ramada, Zürich) was special, rather not. It was the beginning of a game at which I discovered the rules only gradually, and I don't know the outcome yet. Maybe it's the attempt to cover the monotony with a net, to hold onto something in the continuous turning of this gear, to make the repetitions a part of myself, to fill them with purpose.
I am not interested in bathrooms, fittings, sanitary facilities etc. But if I had always taken pictures of hotel beds, it would have been almost impossible to make a statement free of metaphors. Beds mean. What do bathrooms mean?
As years passed 1 unavoidably started to look at bathrooms more closely, discovering constants in my procedures. All bathrooms have a washbasin, usually with a mirror above it, the first picture, the first rule. I actually don't want to portray myself in the various mirrors in hotelbathrooms, so I usually try to stay out of the picture. But as in Jan van Eycks painting “The Arnolfini Marriage” a mirror usually smuggles me into the photo. The next pictures, the next rules apply to the single objects, the special characteristics of a bathroom. The more of them there are, the more pictures I take. A small bath with a towel hanging in an uninteresting way, is not honored. At least one picture is taken of every hotelbathroom, on the condition that I have used it. The same applies to two rooms in the same hotel used on successive days (provided I changed rooms). That goes for hour-hotels, airport hotels, dayrooms etc. Anything that is called hotel is photographed. Housing without daily service is too much apartment. The service, the act of returning the room to it's original condition, the state before my presence, is the main thing.
In a hotel in Santiago de Chile the flash of my disposable camera failed. It seems that this kind of camera isn’t available in Chile, so I couldn't get a replacement. I took a picture of the bathroom anyway, without flash, black. A new rule revealed. What is on the photo isn't important, photography is not the point. The point is to stick to the rules discovered the repetition.
Every series, each single bathroom, forms a line with rises and falls in horizontal and vertical format, series taken in rapid succession make an exerpt. Eight-, ten-, sixteen lines, stanzas, canti and litanies develop. How this game ends is still unknown, the last rule hasn't been discovered.
have left a bathroom, the mirror is undisturbed now. “Do not disturb”, the sign on my door is turned around: “Make up the room.” Erase my traces.
Maria Zinfert: A hotel bathroom is a hotel bathroom is a hotel bathroom is a...
Neulings hab ich ein Stück Kernseife photographiert zu 3.50 Mark - die ist mir großartig gelungen; zum 'Sprechen' sag ich Ihnen.
Karl Valentin
Even Joseph Roth (who almost lived constantly in hotels) describes the sanitary facilities as follows in his novel “Savoy Hotel”: “Water, soap, an English lavatory, a friendly gleaming chamber pot like exquisite surprises in a brown wooden panelled small box.” A far cry from today's hotel chain standardized bathroom facilities.
However no hotel bathroom is like another and no wash basin is the same as another down to the hair and one has a bath tub and another a shower and sometimes both and occasionally even curtains at the window and pictures on the walls and almost always there is a hair dryer and not so often a television as well and now and again there are unique details to be discovered in the fittings of a hotel bathroom.
Someone who enters hundreds of hotel bathrooms year in year out, steps in front of the mirror, unpacks his toothbrush, toothpaste, creams and soaps, only to then pack them again a day later, is already so tired of observing that a desire for a stop is not surprising, a momentary stop, a photographic stop, such as Blixa Bargeld has been capturing since 1990 with disposable cameras and since the end of 1997 has occasionally exhibited in galeries.
A small part of this large and continually growing collection of hotel bathroom photo series are shown in this catalogue, fragments of a collection which in the meantime has also been self-productive since in every exhibition town there is yet another hotel bathroom equally just wanting to be photographed.