Jul 02, 2010 17:09
"Und dann diese Sommertöne! Diese Töne, bei denen einem wohl und traurig wird und die ich so liebhabe: das unendliche, bis über Mitternacht anhaltende Zikadenläuten, an das man sich völlig verlieren kann wie an den Anblick des Meeres - das satte Rauschen der wogenden Ähren - das beständig auf der Lauer liegende entfernte leise Donnern - abends das Mückengeschwärme und das fernhin rufende, ergreifende Sensendengeln - nachts der schwellende, warme Wind und das leidentschaftliche Stürzen plötzlicher Regengüsse.
Und wie in diesen kurzen, stolzen Wochen alles inbrünstiger blüht und atmet, tiefer lebt und duftet, sehnlicher und inniger lodert! Wie der überreiche Lindenduft in weichen Schwaden ganze Täler füllt, und wie neben den müden, reifenden Kornähren die farbigen Ackerblumen gierig leben und sich brüsten, wie sie verdoppelt glühen und fiebern in der Hast der Augenblicke, bis ihnen viel zu früh die Sichel rauscht!"
Hermann Hesse