“Jeder ist überzeugt, er könne Bücher kritisieren, nur weil er lesen und schreiben gelernt hat.”
- William Somerset Maugham -
“Fragwürdig wie alles, was wir treiben, ist auch die Selbstkritik. Ihre Wonne besteht darin, daß ich mich scheinbar über meine Mängel erhebe, indem ich sie ausspreche und ihnen dadurch das Entsetzliche nehme, das zur Veränderung zwingen würde ...”
- Max Frisch -
Schreiben ist eine seltsame Art des künstlerischen Ausdrucks. Es macht glücklich. Es befreit. Es macht Spaß. Es ist frustrierend. Es macht Angst.
Wir alle schreiben, weil wir ein Stück unserer eigenen Kreativität und Fantasie zu Papier bringen wollen; sie dingfest machen möchten. Einen Teil von sich selbst verewigen, wenn man es geschwollen aussprechen will.
Aber machen wir uns alle nichts vor - es kann zuweilen unglaublich beängstigend sein und mitunter die größten Selbstzweifel an den eigenen Fähigkeiten auslösen.
Denn irgendwann schließt jeder einmal Bekanntschaft mit dem eigenen Kritiker, die hartnäckige Stimme im Hinterkopf - der natürliche Feind im Schreibdschungel-, der jedes Wort, jedes Zeichen, jeden Satz, misstrauisch beäugt. und jeden Moment, wie ein Löwe die Antilope in der Savanne, rücksichtslos reißt. Der eigene Kritiker ist die Egobremse im eigenen Universum. Denn ist er einmal in voller Fahrt, ist er in der Lage, den Autor in ein jammerndes, wimmerndes, selbstzweifelndes Häufchen Elend zu verwandeln.
Ja. Willkommen in der Welt der Unzulänglichkeit.
Selbstkritik ist essentiell. Reflexion und Kritik an sich selbst, verhelfen zu einer gesunden Portion Erdung. Ohne Selbstreflexion wäre jeder der schreibt, verloren. Man muss das Geschriebene kritisch beäugen. Ehrgeiz und der Anspruch an sich selbst kann nicht ohne subjektives Hinterfragen geschehen und Höchstleistungen - wenn dies der Anspruch ist -, können nicht vollbracht werden. Wichtig ist dabei jedoch die gesunde Balance zwischen gerechtfertigter, antreibender Kritik und vernichtenden Selbstzweifel zu finden. Und da stellt sich die Schwierigkeit.
Nicht die außenstehenden Kritiker sind es, die einem in Form von Reviews und Kommentaren, das eigene “Weltbild” zerstören können; letztlich ist es die eigene Unsicherheit. Kommentare und die (hoffentlich) darin beinhaltenden Kommentare sind letztlich nur der Anstoß für den eigenen Kritiker - der böse schwarze Mann. Die Freikarte für das ewige Anzweifeln ist somit geschenkt und kommt - oh Freude - frei Haus geliefert.
Reviewer und Autoren gehen Hand in Hand. Eine wichtige Koexistenz, denn ohne Geschichte wird nichts gelesen und ohne Leser/Reviewer gibt es keine Urteile. Besonders letztere sind eine interessante Spezies und zumindest auf öffentlichen Plattformen nicht mehr weg zu denken. Denn dem ehrlichen Reviewer liegt in der Regel immer etwas am Herzen, sobald er eine Geschichte kommentiert. Der Leser/Reviewer erwartet oft unterschiedliches, aber die Meinung ist dem Autoren so heilig wie den Christen die Jungfrau Maria. “Gib mir 100 Reviews, die mich in den Himmel loben, aber nur eines, dass mein Geschriebenes niedermacht und mein Tag ist gelaufen.” Solche Aussagen hört man immer wieder, und ich gebe es zu: Ich schließe mich dem vorbehaltlos an.
Ein eigenes Konzept zu entwickeln wie Storyline, Charakterisierung, Schreibstil, Recherche…Das alles beansprucht nicht nur unglaublich viel Zeit, sondern auch Herzblut. Man denkt (im Idealfall) ständig an seine Geschichte, verliert sich in “Was-wäre-wenn”-Szenarien und wird sich seinem Geschriebenem so nahe, dass es den Anschein erwecken könnte, mit seinem Gedankenkonstrukt verheiratet zu sein. Jeder äußere Angriff darauf wird somit zu einem auf die eigene Persönlichkeit. Ja, Autoren sind weinerliche, narzisstische, furchtbar egozentrische Menschen. Dies betrifft “echte” Schreiber, d.h Menschen, die damit versuchen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, als auch Amateure, die sich an eigenen Werken oder Fanfiction versuchen. Es ist eigentlich recht egal, zu welcher Sorte man sich schimpfen lässt, denn beide Gruppen haben eines gemeinsam: Das Geschriebene wird zum eigenen Baby und ja keiner soll es wagen, besagtes Baby zu ärgern - vergleichbar damit, wie dem Kind die Schippe aus der Sandkiste zu entreißen. Kommt dann tatsächlich ein Kritiker, der die Geschichte, sagen wir mal, “nicht-so-toll” findet, werden arge Mutterinstinkte wach. Baby wurde angegriffen- Baby muss beschützt werden! Zwecks dieser furchtbaren Situation entwickelt die Mutter der Autor eine nette Art des Selbstschutzes und ruft aus: “Nein! Das stimmt nicht! Ich bin toll! Das ist meine Idee! Und: Du sollst auf ewig in der Hölle schmoren für deine Aussage.”
Okay. Verleumdung ist der erste richtige Schritt in die falsche Richtung. Aber so läuft der Hase - in den ersten fürchterlichen Minuten der Verdrängung zumindest. Denn nach längerem vergleichen und analysieren eines wortkargen 3-Satz-Reviews (i.d.R so eines: “Wow. Gefällt mir richtig gut"! Weiter so!”) mit dem so fürchterlichen (“Nicht-so-gut, weil…”) fällt auf, dass blasphemischer Leser vielleicht doch Recht haben könnte. V-i-e-l-l-e-i-c-h-t. Dieses kleine Wörtchen gehört von nun an in jedes Repertoire eines sich anzweifelnden Autoren. Vielleicht. Vielleicht hatte Leser Recht. Vielleicht ist mein Geschriebenes wirklich schlecht. Oder noch schlimmer… Durchschnitt…
Ab diesem Zeitpunkt ist der Autor mittlerweile so verunsichert, dass er beginnt, jedem Wörtchen in seiner Geschichte eine tiefere Bedeutung beizumessen. Oder zumindest versucht, eine zu finden. Man wird sich selbst zum härtesten Kritiker und verliert die gesunde Bodenhaftung.
Das hat alles haarsträubende Konsequenzen: Bei dem armen, plötzlich Talent beraubten Menschen, kann es zu widerlichen Schreibblockaden kommen. Einfache Sätze, die einem früher sonst ruhig von der Hand gingen, verstocken nach nur ein paar Wörtern. Bereits geschriebenes wird maßlos verrissen und jeder neue Satz wird kaum für würdig befunden. Man verliert den Mut und schlimmer: den Glauben an sein eigenes Werk - und somit an sich selbst.
Hiermit wäre der Tiefpunkt erreicht. Nicht fehlt nur die Motivation zu schreiben, sondern auch das letzte Stückchen Durchhaltevermögen, seine Arbeit zu beenden. Dies könnte ein Grund dafür sein, dass es auf öffentlichen Plattformen im Internet so viele Geschichten gibt, die nie beendet worden sind. Klar liegt es nicht immer an den eigenen Kritiker; oftmals sind es ganz simple Gründe wie Zeitmangel, Job, Leben, oder ein einfacher Verlust von Interesse, an seiner Geschichte weiterzuarbeiten.
Selbstvertrauen darf beim Schreiben nicht fehlen. Ist dies nicht vorhanden oder verschwunden, kann das schnell zur Last als Lust führen. Klar, Schreiben ist Arbeit. Oft sogar sehr harte. Jedoch ist es wichtig, den Überblick und die Balance, das Ying und Yang, nicht aus den Augen zu verlieren.
Was kann man also tun, wenn die eigene Unsicherheit einen übermannt und der innere Kritiker, (dieser Schweinehund), einem das Leben/ Hobby zur Hölle macht ?
Ich wünschte, ich hätte eine ultimative Lösung parat, vor allem deswegen, weil vermutlich jeder schon mal in dieser Situation war.
Ich kann nur Vermutungen und Ideen anstellen, wie dies zu bewerkstelligen gilt.
- Such dir eine Vertrauensperson.
Das könnte jemand aus dem näheren Umfeld sein, wie Mutter, Vater, Freund, Partner, Schwester. Oder ein befreundeter Autor, der einen Blick auf das Werk wirft. Die Hauptsache dabei ist absolute Ehrlichkeit. Zeigt dieser Person das Geschriebene. Erwartet kein Honig-ums-Maul-schmieren, aber in der Regel helfen außenstehende Personen, die verloren gegangene Selbsteinschätzung wieder her zu stellen. Erzählt von den Problemen - und sie werden helfen (hoffe ich doch). Vielleicht gibt es sogar neue Denkanstöße zur Geschichte oder Ideen und Techniken, um mit der eigenen Unsicherheit umzugehen.
2. Abstand
Zu viel verbrachte Zeit mit dem Bleistift/Computer um die eigenen literarischen Ergüsse fertig zu stellen, kann nicht nur äußerst frustrierend, sondern auch ungesund sein. Man kommt nicht weiter - weder beim Schreiben, noch im Leben. Eine ausgewogene Portion Distanz zum Schreiben kann Wunder wirken: Sei es ein Spaziergang an der frischen Luft, Zeit mit Freunden verbringen, oder einfach mal nichts tun - all dies bringt nicht nur den gewünschten Abstand zum Problem, es kann auch zu neuer Inspiration führen. Ablenkung hilft. Setzt man sich nämlich nach einiger Zeit wieder ans Schreiben, kann man bemerken, dass bereits geschriebenes vermutlich gar nicht so schlimm ist. Sollte dies doch der Fall sein, könnten neu gefundene Ideen zu einer ansprechenden Lösung führen.
3. Schreiben, schreiben, schreiben
Als Autor hält man sich in ausgesprochen krassen Fällen entweder für einen genialen Gott oder den letzten Abschaum. Ob ersteres überhaupt zutrifft, mag ich nicht behaupten, aber das letztere kann man sicherlich beheben, indem man ständig am Ball bleibt. Weiterentwicklung geschieht durch konstantes Schreiben. Ja, es ist schwer, und oft verzweifelt man mehr als genug an den eigenen Fähigkeiten. Jedoch ist Rom auch nicht an einem Tag erbaut worden. Es gibt viele nette Sprüche: Übung macht den Meister; Nur die Harten kommen in’ Garten…Nervig, aber dennoch steckt immer ein Fünkchen Wahrheit darin. Man will besser werden? Gut, dann heißt es aufhören mit jammern - raus aus der Ecke und ran an den Schreibtisch. Setzt euch realistische Ziele und neue Herausforderungen. Wie das geht? Neue Schreibstile ausprobieren. Oder sich an anderen Genre versuchen. Vielleicht auch was ganz anderes, die Möglichkeiten sind endlos. Meiner Meinung nach -Achtung, hier die Moral der Geschichte - wächst man nur mit den Aufgaben. Klar wird nicht immer alles einfach sein, und man wird immer wieder an Grenzen stoßen. Aber mit der Zeit wird man feststellen, dass einem frühere Schwierigkeiten (wie z.B Stil, Tempus, Erzählfluss) leichter fallen, oder zumindest leichter erscheinen.
4. Spaß!
Vielleicht der wichtigste Punkt: Nicht den Spaß am Schreiben verlieren. Wisst ihr noch, warum ihr angefangen habt zu schreiben? Erinnert ihr euch an das Gefühl, was es ausgelöst hat? Gut. Bewahrt euch die Freude und lasst dieses Hobby nicht zum Frust ausarten. Das funktioniert am besten, wenn man vom hohen Ross des Schreibens runterkommt und beginnt, sich selbst nicht mehr so fürchterlich ernst zu nehmen. Nobody’s perfect. Geht nicht zu verbissen ran. Bleibt gelassen. Lachen und Humor bewirken Wunder.
Vielleicht bin ich auch nur die einzige, die regelmäßig in kleine Panikattacken gerät und vielleicht (ja, wieder das Wörtchen vielleicht) übertreibe ich maßlos in den aufgeführten Punkten. Aber was ich mit Sicherheit behaupten kann, ist dieses: Schreiben oder jede andere Art der kreativen Ausübung, ist eine interessante Art, sich selbst besser kennen zu lernen. Ich weiß wo meine Grenzen liegen und bin mir gleichzeitig bewusst, dass nur ich selbst diejenige sein kann, die diese Hürden höher stecken und überwinden kann.
Und dies ist doch wirklich eine faszinierende und kostengünstige Art der Selbsterkenntnis. Spart auf jeden Fall den Psychologen. :D