Apr 22, 2015 02:29
Wer es als Frau wagt, keinen ausgeprägten Kinderwunsch zu haben, kriegt schnell zu hören "das ist eine Phase, irgendwann kommt das".
Aber was, wenn man dann eine Familie gründet und nichts 'kommt'? Oder was, wenn es okay läuft und frau am Ende trotzdem bereut, den Schritt gegangen zu sein? - "Kann passieren", sagt der aufgeklärte Geist. Aber die Reaktionen auf eine Studie der israelischen Sozialwissenschaftlerin Orna Donath, die 23 Frauen interviewt hat, sprechen eine andere Sprache. Frauen, die Kinder großziehen oder großgezogen haben und mit dieser Entscheidung inzwischen hadern.
Unter #regrettingmotherhood ergießt sich seit ein paar Tagen der reaktionäre Bodensatz. Eine Frau, die ihre Rolle als Mutter bereut hat offensichtlich einen ähnlichen gesellschaftlichen Stand wie ein bekennender Kinderschänder.
Frau = Mutter. So einfach ist das. Wer aus dieser Rolle rauswill, ist entweder eine Karrierefrau (ohne Kinder) oder eine Rabenmutter (mit Kindern). Man - frau! - muss, um gesellschaftlich akzeptiert zu werden - einen Schritt gehen, der unweigerlich, und das ist nun wirklich sattsam belegt, ein Karriere-Hindernis darstellt.
Dieser Zwang scheint insgesamt Konsens zu sein. Hierdurch entstehende Einkommenseinbußen auszugleichen oder wenigstens abzumildern hingegen ist weniger ein Thema - frau will ja nicht als Feministin dastehen. Könnte ja das Standing bei potenziellen Paarungswilligen gefährden.
Ich kotze.
Nicht zuletzt, weil die Männer fehlen. Das heißt: Sie fehlen nicht, sie tun ihr Ding. Nehmen AUCH Elternzeit und kümmern sich. Was sie nicht tun, ist, sich an der Debatte beteiligen: Ihre Stimme erheben, gegen den Chef, der sich nicht für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzt, nicht gegen den den Personalchef, der jedes Gehalt individuell verhandelt und die sich nicht für Frauen einsetzen, die - aus tausend nachvollziehbaren Gründen! - bereuen, ein Kind aufgezogen zu haben.
Denn das Bereuen, Vater geworden zu sein: das ist eine Position, für die sich kein Mann auf der Welt rechtfertigen müsste. Wer das täte, wäre eben ehrgeizig, zielstrebig.
Natürlich muss es im Jahr 2015 erlaubt sein, Mutterschaft als Lebensentwurf in Frage zu stellen. Aber wir leben in einer diversifizierten Gesellschaft, deswegen soll nicht unerwähnt bleiben, dass es natürlich ein völlig akzeptabler Weg sein und bleiben muss, wenn Menschen ihr Heil einzig im Muttersein sehen.
Ich selbst war jahrelang mit einer Person zusammen, die das für einen wichtigen Punkt in ihrem Leben gesehen hat - und ich will auch die Möglichkeit nicht völlig außer acht lassen, dass Fortpflanzung als Konzept in Frauen ein stärkerer Instinkt ist als in Männern.
Ausdruck esellschaftlichen Fortschritts wäre aber, dass ein Ausbrechen aus diesen Standards zur Normalität gehört: Männer, die in Elternzeit gehen genauso wie Frauen, die keine Kinder wollen.