Da wir heute erst um zehn Uhr unser Volunteer-Programm wieder aufnahmen, ergab sich die Gelegenheit, vorher noch in der Auroville Library vorbeizuschauen. Sie hat von neun bis 12:30 Uhr täglich offen, was sich meist mit anderen Terminen und Verpflichtungen beißt.
Der Bibliothekar heißt übrigens Jürgen und hat die Sammlung super organisiert.
Postgebäude
Obdachlose an der Townhall. Die Hitze ist morgens schon so drückend, dass niemand sich mehr recht bewegen will.
(Die Stadt im Dienste der Wahrheit)
Kunst am Bau
Geplanter Gesamtkomplex. Davon sind Townhall (2.v.l.) und Multimediacenter (3.v.l.) fertig.
Wie vereinbart traf sich der Kurs dann in der Townhall. Wir unternahmen einen kleinen Rundgang, ließen uns die verschiedenen Büros und Dienste erklären und kamen schließlich beim Büro des Entry Service an. Manche sind mit seiner Arbeit nicht so zufrieden, und manche fürchten seine Entscheidungen. Es hängen (nach westlicher Auffassung) schließlich Existenzen dran. Wobei das, wie ich glaub ich schon mal erklärt hab, nicht die richtige Einstellung für das Leben hier ist.
"Das ist der Entry Service... DER BERÜHMTE Entry Service!" proklamierte unsere Führung augenzwinkernd, woraufhin der Mitarbeiter hinter dem nächstgelegenen Fliegengitter aufsprang und mit zu Krallen geformten Händen Grimassen ziehend und grollende Geräusche von sich gebend drohend näherkam. Erst schauten wir verdutzt, um dann kollektiv in lautes Lachen auszubrechen. Coole Aktion & klarer Beweis für Humor. Man muss keine Angst vor diesen Leuten haben.
Abschließend sind wir zu L'Avenir d'Auroville gegangen, dem Planungsbüro für Stadtentwicklung. Ein älterer Inder namens Pashi empfing uns und erklärte in lebendigen Worten die Entstehung des Galaxieplans und die besonderen Notwendigkeiten eines Ortes wie Auroville. Er fand auch außergewöhnlich deutliche Worte zu einigen Brennpunkten aktueller Diskussionen. Nicht im Mindesten jammernd oder anklagend, sondern im Gegenteil ermutigend an uns als Neulinge gerichtet, uns durch aktives Ausleben unserer Ideale in die Stadtentwicklung einzubringen. Auroville ist so konzipiert, dass ein Einwohner fünf bis sechs weitere mitträgt, d.h. von den 50.000 künftigen Bewohnern sind 9.000 Geldverdiener. Die anderen sind Kinder, Auszubildende und ausschließlich im Dienst der Community Arbeitende. Die 41.000 produzieren also teilweise ebenfalls Waren und Dienstleistungen, aber nur für interne Zwecke, nicht zur Geldbeschaffung. Das ungefähre Verhältnis 1:6 entspricht den in Indien üblichen Standards zur Aufrechterhaltung eines angemessenen, wenn auch bescheidenen Lebens einer Familie. In Europa würde das derzeit nicht funktionieren, insbesondere wegen der persönlichen Ansprüche, der Wirtschaftsweise und des Preis-Lohn-Verhältnisses. Wer nach Auroville kommt, um es sich mit Westgeld bequem zu machen, missachtet nicht nur den spirituell geprägten Traum, sondern schadet auch der in Entstehung befindlichen Subsistenzwirtschaft. Natürlich braucht Auroville viel Geld, um die für seine Aufbau notwendigen Waren und Landstücke zu kaufen. Genau so wichtig sind jedoch Beiträge in Arbeitsstunden, neue Ideen, kooperatives Verhalten und das Streben nach höherem Bewusstsein, damit die Stadt bestehen kann.
Bereits jetzt stellt das städtische Kapital einen Wert in Höhe von 50 Milliarden Dollar dar, den, so Pashi, man erst einmal effektiver nutzen müsste, bevor man ungeeignete Konzepte aus dem gewohnten Repertoire unserer Heimatländer importiert.
"Kommt nur hierher, wenn ihr in eurem Herzen ein brennendes Verlangen danach spürt", meinte er noch. "Wenn ihr auch nur den leisesten Zweifel hegt, solltet ihr es euch nochmals überlegen. Dies ist nicht der richtige Ort, um sich ein einfaches Leben zu machen."
Das der Auroville Foundation gehörende Land ist hier hellgrün eingetragen. Der innere Ring stellt das künftige Stadtzentrum dar, der äußere umrahmt den geplanten Grüngürtel. Teerstraßen sind in schwarz gezeichnet.