Paul Kammerer (1880-1926) Das Gesetz der Serie. Stuttgart-Berlin 1919
Eine Lehre von den Wiederholungen im Lebens- und im Weltgeschehen
XV. Serien und Wahrheitsforschung
2. Serien und Erkenntniskritik
...Indessen dieser Grundsatz einfachster Erklärung, das Ökonomieprinzip der Forschung („Simplex sigillum veri") ist falsch, sobald es allgemeine Gdtung fordert, und hat schon mehrfach Schiffhruch gelitten. Den Bedürfnissen unseres nach restlosem Erfassen des unendlichen Naturganzen ringenden Intellektes kommt das Ökonomieprinzip zwar entgegen; aber seine Bequemlichkeit für unsere geistige Arbeit hindert nicht, dafi die Natur keineswegs einfach, sondern im Gegenteile äußerst kompliziert ist; und nicht darauf kann es der Naturforschung aidcommen, die simpelste - vielmehr nur darauf, die möglichst richtige Deutung in der Flucht des Erkannten zu gewinnen. Unser Verlangen nach Einfachheit zeigt sich in allem, was wir ersinnen und konstruieren: so sind unsere Maschinen weit einfacher und leisten das von ihnen Verlangte mit großerer Energiesparsamkeit als die Lebewesen, welche miserable Maschinen darstellen und viel Kraft vergeuden; analog sind sämtliche Naturabläufe viel zusammengesetzter, als wir sie sehen.
...Zwar ruht das Weltall wahrscheinlich wirklich auf nur einer gemeinsamen Wesenheit; ihre zahllosen Abstufungen und Entwicklungszustände aber machen daraus ein Mosaik, in dessen blendender Buntheit nicht Uniformität und Egalität herrscht, sondern Komplikation; und nicht die naheliegendste Erklärung ordnet es aufs beste, wofern sie die Mannigfaltigkeit nur am weitesten umgreift; sondern ganz allein die tiefste Erklärung, die es versteht, dem Mosaikbild der Wirklichkeit am treuesten gerecht zu werden.
XV. Serien und Wahrheitsforschung
2. Serien und Erkenntniskritik
...Indessen dieser Grundsatz einfachster Erklärung, das Ökonomieprinzip der Forschung („Simplex sigillum veri") ist falsch, sobald es allgemeine Gdtung fordert, und hat schon mehrfach Schiffhruch gelitten. Den Bedürfnissen unseres nach restlosem Erfassen des unendlichen Naturganzen ringenden Intellektes kommt das Ökonomieprinzip zwar entgegen; aber seine Bequemlichkeit für unsere geistige Arbeit hindert nicht, dafi die Natur keineswegs einfach, sondern im Gegenteile äußerst kompliziert ist; und nicht darauf kann es der Naturforschung aidcommen, die simpelste - vielmehr nur darauf, die möglichst richtige Deutung in der Flucht des Erkannten zu gewinnen. Unser Verlangen nach Einfachheit zeigt sich in allem, was wir ersinnen und konstruieren: so sind unsere Maschinen weit einfacher und leisten das von ihnen Verlangte mit großerer Energiesparsamkeit als die Lebewesen, welche miserable Maschinen darstellen und viel Kraft vergeuden; analog sind sämtliche Naturabläufe viel zusammengesetzter, als wir sie sehen.
...Zwar ruht das Weltall wahrscheinlich wirklich auf nur einer gemeinsamen Wesenheit; ihre zahllosen Abstufungen und Entwicklungszustände aber machen daraus ein Mosaik, in dessen blendender Buntheit nicht Uniformität und Egalität herrscht, sondern Komplikation; und nicht die naheliegendste Erklärung ordnet es aufs beste, wofern sie die Mannigfaltigkeit nur am weitesten umgreift; sondern ganz allein die tiefste Erklärung, die es versteht, dem Mosaikbild der Wirklichkeit am treuesten gerecht zu werden.