Dec 18, 2007 21:48
Charly hat mir bevor ich in die Klinik gefahren bin das Bild aus Basel mitgebracht. Das Bild auf dem alle Zuckerkristale zusammen drauf sind. Wir alle vier.
Dieses Bild hat so viel. Ich liebe es auf eine art und weise.
Dieser Tag, die ganzen Tage, sind bei mir sehr in erinnerung. Ich hatte gerade wieder meine 42kg und den ganzen Tag nichts gegessen. Es war unglaublich heiß und ich hatte diese blöde schwere Tasche. Das ganze hat mich unglaublich geschafft und ich hatte irgendwann absolut keine Kraft mehr. Schon in Karlsruhe konnte ich kaum noch laufen und Basel war eigentlich nur eine Tortur. Ich musste mich auf jeden schritt konzentrieren - da war es nicht gerade förderlich, dass wir den Weg zum Fluss nicht gefunden haben und diese treppen umsonst hochgestiegen sind. Jede Raucherpause war sowohl eine kurze erleichterung, als auch ein Rettungsring mit einem Loch, weil die Kippe mich nicht gerade wieder aufgepusht hat.
Ich weiß nicht, wieviel die anderen mitbekommen haben, und was sie gedacht haben. Ich hoffe nur, ich habe ihnen den Tag nicht zu sehr versaut. Auch die Tage danach in Offenburg, in denen ich wieder etwas mehr gegessen habe, aber auch manchmal nur dabei saß haben mir ein schlechtes gewissen eingebrannt. Sobald jemand weiß was los ist, ist es für das gewissen unglaublich schwer.
Auch der Tag in Basel, der doch eigentlich so wundervoll war hat einen kleinen knicks dadurch. Ebenso, weil ich auf der rückfahrt doch ein kleines bisschen Hefekuchen gegessen hatte, das ich sofort bereut hab ohne ende. Das führte dazu, dass ich, als wir heimgekommen sind, nichts mehr essen konnte und mit unglaublichen Magenschmerzen ins bett gegangen bin. Ich habe mich auf den Bauch gelegt, obwohl es weh getan hat und gehofft, dass mein Magen nicht zu sehr knurrt, wenn die anderen neben mir liegen. Und in meinem Kopf pochte der gedanke, dass ich sie den tag über belastet habe... so, dass sie mir am ende sogar die tasche abgenommen haben.
Trotz allem, wenn ich das Bild sehe, gefalle ich mir so sehr. Da ich davor nie bilder von mir habe machen lassen, war ich überrascht, dass sogar mir auffällt, dass ich mich verändert habe.
Es tut irgendwie weh. Ich habe so viel gekämpft, so viel ausgehalten um diese 15 Kilo abzunehmen. Und nun kommen sie nach und nach wieder. Alles umsonst. Jede Mühe.
"Hast du gelitten?", hat mich meine Tante gefragt, kurz bevor ich abgereist bin. Ich habe mit nein geantwortet, aber mich selbst konnte ich nicht belügen. Und genau deswegen schmerzt es auch, zu sehen wie die Zahl immer größer wird. Drei Kilo sind ok. Vier auch noch (schließlich kann man die in recht kurzer zeit wieder runter bekommen), aber je mehr es werden desto klarer wird einem, was für eine anstrengung auf einen dann wieder zukommt, sollte man sie wieder loswerden wollen.
Als ich anfang letzten jahres das erste mal 47kg hatte war ich stolz und in meinem kopf war der gedanke "Super. Du wirst nie wieder 48kg wiegen." Das war mir so klar, weil ich an den 48kg ganz schön zu arbeiten hatte. Es gibt immer so ein paar Zahlen bei denen es schwer ist drunter zu kommen. Auch als ich 45kg hatte hatte ich den gedanken "nie wieder 46kg."
Und jetzt?
Ja, ich gebe zu, meine gedanken schwenken hin zu dem zeitpunkt, an dem ich wieder anfangen kann, abzunehmen. Ich kann mich so einfach nicht akzeptieren.
Ich gebe auch zu, dass ich damals geweint habe, als der gedanke da war "du wirst nie wieder schokolade essen - das ist der preis".
Aber es stimmt: Man muss immer alles abwägen.
Ich bin irgendwie traurig, wenn ich mir das alles hier so klar vor augen führe. Ich habe einen neuen ansatz gemacht. Aber irgendwie verändert dieser Ansatz das ganze nicht. Er verändert diese gedanken irgendwie nicht. Vielleicht war es töricht, aber ich habe wirklich gedacht, dass sich das Thema "Magersucht" mit einem neuen ansatz erledigen würde. Und es macht mich auch traurig, wenn ich daran denke, durch was ich wieder durch muss und wie lange es dauern wird. Wenn man einmal auf einem niedrigen gewicht war, gibt man sich mit teilerfolgen nciht mehr zufrieden. Ich war schließlich so stolz, als ich meine 47 hatte. Jetzt sind 47 für mich nicht mehr akzeptabel.
Und es ärgert mich, wie sehr mich das ganze noch immer beherrscht und belastet. Und immer mehr belastet je mehr ich daran festhalte, mein Gewicht zu stabilisieren und regelmäßig zu essen. Ich spiele schon wieder mit dem gedanken, doch früher von hier abzureisen, damit ich nicht ständig kontrolliert werde. Und das macht mich wütend, obwohl es mich irgendwie erleichtert.
Paradox.
Ich frage mich, was ich denken werden, wenn ich diese einträge in 10 oder 15 Jahren lesen werde... Ob ich mich erinnern werde?
Zu welchen 30% werde ich gehören? Die, die das Thema abhaken können? Oder die, die zwar aus dem gefahrenbereich draußen sind, aber immer noch ein gestörtes essverhalten an den Tag legen? Werde ich jemals einfach wieder essen können, was ich will, worauf ich lust habe, ohne mir gedanken dabei zu machen?
Mic in 10 Jahre, wenn du das jetzt liest, dann schick einen gedanken an mich jetzt hier und sag es mir...