Anm.: Dies ist die unbebilderte Übersetzung meines
vorigen Eintrags auf Esperanto. Ich habe lange ncihts geschrieben und viel ist passiert; es folgen also hoffentlich noch einige Einträge in kürzeren Abständen.
Heißt es nicht immer, dass man überall auf der Welt Esperantisten findet? Also bist jetzt habe ich in Kunming niemanden gefunden, der die Sprache spricht; der Großteil hat sogar noch nie von Esperanto oder 世界语 (shìjièyǔ) - der "Weltsprache" - gehört oder sich dafür interessiert, sie mal zu lernen. Das Englische ist hier jedermanns Zielsprache.
Daher fehlt's mir sehr, Esperanto zu sprechen, ich vermisse das wirklich. Und deswegen habe ich versucht, nach einer Möglichkeit zu finden, an einem Esperanto-Treffen teilzunehmen und ich habe sie tatsächlich auch gefunden!
Der 24. Internationale Esperanto-Kongress mit dem Hauptthema "Die chinesische Weisheit"
...welcher letzte Woche (18. bis 23. April 2011) in der schönen zentralchinesischen Stadt Wuhan (武汉, Wǔhàn) in einem großen Kongressgebäude stattfand, mit ungefähr 100 Esperantisten hauptsächlich aus China und Europa (z.B. aus Deutschland, Frankreich, Ungarn, Polen, Rumänien, Italien, Taiwan...) und sogar Korea und den USA. Das war übrigens nicht nur mein erstes Esperanto-Treffen in China, sondern auch mein erster nicht explizit für Jugendliche ausgerichteter Kongress. Der Großteil war deswegen auch über 40 Jahre alt, obwohl es auch einige junge Leute gab, vor allem Anfänger, mit denen ich mich ziemlich oft auf Chinesisch unterhalten habe.
Ich hatte schon vorher die Flugtickets von "Candy" (einer chinesischen Freundin von Guy und Eric) gekauft, die in einem Reisebüro arbeitet. Vitamin B, ne? Das kostete insgesamt 2030 Yuan (ca. 210 €), zuzüglich Konferenzgebühren von 200 Yuan und die Unterkunft in einem kleinen Hotel für 320 Yuan. Jedenfalls waren meine Gesamtausgaben in den 6 Tagen 3105,5 Yuan (ca. 322 €). So, ab jetzt aber chronologisch, wie immer...
Montag, der 18. April
Mein Flieger ging nachmittags um 14:00 und ich habe das Taxi dorthin genommen. Der Flughafen in Kunming (昆明, Kūnmíng) ist wirklich dreckig und altmodisch... die Chinesen haben sogar Verpackugnen einfach achtlos auf den Boden geworfen. Das hat mich echt sauer gemacht. Und als es ans Warten am Gate ging, hat kaum einer daran gedacht, sich richtig anzustellen. Der Flug nordwärts nach Wuhan dauerte ungefähr zwei Stunden und der Flughafen dort war wirklich schön, ganz im Gegensatz zu dem in Kunming. Nach meiner Ankunft nahm ich einen Bus zum Konferenzgebäude. Da kam dann schon eine Chinesin auf mich zu und verwirrte mich mit "Saluton!" (Hallo!), was ich schon ewig nicht gehört hatte. In der Halle waren schon eine Menge Leute, redend und trinkend und ich wurde gleich willkommen geheißen und mit allenmöglichen chinesischen Esperantisten und einem koreanischen Maler bekannt gemacht. Bald danach gab's dann Essen (viel und lecker!) und der offizielle Kennenlernabend begann - ganz anders als bei Jugendtreffen stellte sich jeder selbst per Mikrofon vor, während des Banketts und der Vorstellung auf der Bühne. Ich kannte nicht einmal eine Person dort... bis ich eine ältere chinesische Frau sah, die mir bekannt vorkam, und auch sie erkannte mich wieder: es war Gong Xiaofeng (弓晓峰, Gōng Xiǎofēng), die ich vor etwa 4 Jahren während des
IS auf der Wewelsburg kennengelernt hatte!
Danach bekamen wir unsere Zimmer zugewiesen. Ich habe die billige Unterkunft gewählt: eine kleine Kaschemme auf der anderen Straßenseite, wo ich für 60 Yuan pro Nacht wohnen konnte. Es war ein wenig kompliziert: zuerst sollte ich in einem Zweibettzimmer wohnen, und wenn ich jemand fände, der auch mitwohnen möchte, hätte ich die Hälfte sparen können. Dann kamen zwei ungarische Brüder, die zusammen in einem Zimmer wohnen wollten, also gab man mir ein winziges Zimmerlein mit einem Bett und einem Fernseher, aber ohne Klo, Fernseher, Teppich oder sonst irgendetwas. Den folgenden Tag sollte ich umziehen, weil sie an diesem Tag kein besseres freies Zimmer hatten. Das was okay für mich. Dann traf ich einen chinesischen Esperantisten, der sein Zimmer allein bewohnte, aber da seine Uni (er war Doktor für Philosophie) für ihn bezahlte, konnte ich dort kostenlos wohnen. Cool! Aber des Nachts wurde es dann weniger cool, als er lauthals zu schnarchen anfing und ich nicht mehr schlafen konnte. Also habe ich mich wieder leise in mein kleines Zimmerlein begeben, es war ja nur für eine Nacht. Am nächsten Tag kam ich dann endlich in ein relativ (meine Ansprüche sind sehr gering!) komfortables, befenstertes Zimmer mit Klo (ein typisch chinesisches allerdings). Obwohl sie gerade das Haus direkt neben meinem Fenster abrissen, bei Tag und bei Nacht, konnte ich ruhig schlafen.
Dienstag, der 19. April
Die Einführungsveranstaltung begann um 8:30, Anne Jausions aus Frankreich stellte die organisierende Organisation (OSIEK) vor, die Bücher, die später für die Prämie zur Wahl standen und einige andere Dinge. Danach referierte Dennis Keefe aus den USA über ein Projekt auf der Insel Hainan (海南岛, Hǎinán-dǎo), wo man sich während eines kompletten Monats esperantosprachliche Vorlesungen und viele Kurse anhören konnte. Es war praktisch eine "Esperanto-Universität" mit Grundkursen über viele übliche Studienfächer (Einführungen über Psychiologie, Astronomie usw.), sehr interessant! Danach stellte der chinesische Vorsitzende der provinziellen Esperanto-Gruppe, Trigo, Wuhan vor. Nach dem Mittagessen ging es in den wunderschönen Ziyang-Park (紫阳公园, Zǐyáng-gōngyuán) um sich eine Vorstellung über antike chinesische Musikinstrumente, vor allem die Guqin (古琴, gǔqín), eine chinesische Zither, anzuhören und -zusehen, gefolgt von einem Konzert und einer Teezeremonie. Ich habe danach die Chefin über die chinesischen Inschriften im Hintergrund befragt: es scheint, als benutzte man im alten China
spezielle Zeichen um genau anzuzeigen, wie man die Guqin spielt. Irgendwann muss ich mal im Internet nach einer genaueren Beschreibung dieser "Noten" suchen. Danach gingen wir zu einem Platz, wo vor genau 100 Jahren der erste Schuss der Revolution fiel, die den Kaiserstaat stürzte und in der Gründung der Republik China resultierte. Auf diesem Platz steht nun eine Statue des berühmten Gründers der ersten chinesischen Republik:
Sun Yat-sen (孙中山, Sūn Zhōngshān). Setzte man sich für ein Foto oder zum Ausruhen vor die Statue, kam gleich ein Polizist an und erklärte, dass sich dass nicht ziemt. Interessante Sache, das. Später durchquerten wir eine bekannte Marktstraße und kamen am Ufer des
Changjiangs (长江, Chángjiāng) an, der besser unter seinem westlichen Namen Yangtze Kiang bekannt ist. Ein großer Fluss mit mehreren Brücken drauf.
Mittwoch, der 20. April
An jenem Tage hörten wir uns früh eine Vorlesung über das Daodejing (道德经, Dàodéjīng) an, ein großes philosophisches Werk; es ging auch um dessen Esperanto-Übersetzung und den Unterschied zwischen Weisheit und Philosophie. Es folgte eine Vorlesung über die Weisheit in der chinesischen Sprache, gezeigt durch speziell geformte chinesische Gedichte. Das fand ich sehr interessant. Nach dem Mittagessen gab es wieder zwei Vorlesungen über das Daodejing, eine davon verglich das Konzept des Dao (道, dào) - den "Weg" oder die "Methode" - in besagtem Werk mit dem aus einem anderen klassischen Werk, dem Yijing bzw. I-Ching (易经, Yìjīng). Der Referent ("Abengo" aus Taiwan) zeigte uns danach auch, wie man mithilfe des Yijings die Zukunft vorhersagen kann. Das letzte Referat war dann von einem Franzosen, der über sein Leben in China berichtete (er hat eine Chinesin geheiratet, mit der er immer Esperanto spricht).
Am Abend bin ich alleine durch die Stadt gelaufen und habe in einem schmackhaften ausländischen Nobelrestaurant gespiesen: 麦当劳 (Màidāngláo), zu gut Deutsch: McDonald's.
Donnerstag, der 21. April
Eigentlich war der Plan, am ganztägigen Exkurs durch die Parks und Plätze in Wuhan teilzunehmen, der 7:30 losging, aber ach... ich habe verschlafen! Also kam ich dann ungefähr zur Mittagszeit im Mühlbergpark (磨山花园, Móshān-huāyuán) mit dem Taxi an. Da warteten schon die anderen auf mich und wir begannen mit dem Mittagessen auf einem Restaurant auf einer Brücke über dem Wasser der vielen Seen in Wuhan (was für eine lange Kette von Attributen!). Es gab reichlich tolle Sachen, ich hab wahrscheinlich auch zugenommen während der Woche. Nachdem wir den Park durchquert hatten, sind wir noch durch andere Teile der Stadt gegangen. Ich habe währenddessen viel mit einer
Französin geredet, die schon lange mit ihrem deutschen Mann in Saarbücken wohnte. Sie arbeitete als Psychotherapeutin und beschäftigte sich vor allem mit den weniger üblichen Methoden, inkl. Hypnose. Eine sehr interessante Frau! Da es schon dunkel wurde, nahmen wir einen Kleinbus (oder wie man auf Chinesisch zu sagen pflegt: "Brötchenwagen") heim in unsere Hotels. An diesem Abend frug mich Anne, die Mitorganisatorin des IEK und OSIEK-Mitglied, ob ich nicht über die Konferenz in der Gazeto schreiben wollen würde, da man gerne neue Teilnehmer das machen ließe.
Am Abend bin ich dann alleine raus auf Futtersuche gegangen, da sprachen mich dann zwei chinesische Mädels an. Aber nicht mit dem üblichen Text, mich als Freund haben, Fotos mit mir machen oder über meine Herkunft bescheid wissen wollen, nein. Sie schienen nicht übermäßig arm, aber frugen mich, ob ich ihnen vielleicht Geld geben könnte, da sie angeblich nichts zum Essen hätten und zum Bahnhof müssten, usw. Ich war skeptisch und wollte ihnen kein Geld geben. Ich habe ihnen gesagt, dass ich sowas nicht mache, aber weil ich ja auch nichts gegessen habe, habe ich vorgeschlagen, sie zum Essen einzuladen, wenn es nicht zu teuer wird. Da haben sie zugestimmt und wir sind losgezogen, ein Restaurant oder eine Imbissstube zu finden. Leider waren dort keine und wenn doch, waren sie schon zu. Nach längerer Zeit fanden wir dann eine Bäckerei und ich habe die Brötchen/Kekse bezahlt, die sie sich gekauft haben (eine größere Menge komischerweise...). Danach haben sie sich artig bedankt und sind ziemlich schnell den Bahnhof suchen gegangen. Sehr seltsame Geschichte... aber jetzt kommt's: Ich bin weiter spazierengegangen, vielleicht für eine Stunde und an einem völlig anderen Ort traf ich sie wieder! Ich frug also, ob sie den Bahnhof gefunden hätten (längst annehmend, dass sie gelogen hatten) und sie meinten "Noch nicht." Dann haben sie nach mehr Essen gefragt, weil diese ungefähr 12 Brötchen/Kekse sie immer noch nicht sattgekriegt hätten. Ich habe gleich negiert und dann sind sie gegangen. Ich habe mich sehr gewundert, was diese Aktion für einen Sinn hatte. Ich habe sehr auf mein Portemonnaie und die Leute um mich geachtet, also haben sie mich vermutlich nicht versucht, abzulenken um mein Geld zu klauen, außerdem haben sie ja zugesagt, dass wir zusammen essen gehen. Was sie über den Bahnhof gesagt haben, konnte ich leider nicht gut verstehen (der Hubei-Dialekt war etwas schwierig für mich). Und was haben sie mit den Brötchen/Keksen gemacht? Sie andernorts verkauft? Kann ich mir kaum vorstellen... naja, haben mich nur 5 Yuan gekostet, also keine große Sache, trotzdem sehr eigenartig.
Donnerstag, der 22. April
Am Donnerstag haben wir uns eine Vorlesung über Gedichte aus der Song-Dynastie (sog. 宋词, sòngcí) und deren Esperanto-Übersetzungen in ähnlicher Form, die nun auf Esperanto "ĉinesko" genannt wird. Danach folgte ein Vorlesung über "Konfuzianismen" im Esperanto und die dritte an jenem Tag war die des chinesischen esperantosprechenden Mönchs
Miaohui (妙慧, Miàohuì) über Buddhismus, was nicht nur eine Religion, sondern vielmehr eine Philosophie und Kultur mit dem Menschen als Zentrum darstellt. Das war sehr interessant, aber dennoch
etwas lang. Er hat übrigens einen eigenen Blog auf
blogo.ebudhano.cn.
Danach nahm er uns mit in seinen Tempel in Wuhan, der sich in einem Park befand, mit vielen Hallen und Gebäuden und großen Buddhafiguren darin. Wir sind herumgegangen und haben uns alles angesehen, während er uns alles erklärt hat. Schließlich aßen wir vegetarische Gerichte im Tempelrestaurant. Ich esse ja sehr gerne Fleisch, aber das Essen dort war wirklich superlecker! Fast künstlerisch hergerichtet und viele Dinge schmeckten genau wie Fleisch, obwohl sie es nicht waren.
Es gab dann auch zwei Abendvorlesungen: eine über die chinesische Flöte Hulusi (葫芦丝, húlusī) und eine über Essstäbchen (筷子, kuàizi). Ist euch schon aufgefallen, dass diese für gewöhnlich oben eckig und unten rund sind? Das steht laut chinesischer Mythologie angeblich für den Himmel und die Erde, die rund, bzw. quadratisch sind... ich weiß leider nicht mehr die Verbindung zu den Stäbchen.
Samstag, der 23. April
Der letzte Tag der Konferenz. Man erzählte uns, wo und wann die nächste IEK stattfinden wird (im Juni 2012 in Svitavy, Tschech. Rep. mit dem Thema "Science-Fiction und Roboter"). Ich spiele mit dem Gedanken teilzunehmen und über das Klingonische ein Referat zu halten! Und es wurde der Ort für die darauffolgende Konferenz angegeben: Thaumiers, in der Mitte Frankreichs. Das Thema wurde per Abstimmung entschieden. Als Nichtmitglied habe ich das Auszählen übernehmen dürfen, das gewinnende Thema lautete "Esperanto-Musik". Auch über den OSIEK-Preis wurde abgestimmt. Es gewann das Buch "
Ĉe akvorando" (eine dreibändige Übersetzung eines berühmten chinesischen Romans), welches man danach für 60 € an Herrn Müller (den Ehemann der oben erwähnten französischen Psychotherapeutin) versteigerte. Auch "Trigo", der chinesische Hauptorganisator und Repräsentant des Esperanto-Verbands Hubei bekam ein schönes Gästebuch (oder etwas ähnliches). Nach dem gemeinsamen Mittagessen im benachbarten Hotel war der Kongress dann zuende, man machte Fotos, verabschiedete sich und tauschte ein letztes Mal Visitenkarten aus.
Mit Lian Pan (廉盼, Lián Pàn), einer 23-jährigen Anfängerin im Esperanto aus der Shanxi-Provinz (山西, Shānxī) bin ich dann noch durch Wuhan gelaufen, weil ich noch etwas Zeit vor meinem Flug hatte und noch ein paar Mitbringsel für Tik und Mhuey kaufen wollte.
Um 8 Uhr abends nahm ich dann die Maschine zurück nach Kunming.
Mein Eindruck von dem Treffen? Es war eine echt interessante Sache, wenn auch nicht so spaßig wie die Jugendtreffen. Aber ich habe viel mit den anderen Teilnehmern geredet, ungeachtet irgendwelcher Altersunterschiede, und ich fand's toll, mal wieder Esperanto zu sprechen. Ich habe viele neue Dinge über die "chinesische Weisheit" erfahren und fand die gemeinsamen Stadtbegängnisse schön. Apropos Stadt - ja, ich mochte Wuhan sehr. Es war sehr warm (25°C zu jener Zeit) und sonnig. Wuhan ist größer und sauberer im Vergleich zu Kunming und irgendwie wirkten die Menschen anders. Der örtliche Dialekt war schwierig für mich. Der größte Unterschied zwischen dem Standardmandarin und dem Hubei-Dialekt ist wohl die Vertauschung(?) von /l/ und /n/ (habe nicht ganz herausgefunden, wann man was sagt); das haben die Leute sogar im Esperanto gemacht. Ich habe viel gehört, dass die Leute da den Akkusativ nicht benutzt haben und den Artikel la als *na aussprachen. Nach meiner Ankunft hab ich mich deswegen echt gewundert, ob die chinesischen Esperantisten etwa alle diesen furchtbare neologistische Präposition na verwenden würden!
Ich habe auch einige Bücher während des Kongresses gekauft bzw. bekommen: 唐诗选译 - Poemoj de Tang-dinastio ("Gedichte aus der Tang-Dynastie") von Hu Guozhu, Shi Chengtai und anderen sowie 戒杀护生故事集 - Amo al la vivoj ("Liebe den Leben") von Miaohui.
Es war also insgesamt eine tolle Idee, nach Wuhan zu diesem Treffen zu gehen.
Schaut euch unbedingt auch die Fotos in meiner Sammlung bei Flickr an:
http://www.flickr.com/photos/vortarulo/sets/72157626465495087/