TITEL Manchmal
FANDOM Twilight
KAPITEL 1/?
CHARAS Leah, Jasper; Seth, Jake, Nessie
PAIRING Leah x Jasper
GENRE Humor, Romanze
RATING P-12
SUMMARY Ein Jahr nach Nessies Geburt trennt Alice sich von Jasper und ausgerechnet Leah nimmt sich vor, ihm darüber hinweg zu helfen
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MANCHMAL
…wollen Mädchen die Königin der Idioten sein
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»Ich dachte, das wäre bei denen gar nicht möglich«, sinnierte Embry und sah dabei aus der Wäsche, als wäre er ein seit jeher geplagter Denker, den man nach dem Sinn des Lebens gefragt hat.
»›Sie‹, nicht ›die‹«, korrigierte Seth prompt, selbsternannter bester Freund aller Blutsauger, der er war. Trotzdem weigerte er sich strikt, in einen Trog voller Blutegel zu steigen, um mir den Tag zu versüssen. »Sie haben Namen. Sie sind unsere Freunde.«
»Da kannst du nur für dich sprechen - «, setzte ich an, wurde jedoch von einem aufgekratzten Kleinkind unterbrochen.
»Foinde!«, jauchzte Claire entzückt, patschte Quil die Kinderhand auf die Nase und liess sich auf den Pampers verpackten Hintern plumpsen. Quil strahlte stolz wie ein Vater/grosser Bruder/In-15-Jahren-lassen-wir-es-in-Las-Vegas-krachen und boxte mir wegen meinem genervten Murmeln in die Schulter, ohne dabei den Blick von seinem Wonneproppen zu nehmen. »Foinde!«
Das gruselige Monster von Loch Ness berührte Jake an der Stirn und dieser erklärte uns: »Sie findet es traurig und wünscht sich, sie könnte etwas dagegen unternehmen.«
Ein weiterer Tag im absurden Leben der Leah Clearwater - Gratuliere zur ewig währenden Freakshow! In Gedanken schlug ich meinen Kopf mehrmals fest gegen eine Wand und trauerte den guten alten Zeiten hinterher, in denen Monster noch abgeknallt/geköpft/gepflöckt wurden und man sich danach gegenseitig auf die Schulter geklopft hatte. Die Welt von den finsteren Kreaturen der Nacht gerettet, Invasion verhindert, Freibier für alle! Stattdessen hatte ich jetzt das hier. Zu viele Stunden täglich als haariges Unwesen unterwegs, umgeben von menschgewordenem Stein mit übersinnlichen Fähigkeiten und ausgesetzt den Schwärmereien für Windelträger.
Claire war inzwischen vier Jahre alt und brachte kaum ein Wort klar und deutlich raus; die meiste Zeit, weil sie alles in den Mund nahm, das sie mit den Fingern zu fassen bekam und es anderen (vorzugsweise mir, vielen Dank auch) dann speichelüberzogen auf die Füsse spuckte. Oder ins Gesicht, wenn man den Fehler machte, sie hochzuheben und nicht sofort kopfüber baumeln zu lassen. Quil fand das schlichtweg entzückend. Brech. Besonders liebreizend an ihr war ausserdem die Tatsache, dass sie Unfälle unglaublich witzig fand und sie deshalb nicht ohne Windeln frei gelassen wurde. Scheinbar war sie zu oft von Wölfen umgeben und hatte dabei ein paar der weniger manierlichen Eigenschaften übernommen.
Nessie war gestern erst ein Jahr alt geworden, sah aber bereits ein wenig älter aus als Claire und durfte nicht ohne Weiteres auf nicht eingeweihte Unschuldige losgelassen werden. Sie verstand zwar, dass sie ihre Beisserchen bei sich behalten musste, aber genau das war das eigentliche Problem. Sie verstand - viel zu viel. Sie war wie ein dressiertes Hündchen, das auf Kommando Sitz machte, sich mit einem Buch (Dantes Göttliche Komödie und die Bibel, was zur Hölle) in ein anderes Zimmer zurückzog, sich die Zähne putzte und das Spielzeug wegräumte. Normale Menschen mussten bei einer solch wohlerzogenen, stets ohne Zögern gehorchenden (scheinbar) Fünfjährigen doch zwangsläufig an häuslichen Psychoterror hinter verschlossenen Vorhängen denken; Kerkerarrest ohne Nahrung als Strafe, etc. Ausserdem, wenn Nessie mal den Mund aufmachte, statt mit ihrer Fähigkeit zu kommunizieren, war es, als sprach man mit einer erwachsenen Frau. Noch dazu einer, die der ernsten, konzentrierten Miene nach gerade angestrengt darüber nachdachte, wie sie zwei steinalte Vampire wieder miteinander vereinen konnte.
Jake und das Vampirliebchen waren der Meinung, dass Nessie menschliche Spielkameraden nur gut taten, weshalb sie diese Tage oft im Reservat war, um mit Claire zu…was auch immer. Nessie pflanzte Claire Bildergeschichten in den Kopf, und Claire spuckte Nessie angelutschte Steine ins Gesicht. Natürlich wurden die zwei während ihren Spielstunden strengstens bewacht, damit sie ja keinen Kratzer abbekamen oder gar gefressen wurden. Keine Ahnung, warum ich nicht längst meine Sachen gepackt und diesem Irrsinn den Rücken gekehrt hatte. Statt Blutsauger zu bekämpfen, war ich jetzt quasi mit dem Pack verwandt - hast du toll gemacht, Mom - und musste den Babysitter für deren Brut spielen. Barbie fand das genauso witzig wie ich und stritt sich deswegen dauernd mit dem Gedankenleser, der wiederum nicht zugeben konnte, dass er uns Werwölfe ebenfalls für zu gefährlich als Babysitter hielt, weil er gleich depressiv wurde, wenn sein Vampirliebchen ihn mal ein bisschen anschnauzte. Der blasse Hulk wartete insgeheim wahrscheinlich auf einen eskalierenden Streit, bloss um sich unter Kriegsgebrüll das Shirt vom Körper zu reissen und uns mit seinem ach so beeindruckenden Bizeps in Staunen zu versetzen, während der Doktor und Egel-Mommy ihr bestes gaben, es allen Recht zu machen und uns in Schach zu halten.
Ach, und die Elfe und Narbenjunge waren damit beschäftigt, sich zu trennen. Das Thema in der heutigen Klatsch und Tratsch Runde bestehend aus meinem kleinen Bruder, zwei Kerlen mit Herzchenaugen und ihren minderjährigen Goldstücken, einem wenn-Seth-vor-mir-eine-abkriegt-geb-ich-mir-die-Kugel zu Tode betrübten Embry - und mir.
Noch einmal: Können wir bitte die Zeit zurückdrehen?
»Was genau ist überhaupt passiert?«, fragte ich und konnte die Neugierde kaum verbergen. Hey, je mehr Details ich kannte, desto mehr Salz konnte ich in die steinernen Wunden streuen! Wenn ich eines beherrschte, dann das. Und ja, es bereitete mir einen gewissen Spass, na und? Den Cullens hatte ich es immerhin zu verdanken, dass mein Körper eine zweite, äusserst haarige Gestalt besass, meine vermeintlich grosse Liebe sich nach der Verwandlung prompt auf meine Cousine geprägt und ich mich dem Schutz jener verschrieben hatte, die eigentlich meine natürlichen Todfeinde hätten sein sollen. Plus, wie gesagt, das Babysitting; bitter vor allem, weil sogar Blutsauger die Möglichkeit hatten, sich fortzupflanzen, während ich nicht einmal mehr einen Monatszyklus hatte.
Die alte Leier.
»Du bist öfter dort als ich«, erwiderte Quil. »Hast du es mit deinem Frauending nicht schon vor uns kapiert?«
Ich rollte mit den Augen. »Hast du gehört, Claire? Frauending. Noch kannst du deine Windeln und dein Nachtlicht packen, und über alle Berge flüchten.«
»Windel!«
Eine Leuchte war das Mädchen nicht.
»Ich glaube«, sagte Seth, »sie hatten insgeheim schon länger ein paar ernste Probleme. Nach Aussen hin haben sie sich nichts anmerken lassen, aber Jasper muss mit seiner Fähigkeit gespürt haben, dass Alice nicht mehr wirklich glücklich ist.«
»Also ist es die Elfe, die nicht mehr will?«
»Irgendwie ist das tragisch«, seufzte Embry betrübt. Anscheinend litt er an meiner Stelle an PMS. Zur nächsten Spielstunde würde ich wahrscheinlich Taschentücher und Schokolade mitbringen müssen. »Sie sind seit Jahrzehnten ein Paar.«
»Aber was genau ist los?«, drängte ich und merkte in der nächsten Sekunde entsetzt, dass das Loch Ness Monster die Hände nach mir ausstreckte. Ich kämpfte meinen ersten Impuls nieder - dem kleinen Biest eine runterhauen - und sprang im Aufstehen einen guten Meter zurück. »Black, sag deinem Bilderpflanzer, er soll das lassen!«
Jake hielt Nessie zurück und unterliess es, mich anzubrüllen; ich hatte das Mädchen schon weitaus Schlimmeres genannt und war dem Ding zudem aus mir unerklärlichen Gründen ans Herz gewachsen. Tatsächlich nahm Nessie mich sogar manchmal in Schutz, wenn Barbie mal wieder eine Salve Hundewitze aus den Weiten des Internets zitierte. Ging es noch absurder? Dabei wusste Nessie ganz genau, dass ich nachts davon träumte, sie mit Weihwasser zu besprenkeln und dann anzuzünden.
»Erzähl es einfach mir, Ness«, sagte Jake. Nessie berührte kurz seine Wange. »Nein, Leah ist nicht sauer auf dich. Du kennst sie doch. Die macht immer so ein Gesicht.«
Die. Dieses Mal korrigierte Seth nicht. HahaHA.
»Lee-Kuh! Lee-Kuh, Doof-Kuh!«, krähte Claire begeistert, und Quil duckte sich geschickt unter meiner Hand weg. Er hätte dem Mädchen wenigstens gleich ein paar richtige Flüche beibringen können. Mädchen, die an Büsche pinkelten, um sie zu markieren, waren der »blöde Kuh« Phase definitiv entwachsen.
Nessies Bildershow dauerte fünf Minuten, während derer ich Quil unter Claires Jubelrufen quer über den Strand jagte. Ich war auch in menschlicher Gestalt ein gutes Stück schneller als er, aber um Claire ein Trauma mit promiskuitiver, drogenlastiger Jugend als Folge zu ersparen, beliess ich es dabei, ihn nicht einzufangen und ein, zwei Rippen aus seinem Körper zu reissen. Die paar wenigen Fetzen blassblauer Himmel zwischen den dicken Wolken stimmten mich milde.
»Es gibt einen anderen Vampir«, erklärte Jake schliesslich. »Alice hat sich in Visionen an seiner Seite gesehen und hat dabei unbewusst Gefühle entwickelt. Jasper hat scheinbar schon vor ihr begriffen, dass sie früher oder später gar nicht anders kann, als diesen Vampir zu suchen. Kein Vegetarier. Sie wird abhauen, ehe der Vampir sie findet und hier unser Gesetz bricht.«
»Bitter«, meinte Seth. »Jasper hat so lange gegen seinen Durst angekämpft, und jetzt wird er für einen Mann verlassen, der das nicht einmal versucht.«
Jake stützte sich bis über beide Ohren grinsend nach hinten auf seine Ellbogen und genoss seine nächsten Worte sichtlich. »Wer hat etwas von einem Mann gesagt?«
Okay, das war einfach zu gut. In meinem Kopf überschlugen sich die vielen Möglichkeiten, Narbenjunge damit in den Wahnsinn zu treiben. Es würde ihm allein schon den Rest geben, meine diebische Schadenfreude spüren zu müssen. Wenn es überhaupt so etwas wie einen guten Grund gab, freiwillig Forks’ Haus des blutigen Verderbens aufzusuchen, hatte ich ihn hiermit gefunden.
»Nein!«, stöhnte Seth auf und sah mich anklagend an. »Leah, nein. Ich verbiete es dir!«
Ich lachte bloss höhnisch auf. »Du willst mir etwas verbieten? Träum weiter.«
»Du warst für dein Leben Miststück genug«, sagte Embry. »Du hast schon uns die Hölle auf Erden bereitet, das reicht. Lass die beiden einfach in Ruhe.«
»Sind sie offiziell getrennt?«, fragte Quil rasch und würgte damit meine Antwort ab.
»Wenn inzwischen sogar schon Nessie bescheid weiss, hat Alice ihre Entscheidung wohl getroffen.«
Mit Blick auf Nessie und Claire fingen Jake und Quil an, Narbenjunge zu bemitleiden, bis mir davon übel wurde. Klar, sie waren eine Ewigkeit zusammen gewesen und Trennungen taten weh - aber sie kamen nun mal vor. Ich war da schliesslich auch durchgegangen und hatte es überlebt; mit der Zeit hatte ich es sogar genug überwunden, um ihm hässlichsten Kleid aller Zeiten als Brautjunger neben dem Altar zu stehen und das frischvermählte Ehepaar Uley zu beglückwünschen. Auf mich hatte man auch keine Rücksicht genommen - und damit waren meine eigenen Leute gemeint, nicht meine Todfeinde. Narbenjunge war alt genug, um sich wegen ein paar Sticheleien nicht gleich die Augen schwarz mit Kajal zu umranden und die Nacht hindurch zu Songs von The Academy Is… düstere Gedichte zu schreiben. Also ehrlich.
»Kommt mal wieder runter«, sagte ich also genervt. »Das ist noch lange kein Weltuntergang. Wenigstens ist die Elfe nicht mit dem blassen Hulk oder dem Doktor durchgebrannt. Narbenjunge hat die Ewigkeit auf seiner Seite. Der wird schon eine andere finden, und dann können die Blutsauger wieder auf heile, perfekte Familie machen.«
»Er wird nie mehr der Selbe sein«, murmelte Quil betrübt, als hätte ich nichts gesagt.
»Alice ist die Liebe seines Lebens«, stimmte Jake ihm zu. »Vielleicht wird er ohne sie nicht einmal bei der Familie bleiben. Sie war überhaupt erst der Grund, weshalb er sich dem Lebensstil der Cullens angepasst hat. Wenn sie geht, könnte Jasper gefährlich werden. Mit Sicherheit ist er nun extrem labil.«
»Er könnte zu den Volturi gehen«, überlegte Embry. »Der andere, Edward, wollte sich doch von denen vernichten lassen, als er dachte, Bella wäre tot.«
»Möglich«, sagte Jake. »Unter Umständen wäre es das Beste für alle.«
Moment mal. Wurde unsere kleine Welt des Übernatürlichen gerade noch verquerer und durchgeknallter, als sie ohnehin schon war? Männer träumten von rosafarbenen Happy Ends und hielten es für unmöglich, ohne Freundin weiterzuleben? Statt sich nach einer Trennung erst mal mit Freunden die Kante zu geben - oder sich von mir aus mit Blut zu zudröhnen -, rumheulen und jammern?
»Ihr seid völlig übergeschnappt!«, stiess ich ungläubig aus und sprang dabei so heftig auf meine Füsse, dass ich eine halbe Tonne Sand aufwirbelte. Auf diese Weise war es wenigstens nicht mehr so leicht, mich versehentlich zu übersehen und überhören. Auch wenn die Hälfte des verdammten Sands direkt in meinem Mund gelandet war. »Warum schmeisst ihr nicht gleich eine Abschiedsparty für Narbenjunge, guckt euch Titanic an und diskutiert dann darüber, wie Rose es wagen konnte, ohne Jack ein glückliches Leben zu führen?«
»Hä?«, machte Seth.
»Narbenjunge ist…ist…nicht ganz so schlimm wie die Beulenpest«, erklärte ich und sah selber ein, dass ich alles andere als davon überzeugt klang. Nicht, dass ich jemals persönlich unter der Beulenpest gelitten hätte, aber nichts konnte so schlimm sein wie ein Blutsauger. Das war einfach eine Tatsache. »Ich meine aus der Sicht eines Vampiren, versteht sich. Seine Narben kann er mit Make-up verdecken, schätze ich, und seine gruselige Menschenfresserausstrahlung kaschiert er einfach damit, indem er seine Gabe benutzt. Da draussen gibt es sicher eine tote Braut, die genug Minderwertigkeitskomplexe und kranke Phantasien hat, um sich auf ihn einzulassen.«
»Das ist nicht so einfach«, erwiderte Jake. »Vegetarische Vampire sind die Ausnahme. Alice traue ich es zu, dass sie andere dazu bringen kann, auf menschliches Blut zu verzichten, aber Jasper kann sich kaum selber in Schach halten. Überleg doch mal, wie gefährlich er ohne den Einfluss seiner Familie wäre. Auf dem Weg von Forks nach was-weiss-ich-wohin würde er eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Sams Rudel würde ihn nicht einfach so gehen lassen.«
»Die Volturi und die Freunde der Cullens hat er nicht angegriffen.«
»Weil wir nicht die geringste Chance gehabt hätten und Nessie dabei in Gefahr geraten wäre.« Jake fixierte mich mit ernstem Blick. »Würdest du Jasper einfach gehen und morden lassen? Wenn ich es dir nicht unmissverständlich als Alpha verbiete, würdest du es versuchen. Und dabei draufgehen.«
»Gegen einen einzelnen Blutsauger würde ich gewinnen!«, schnappte ich verärgert. Was gelogen war. Ein Kampf gegen Barbie, Egel-Mommy oder den Doktor? Die Machtverhältnisse wären in etwa ausgewogen gewesen. Narbenjunge war eine komplett andere Liga, auch wenn ich das vor anderen niemals zugegeben hätte. Dieser Kerl hatte gegen ganze Armeen gekämpft, und das für ganze Jahrzehnte. Seine Erfahrung übertrumpfte meine Schnelligkeit definitiv. »Scheisse, ist doch auch egal. Niemand sagt, dass es so weit kommen muss. Narbenjunge sucht sich einfach eine Tussi, die dann unter der Lawine von fröhlicher Cullen-Liebe begraben wird. Die haben euch gezähmt, also werden sie ja wohl auch so einen mickrigen Vampir zähmen können.«
Das Rudel starrte mich bloss desinteressiert an. Und bedauernd. Als wäre ich es gewesen, die komplett verblendet war und die Realität für ein Cloud Nine im Märchenland für 13-jährige Mädchen verlassen hatte. Zuerst wollte ich weiterargumentieren. Sagen, dass es mir inzwischen besser ging, obwohl ich das vor einem Jahr für unmöglich gehalten hatte, und auch ein verdammter Blutsauger nicht dagegen immun war, gescheiterte Beziehungen mit der Zeit zu überwinden. Ich wäre wahrscheinlich schon viel eher über Sam hinweggekommen, hätte ich nicht so verbissen am Gedanken festgehalten, dass es da draussen nur einen Partner, nur eine wahre Liebe gab, so, wie es die Jungs gerade taten. Ich war meilenweit davon entfernt, wunschlos glücklich zu sein, aber obwohl mein Leben ein bescheuertes Durcheinander des Übernatürlichen war, befand ich mich definitiv auf dem Weg der Besserung. Dank dem neuen Rudel hatte ich endlich die Möglichkeit, die nötige Distanz zu Sam aufzubauen; Jake hatte genug Vertrauen in mich, um mich zum Beta zu ernennen; ich hatte zwar keinen Collegeabschluss, für den Moment aber eine Aufgabe, egal, wie sehr sie mir durch den Strich ging; meine Mutter hatte aufgehört, nachts zu weinen und war glücklich mit Charlie (blieb zu hoffen, dass das Dad, wo auch immer er war, nicht als Verrat unter Freunden betrachtete). Narbenjunges Leben war nicht vorbei. Und wenn doch, musste ich meinen neugewonnen Optimismus noch einmal überdenken - wir waren beide keine normalen Menschen, beide unsterblich (ich zumindest so lange, wie ich mich verwandelte) und beide nicht die ideale Partnerwahl; er einer von den Abstinenten, die einen winzigen Bruchteil der Vampirbevölkerung ausmachten, ich nicht dazu in der Lage, bei Bedarf eine Schar Wolfswelpen zu werfen und damit die nächste Generation zu sichern.
Es musste Hoffnung für Narbenjunge geben. Wenn es für ihn welche gab, standen die Chancen gut, dass sie auch für mich existierte. Es ging mir besser, aber noch nicht gut genug. Ich wollte und brauchte mehr. Und...eine gute Tat war immer gut fürs Karma…
Das war in etwa der Moment, in dem mein Verstand implodierte. Nur noch Matsch in meinem Kopf. Und darunter die dämlichste Idee aller Zeiten.
»Ich verkupple ihn«, platzte es aus mir heraus. Scheisse, verdammte. »Ich beweise euch, dass man im Leben mehr als nur eine Person lieben kann - ach halt die Klappe, Quil, du wurdest geprägt und bist damit eine Absurdität des Universums. Ich finde für Jasper eine Vampirfrau, oder von mir aus einen Vampirkerl, wenn er es der Elfe gleichtun und das Ufer wechseln will.«
Jake lachte los und hielt sich bald den Bauch. »Hast du eine Ahnung, wie töricht und bekloppt du dich anhörst?«
Hatte ich.
»Ich kann das. Es ist möglich.«
Wir alle, ausser Claire, sahen einander an und plötzlich leuchtete über unseren Köpfen ein und das selbe Wort auf: Wette.
Ich hätte mich auch gleich als Königin der Idioten krönen lassen können.
»Wir müssen eine zeitliche Begrenzung festlegen«, sagte Embry, sofort Feuer und Flamme für die Idee. Mit Wetten und Mutproben konnte man diese Jungs einfach immer ködern. Und mich sowieso, wie es aussah. »Was haltet ihr von einem Jahr?«
Quil nickte eifrig. »Hört sich gut an.«
»Das schaffst du nicht«, meinte Seth. »Nicht allein.«
»Heisst das, du willst mir helfen?« Ich war für einen Moment zu abgelenkt, so dass ich Nessies Hand zu spät auf mich zukommen sah. In meinem Kopf leuchtete eine verstörende Szene auf: Nessie, Seth und ich Hand in Hand über einen Tisch gebeugt, wo wir eine Schatzkarte studierten. Ich duckte mich von Nessie weg und bedachte sie mit einem strengen Blick, den sie mit grossen, hoffnungsvollen Augen erwiderte. Verdammt, jetzt kriegte das kleine Biest auch schon mich weich! »Nessie sagt, sie will in meinem Team sein. Ich schätze mal, sie könnte unter Umständen hilfreich sein.«
Jake grinste. »Und die Wetteinsätze?«
»Ich will dein Motorrad!«, rief Seth sofort aus und zerfloss beinahe vor lauter Begierde. »Und wenn wir auf Patrouille sind, habe ich das Kommando über Embry und Quil.«
»Und was kriege ich bitte?«, warf ich verärgert ein. Nessie fuchtelte mir mit einer Muschel vor dem Gesicht herum, und ich verdrehte genervt die Augen. »Und was kriegt Nessie?«
»Wenn ihr gewinnt…« Jake zögerte, grinste dann aber umso breiter. »Falls ihr gewinnt - und das werdet ihr nicht -, führen wir euch zu Ehren ein Musical auf. Eins mit Prinzessinnen und Einhörnern.«
Nessie kreischte begeistert, aber ich konnte nicht viel damit anfangen. »Ihr tut es in der Öffentlichkeit. Und zwar in Forks, damit es auch die Cullens sehen. Ausserdem werden wir es auf Video festhalten und es uns jedes Jahr zu Weihnachten wieder reinziehen. Und ihr befreit mich für mindestens drei Monaten von den nächtlichen Patrouillen.«
Embry beratschlagte sich über Blicke mit seinen Mitstreitern. »Einverstanden. Wenn wir gewinnen, übernehme ich den Posten als Beta und Quil rückt an dritte Stelle.«
»Zusätzlich«, fügte Jake hinzu, »müsst ihr Rachel bei euch einquartieren, wenn sie wieder in La Push ist und euch mit Paul abplagen. Und ihr richtet unsere Siegesfeier aus, mit dem ganzen Drumherum. Eine kleine Rede wäre nicht schlecht. Ihr habt ein Jahr Zeit.«
»Moment noch.« Quil nahm Claire einen Seestern aus der Hand, ehe sie ihn sich in den Mund schieben konnte. »Wir müssen das Ziel genauer definieren. Muss Jasper innerhalb dieses Jahres eine neue Beziehung führen, sich verlieben oder einfach nur weiterhin als Vegetarier bei seiner Familie leben und den Sonnenschein mimen?«
»Sich verlieben«, antwortete Seth ohne Zögern und schüttelte über meinen entgeisterten Gesichtausdruck nur den Kopf. Warum musste er es komplizierter machen, als es nötig war? Klar, ich hatte das mit dem Verkuppeln als erste vorgeschlagen, aber genau genommen war die letzte von Quils erwähnten Möglichkeiten bereits Herausforderung genug. »Wir schaffen das. Komm schon, es macht keinen Spass, wenn es zu einfach ist. Nessie ist der selben Meinung, nicht wahr?«
Wieder streckte Nessie die Hand nach mir aus und zeigte mir eine Szene. Narbenjunge mit der Elfe in den Armen - bloss dass ihr Kopf aus einem riesigen, roten Herz bestand. Dahinter tanzte Embry als Einhorn verkleidet, während Jake und Quil sich um eine Plastikkrone stritten, Seth zärtlich sein neues Motorrad tätschelte und ich von den Cullens bejubelt wurde. Okay?!
Ich seufzte ergeben. »Na dann, die Wette gilt.«