Hunger Games Tagebuch (16) - Snow is in da house

Jan 08, 2024 18:09





Wie passend… das Kapitel spielt auch im Winter, vielleicht sogar im Januar.

Auch ein Präsident hat Hunger

CN: Essstörungen

Nachdem Katniss ihre Besorgungen erledigt hat - Jagen, die Fallen ablaufen, das Wild auf dem Schwarzmarkt verkaufen, mit den Leuten und Friedenswächtern auf dem Hob sprechen, Einkaufen, Gales Familie versorgen und mit Hazelle sprechen, Gales Bruder Rory zur Jagd mitnehmen, wäre das nicht was? - besucht sie ihr altes Haus, in dem sie so viel heimischer fühlt als in dem neuen Haus der Sieger. Sie ist mittlerweile so weit mit Prims Katze per Du, dass sie das Tier sogar streichelt.

Außerdem weckt sie Hamitch, der in seinem Haus verlottert. Er hat einen Hausmeister und auch Hazelle kümmert sich gegen Bezahlung, aber sein Haus ist vollgemüllt, es stinkt so schlimm wie er selbst nach Abfällen, Kohl, Erbrochenem und Alkohol.

Hatmich, dem das Kapitel alles genommen hat, trauert wie ein Mensch aus der Antike. Er vernachlässigt sich körperlich und kümmert sich kein Stück um sein schickes, modernes Haus. Ich denke, das ist sein Stinkefinger an das Kapitol, wenn er dieses Symbol des Sieges und des Ruhms ablebt und beschmutzt.

Er ist alkoholabhängig, nur Cray, der oberste - und wie wir bald sehen werden - eher milde Friedenswächter trinkt mehr.

Dann geht Katniss in ihr Haus der Sieger. Ihre Mutter passt sie verängstigt ab.



Was mir beim erneutem Anhören der Szene auffiel, war die zweite Schicht des Wortes. Als Katniss zum Dorf der Sieger läuft, beginnt es zu schneien und der Schnee bleibt liegt. Das heißt Präsident Snow (Schnee) ist angekommen und hat sich breit gemacht.

Sie rechnet überhaupt nicht mit ihm, versteht aber die Warnungen ihrer Mutter.

Katniss kennt Snow von monumentalen Bildern, im realen Leben wirkt er auf sie klein, weißhaarig, abstoßend, mit Schlangenaugen und sehr vollen Lippen (aufgespritzt?). Er riecht nach Rosen, deren Duft künstlich verstärkt wurde und trotzdem nicht den Geruch nach Blut übertünchen können, den Katniss wahrnimmt. Snow blutet offenbar die ganz Zeit derart aus seinem Mund, dass sein Mundgeruch blutig ist.

Es ist verstörend, ihn hier im Zimmer inmitten alltäglicher Dinge zu sehen. S. 26

Er besitzt ihr Haus. Er hat es ihr gegeben und er bedient sich daran. So hat er die Tür zu diesem Zimmer verschlossen, das doch nie verschlossen ist. Er sitzt an dem Tisch, an dem Prim ihre Hausaufgaben macht und Katniss' Mutter ihre Haushaltsplanung.

Es kommt seine Rede, wie man sie aus dem Film kennt:

"Ich glaube, wie können die Situation sehr vereinfachen, wenn wir uns darauf einigen, einander nicht zu belügen." S. 27

Diese Szene wird später gespiegelt, als Katniss zu Peeta sagt:

"Aber jetzt haben wir das nicht mehr nötig, oder? Unaufrichtig zueinander zu sein."

Der Weg dorthin ist weitaus länger. Beide, Peeta und Katniss, hüten ihre Geheimnisse voreinander.

Doch zurück zu Snow. Er legt ihr alles dar:

  • Seneca Cranes Tod (der Spielemacher hätte Katniss einfach in die Luft sprengen sollen)
  • dass die Menschen aus dem Kapitol Katniss' und Peetas Liebe feiern
  • die Rebellion in den Distrikten, die Katniss' Akt der Liebe als Widerstand begreifen - und das ausgerechnet aus Distrikt 12 (Snow wertet den Distrikt extra ab)
  • die Strenge, die notwendig ist, um Panem zusammen zu halten
  • die schrecklichen Konsequenzen, die ein erneuter Aufstand nach sich zieht
  • und das Katniss, ihre Familie, inklusiver ihrer falschen Verwandten (Gale wird als ihr Cousin ausgegeben, damit er nicht als Rivale Peetas darsteht)

Katniss erwidert, dass das System sei ziemlich brüchig und Snow bestätigt das.

Es ist wackelig, aber nicht so wie du denkst. S. 30

Er erklärt:

"Kannst du ermessen, was das bedeuten würde? Wie viele Menschen sterben würden? Das Elend der Überlebenden?" S. 30

Snow kann es. Erstens ist er derjenige, der das Leid über die Menschen bringt, zweitens ist er selbst ein Überlebender der letzten Revolution.

Und dann passiert etwas, was ich als blanken Hohn empfinde.

Katniss Mutter - irgendwann gebe ich ihr noch einen Namen - bringt Tee und Kekse.

ein Tablett mit einem Teeservice aus Porzellan, das sie bei ihrer Heirat mit in den Saum genommen hat (…) eine Teekanne und Tassen, Sahne und Zucker und ein Teller mit Keksen. Sie sind wunderschön verziert mit pastellfarbenen Zuckerblumen. Das kann nur Peetas Werk sein.

Und Snow sagt:

"Was für ein willkommener Anblick! Wissen Sie, es ist merkwürdig, wie oft vergessen wird, dass auch Präsidenten essen müssen", sagt Präsident Snow ganz liebenswürdig.

Er ist ja nun wirklich der letzte in ganz Panem, der hungern muss.

Er hat gehungert, als Kind und als junger Mann. Da gab es ständig Kohl. (Ha, Haymitch isst ebenfalls Kohl!). Aber jetzt? Ihm steht jede noch so raffinierte Köstlichkeit zur Verfügung. Es gibt Gläser mit Getränken, die ein Brechmittel enthalten --- nein, kein Abführmittel, ein Mittel, das ein Erbrechen lässt. Wo dann die Magensäure deine Speiseröhre und den Mundrachenraum verätzt und deine Zähne angreift. Diese Leute quälen ihren Körper, um noch mehr essen zu können.

Als Katniss Mutter anbietet, "etwas Sättigenderes" zuzubereiten, erwidert Snow:

Nein, besser als dies hier könnte es gar nicht sein.

Als ob Kekse den Hunger stillen und wirklich nahrhaft wären. Aber ein Präsident begnügt sich mit Keksen, dargebracht von der Mutter eines Tributs und hergestellt von einem anderen Tribut, das der alleinige Sieger hätte sein sollen.

Das erinnert mich an den Spruch, der fälschlicherweise Marie Antoinette zugeschrieben wurde: Wenn sie kein Brot haben, dann lasst sie Kuchen essen.

Kekse genügen König Snow. Er, der im ärmsten Distrikt sitzt, mit Menschen, die tagein tagaus hungern. Und bedient von einer Frau, die ihren Patienten nicht helfen kann, weil es denen schlicht weg an ausreichend Nahrung fehlt, um zu gesunden.

Was für ein Arsch.

Wobei ich mich frage, ob Snow eine Essstörung hat. Ich habe ihn im Film nicht essen sehen, nur trinken, eine Szene, die in den Fokus gerückt wird, damit man sieht, das sein Mund blutet.

Vielleicht können die Speisen seinen Appetit nicht stillen, weil alles, was er zu sich nimmt, nach Blut schmeckt und ihn entsprechend an all seine Giftmorde erinnert. Nicht dass ihn die Morde belasten würde, aber das ist der Preis den er zahlt. Sich nicht schließende Wunden, die trotz der überkrassen Medizin des Kapitols nicht geheilt werden können.

Kein Wunder, dass seine liebste Methode, Menschen zu quälen, der Hunger ist. Arsch.

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