Staub von 1000 Jahren

Dec 25, 2009 16:13

Kommentar: Basiert irgendwie auf Das graue Haus.

Staub von 1000 Jahren



Staub, oder war es Asche?, klebte hartnäckig in den Rillen seiner Stiefelsohle und wurde mit dem einsetzenden Regen zu einer zähflüssigen Masse.

Er war schon Tage unterwegs. Tage und Stunden aus schwarzem Staub lagen auf ihm, er war in seine Kleider und Lungen gekrochen und des Nachts - nicht mehr als das Vergehen von Hellgrau in einen im Spektrum tiefer liegenden Ton - gab es selbst in seinem Geist keinen Ort, an dem er sonst je geschlafen hat. Nichts als weiche, nachgebende, stille Asche- Asche oder Staub, er konnte sich nicht entscheiden. Er hatte den Namen dieser Wüste vergessen. Die Leute am Rand dieses Gebietes hatten ihn gewarnt, dass das passieren würde.

Doch zurück zum unverhofften Regen, der den Staub verklebte und seine Konsistenz änderte, zu einer lebendigen Schlange verformte , dort wo die Tropfen als kleine Flüsse schwarze Dünen entlang schlichen. Sie kicherten über die Erstauntheit der Erde, die seit 1.000 Jahren keinen Regen mehr auf ihrer Haut gespürt hatte. Regen, Wasser, prasste auf sein Gesicht wie ein leises Tippen von Fingerspitzen. Eine Melodie in der Stille.

Zunächst war es nicht zu erahnen gewesen. Wer ahnte auch schone etwas, was seit 1000 Jahren nicht mehr vorgekommen war? Der Himmel war wie stets zu einer unbestimmten Zeit in einen dunkleren Farbton verflossen, doch die Dunkelheit hielt nicht inne. Es wurde dunkler und dunkler, als hätte sie zuvor nur in einer Meditationsübung den Atem flachgehalten und wäre nun erleichtert über das Ende dieser Qual.

Er sah zurück auf seine Füße. Der Regen hatte den flüssigen Sand auf seine Füße gespitzt und bei jedem Schritt schluchzte es unser seinen Füßen. Der Wanderer war schon überall auf der Welt gewesen, Wüsten und Dschungel, sonst hätte er sich sicher nicht in an diesen unwirtlichen, gefährlichen Ort gewagt. Sein Blick streift durch die Staubwelt, der es im zunehmenden Maße an den wenigen Licht und Farben mangelte. Es würde eine Sturzflut geben, sollte sich ein Wadi bilden und der Regen zunehmen; das wusste der Wanderer aus Erfahrung. Doch er ahnte die Ruinen, das Geheimnis, unter seinen Sohlen und wartete ab.

Er wartete in einer Welt, die all ihre Farben an die Dunkelheit verspielt hatte. Er wartete, als sich der Staub feucht an seine Hosenbeine klammerte und mit ihm stürzten, zum Schlaf locken wollten.

Ihn verließen die Kräfte. Worauf wartete er?
An einem Ort, wo es vielleicht nichts als pulvrige Vergangenheit gab, die seine Lungen vergifteten. Wer wusste schon, nach 1000 Jahren Trockenheit, ob der Regen nicht auch 1000 Jahre anhalten würde?

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Da war eine Welt unter dem Staub.
Kein Dorf, kein Land, kein Königreich. Eine Welt. Vom ersten Herzschlag im Mutterleib bis zur ersten menschlichen Berührung. Keine ganze Welt, doch genug.

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Die Misshandlung des Regens

Der Regen hatte ihn weggeschwemmt, den Wanderer. Und der Regen, dieser Schuft, hatte ihn dabei sanft ausgezogen (vielleicht auch grob und brutal die Kleider vom Leib gerissen. Wer konnte schon sagen, wie tief er schlief und was geschah, wenn er schlief?). Auf jeden Fall hatte der Regen ihn danach allein gelassen. Seine Haut brannte und der Hauch von restlichen Staub hatte sich in seinen Schürfwunden zur Ruhe gelegt. Er spürte noch die kalten Handabdrücke des Regens klamm auf seiner Haut und seinen salzigen Atem in seinem Mund, der doch überraschenderweise auch die Asche/das Gift aus seinen Lungen gewaschen hatte.

Er raffte sich auf und schloss gequält die Augen als der blaue Himmel gegen seine Pupillen schlug. Er kroch, über weiches Gras, das die frevelhafte Berührung des Regens im Kontrast noch deutlicher machte. Seine Hand, wo er noch den Staub unter seinen Fingernägeln spürte, fassten in eine Pfütze und als der Gestrandete seinen Blick über den Arm zu seinem Gliedmaß zog, sah er wie der Rest von Regen den grauen Film von seiner Hand wusch. In Tränenform.
Er fühlte die Träne zu seinem Mund und schmeckte Salz und den Staub und den Dreck. Und der Dreck schmeckte nach dem blendend blauen Himmel und der Welt voller Farben, in der er ganz unverhofft gelandet war.
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