30 Jahre

Oct 03, 2020 06:03

“Eine spezielle Ost-Erfahrung? Hm... Wenn man arbeitslos wird, geht davon die Welt nicht unter. Es passiert halt eben - und entweder man kriegt wieder einen Job oder nicht. Und selbst wenn nicht, dann muss man sich etwas anderes einfallen lassen, um sein Leben mit Inhalt zu füllen.
Im Osten ist Arbeitslosigkeit längst nicht die Schande und das persönliche Versagen, was es in Westdeutschland ist. Warum? Weil nach der Wende so gut wie alle plötzlich arbeitslos wurden. Kaum jemand, der seine alte Arbeit in irgendeiner Weise behalten hat.
Man wächst damit als eine Selbstverständlichkeit auf - es ist nicht wie in anderen Gegenden, wo es die großen westdeutschen Traditionsunternehmen noch mit ihren Standorten gibt, wo man sich snobistisch sagen kann “Oh, ja, wenn der seine Arbeit verliert, und keine neue kriegt, dann kann der ja nur ein Assi sein...”. Wenn dem so wäre, dann wären nach der Wende ca. 75% und mehr der gesamten Bevölkerung Ostdeutschlands solche Assis gewesen... Ein bisschen zu viel des Guten um realistisch zu sein, nicht? Außerdem äußerst respektlos.
Was man ihnen also als Ost-Deutscher daraus mit auf den Weg geben kann: Hören sie auf diese Erfahrungsberichte und lernen sie daraus. Durch die Globalisierung wird ihnen das früher oder später auch blühen. Einerseits, weil westdeutsche Unternehmen gern mit einer Technologie 1000 Jahre Geld verdienen wollen, aber zu dumm sind, zu bemerken, wenn der Fortschritt an ihnen vorüberzieht - die glauben, die Welt steht für 1000 Jahre in seiner Entwicklung still -, und zum anderen, im Rennen um den billigsten Erzeugerpreis kann man nicht gegen China gewinnen. Das wird einfach nicht erfolgreich sein. - Und dafür opfert man bereits jetzt die berühmt-berüchtigte “German quality” und die “deutsche Gründlichkeit”, nur um so billig und so schnell wie China oder Rumänien produzieren zu können. Wer in der Welt kauft dann noch deutsche Produkte zum etablierten Wucherpreis, wenn er dafür doch nur die selbe Qualität wie in China bekommt?
Also - gewöhnt euch schon mal dran!
Oder sucht euch einen neuen Lebensinhalt außer Geld, Kaufen, Urlaubsreisen und “Mein Haus, mein Boot, mein Pferd”. Der Ruhrpott ist bereits euer erster hauseigener Zeuge, wohin die Reise geht. Und selbst danach dreht sich die Welt weiter, ohne dass es jemanden interessiert wie es euch damit geht, ob ihr verarmt oder eure Stadt vor die Hunde geht.”

deutsch, menschen, life, poverty, west vs. east, society, history, networks, psychology, global, politik, devil in disguise, economy

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