Nov 15, 2008 12:16
Jeder glaubt sich in Sicherheit, wenn er möglichst dicht bei der Herde bleibt, er bleibt jedoch völlig allein und hat ein tiefes Gefühl der Unsicherheit, Angst und Schuld, wie es immer dann entsteht, wenn der Mensch sein Getrenntsein nicht zu überwinden vermag.
Unsere Zivilisation verfügt über viele Betäubungsmittel, die den Leuten helfen, sich ihres Alleinseins nicht bewußt zu werden. Strenge Routine der bürokratischen, mechanischen Arbeit, die verhindern hilft, daß sich Menschen ihres tiefsten Bedürfnisses des Verlangens nach Transzendenz und Einheit, bewußt werden. Da die Arbeitsroutine hierzu nicht ausreicht, überwindet der Mensch seine unbewußte Verzweiflung durch Routine des Vergnügens, durch den passiven Konsum von Tönen, Bildern; ausserdem durch die Befriedigung, ständig neue Dinge zu kaufen und diese bald wieder gegen andere auszuwechseln. Der moderne Mensch ist gut genährt, gut gekleidet, sexuell befriedigt aber ohne Selbst und steht in einem höchst oberflächlichen Kontakt mit seinen Mitmenschen.
... Die Welt ist nur noch da zur Befriedigung unseren Appetits, sie ist ein riesiger Apfel, eine riesige Flasche, eine Brust und wir sind die Säuglinge, die ewig auf etwas hoffen und ewig enttäuscht werden.
(aus Erich Fromm, "Die Liebe und ihr Verfall in der heutigen westlichen Gesellschaft")
чтиво