Eine Reise in den Osten

Nov 02, 2006 22:58

Ich war also Montagnacht gefühlsmäßig gerade eingeschlafen, als die Tür aufging und mein Vater meinte: "Aufstehen! Is gleich 5:30!". Somit war mir nach 4 Stunden Schlaf die Nachtruhe versagt.
Meine Mutter hat mich total aufgeregt, weil sie so nervös war, aber es nicht gezeigt hatte. Sie hat mich vollgelabert, ich solle doch noch etwas zu Trinken im Rucksack mitnehmen, lieber die volle Deo-Dose nehmen, dies und das lieber da rein packen bla bla bla... Die Höhe war dann, als mein Vater vom Zeitungholen kam und zu ihr meinte: "Tja, er is halt nervös". So. Das war dann Punkt, wo ich den beiden ganz leicht Feuer unterm Arsch gemacht hab. Meine Ausage war: "Ach soo! Ich hab alles fertig gepackt, möchte mich fertig machen und die labert mich hier um kurz vor 6 voll und rennt hektisch inna Bude rum? Ach so. Naja wie auch immer, ich muss ja viiiel ruhiger werden, weil ich gerade so nervös bin §$"€*<| !!!"
Los ging es also im Auto nach Aligse, Um Kristin mit K abzuholen, welche gefragt hatte, ob wir sie mitnehmen könnten.
Es folgte dann die Zugfahrt (ca. 3 Stunden) nach Leiptsch, äh, Entschuldigung, Leipzig, in der wir schon aktiv Sächsisch geübt und über die Gegend ab hinter Helmstedt philosophiert haben.
In Leipzig am Hauptbahnhof dann die erste Berührung mit einheimischen. Bei Pizzahut. Ich mein: "Ein Stück Salamipizza bitte". Sie: "Eins neunsibtzsch". Ich: "Bitte?" Sie: "Eins neunsibtzsch." Ich: "Ähm, noch einmal bitte." "Eins neun-ünd-sipzisch". Ich (erleuchtet): "Ach sooo!"
Wir setzten dann die Zugfahrt (ca. 1,5 Stunden) nach Dresden fort. Ich saß mit den Uetzern, René usw. oben und nach ca. ner halben Stunde Fahrt wurde ich absolut aggressiv, weil sich mir beim Blick aus dem Fenster eine Komposition aus Feldern, Schrebergärten, alten (optional kaputten) Häusern, weiteren Plattenbauten, alten Industrieanlagen und vereinzelten Häusern bot. Die, für mich sehr merkwürdig klingenden, Ortsnamen wie Oschatz, Riesa, Gorbitz und was ich taten den Rest dazu, mich komplett ausflippen zu lassen. Ich hatte schon nen riesen Hals und wollte nur raus aus dem Osten.
Der Hammer kam dann in Dresden. Plattenbau an Plattenbau, graue Farben... Als wir dann an unserem Jugendgästehaus ankamen, waren wir erstmal in andächtiger Ruhe verfallen. Naja, nicht alle, meine Kollegen und ich haben unsere Sprüche gemacht (Sarkasmus ist wichtig, wenn man solche Erlebnisse verarbeiten möchte).
Kurze Zeit später konnten wir die Zimmer beziehen. Diese waren allerdings wirklich ok. Sauber, neuere Möbel, WC und Dusche direkt für unser Zimmer... Also für ne Jugendherberge wirklich ok.

An diesem Tag hatten wir dann komplett Freizeit. Wir haben uns eingerichtet, uns im Haus umgesehen und sind in die Altstadt gegangen (da waren wir ja auch), welche doch sehr schön ist. Das einzige, was auf die Ex-DDR schließen ließ, waren die Plattenbauten (eins davon oben mit der Aufschrift: "Dresden grüßt seine Gäste"), die teils alten Straßenbahnen (sahen sehr interessant aus) und... Die Leute! "Noooo, da habsch doch neulisch.."..."No gemmo doch moa die Straße rundo"..."
Vorm McDonalds in der Wilsdruffer Straße (?) haben wir uns aufgeteilt. René, Nico, Markus und ich sind mal durch die Läden gegangen und später zum besagten McDonalds. Ich nahm nur nen normalen Hamburger, weil ich dachte, wir würden noch etwas essen oder so... Schließlich gingen wir zurück. Dort angekommen wurde klar, dass also für den Abend nichts mehr in Sachen Essen anstand, worauf ich - hatte ja Zeit - nochmal die fast 2km zum McDonalds zurück ging. Mein Maximenü war, wie soll ich sagen, nichts für Feinschmecker. Auch die Bedienung war ein wenig komisch (vielleicht verstand sie ja kein Hochdeutsch). Zurück in der Unterkunft schloss ich mich später Wladimir, Irmer, Natalie und Katharina an, welche... Trommelwirbel... Zu McDonalds wollten O_o. Naja, es war 23:00, ich hatte Langeweile und war verzweifelt, also kam ich mit. Der Abend mit denen war sehr lustig, wir haben viel gelacht und später im Raucherraum ein Spiel gespielt, was "Wahl, Wahrheit oder Pflicht" ähnelte. Man musste etwas beschreiben, eine auf der Karte stehende Frage beantworten (z.B. "Erkläre, warum du so oft unter Blähungen leidest). Die Frage im Beispiel traf u.a. mich. Meine Antwort war irgendwie wie: "Jaa... Wenn ich an Irmer denke und langsam g..l werde, dann........". Ab diesem Moment war ich für den Rest der Zeit der "Perversling", was uns Anlass für viele Klopfer und Gelächter gab.
Um ca. 2:00 war ich im Bett...

...Allerdings war um 7:00 die Nacht schonwieder vorbei. Also raus, duschen, frieren, anziehen, Frühstücken. Das Frühstück bestand aus trockenen Brötchen mit Aufstrich, Wurst, Käste etc.
Im Anschluss unternahmen wir eine Stadtführung, welche ein wenig öde war, aber dafür war der Rest recht lustig. Danach sind wir nämlich durch die "Fressmeile" gegangen, worauf wir mal wieder bei McDonalds gelandet sind - mittlerweile mein 4. Mal in diesen 2 Tagen. Dort waren irgendwie beide Klassen versammelt, welche in der Altstadt waren (nämlich wir mit unserer Parallelklasse, welche ne Etage über uns war). Neben mir standen Franzi und Hülgen (Franzi kenn ich über ihren Bruder [FF] und Hülgen geht in deren Klasse).
Nach dem Essen bin ich zu denen hin, um zu fragen, was sie denn am Abend vorhätten. Ich meinte zu Franzi: "Gib mir mal bitte deine Handynummer, dann ruf ich nachher mal an. ... Jetzt hab ich ne Gelegenheit danach zu fragen! ;-) ) darauf Hülgen (traf mich absolut unvorbereitet): "Ooooohhhh wie süß! [grins]" Ich (ganz leicht rot): "Ähh.. Ja.. Das war ja nu nich ernst gemeint." Sie: "Trotzdem!".
Wir verabredeten uns eigentlich für diesen Abend, in die Neustadt zu gehen.
Schließlich mussten wir weiter, weil die Besichtigung der Semperoper anstand. Beim Warten draußen musste ich mal aufs WC und ging in die alte Wache, oder wie das Gebäude neben der Oper heißt. In der Kabine hörte man eine, nennen wir es, Gasdruckentladung und dann ein lautes *Pflock!* und das ganze nochmal...pfffffff...platsch! In stiller Anteilnahme bekam ich einen Lachanfall und hatte Mühe, das Pinkelbecken zu treffen. Draußen brauchte ich erstmal frische Luft. Abwechslung bot dann ein brennendes Taschentuch in einem Mülleimer neben uns. Einer meint so: "Ey Feuerwehrmann, da im Mülleimer fängt was an zu brennen". Eine erste Erkundung der Einsatzstelle ähh ein kurzer Blick in den Mülleimer zeigte eine Zigarettenkippe, die ein Taschentuch entzündete. Ein Kaffeebecher vor, Feuer aus.
Zur Semperoper: Was soll ich sagen? Wow! Einfach nur genial. Das Haus sieht wundervoll aus und unser Führer war zwar schon älter, aber absolut locker drauf. Beim Treppensteigen nach ganz oben verfing sich das Band von Janinas Digicam an einem Teil vom Eisenstrebenmuster der Treppe, schoss ihr aus der Hand und blieb hängen. Die ganze Klasse hielt die Luft an und ich nahm vorsichtig die Cam und gab sie ihr zurück. Ich habe mal so zwischen den Treppen nach unten geguckt: Das waren gut und gerne 5 Stockwerke.

Abends schrieb Franzi dann, dass sie doch in der Altstadt blieben, was ich traurig fand, da ich gerne was mit den Mädels unternehmen wollte.
Wir gingen dann in einer etwas größeren Gruppe (nämlich Wladimir etc. sowie die Gruppe vom ersten Tag) ein Bistro suchen, worauf wir eine Pizzahut-Filiale fanden. Ich as eine Salami und vernichtete dazu genau einen Liter 7up. Die weibliche Bedienung war echt aggro, als ich sie fragte, welche der beiden Salami-Pizzen mehr Teig hätte. Völlig grundlos. Egal, Wladimir rief dann später: "Du bekommst kein Trinkgeld!". Abkassieren tat dann ein junger Mann, welcher echt mal locker drauf war. Er nannte uns auch ein paar gute Ecken zum Weggehen und war einfach nur freundlich; so, wie ich es aus Nds kenne.
Wir beschlossen schließlich aufs Zimmer zurück zu gehen und später war ich noch bei Wladimir und den Mädels. Mir war langweilig, also tat ich so, als würde ich in Natalies Bett ähem... machen, worauf sie anfing zu schreien etc., worüber wir uns tierisch kaputt gelacht haben. Fortan hab ich immer versucht, mich in ihr Bett zu legen und zuzudecken und so zu tun als ob, was immer für riesen Lacher sorgte und sie halb zur Weißglut trieb.

Gestern wollten wir als Tagesaktion um 13:00 eine Schifffahrt auf der Elbe unternehmen. Ging nich, Sturm. Also wieder in die Stadt. Wir beschlossen dann noch Mittag zu essen, was dieses Mal im Bistro vom Kaufhof geschah.
Auf dem Rückweg zum Jugendhotel wurde dann ein wenig Alkohol eingekauft und wir hatten Freizeit, bis wir uns gegen 19:00 trafen, um mit der gesamten Klasse in eine Bar o.ä. zu gehen. Daraus wurde nix, weil keine die Möglichkeit hatte, so viele Personen aufzunehmen. Also teilten wir uns auf. Und wir gingen - Oh Wunder - zu McDonalds. Kurz zuvor bemerkte ich irgendwelche Flusen vom Himmel kommen. Und kalt wars. Auf dem Weg zum goldenen M brach dann ein Schneeschauer über uns herein.
Als alle fertig waren, gingen wir zurück zur Jugendherberge und begannen langsam etwas zu trinken. Die meisten waren schließlich im Raum 235, neben uns, und wir waren dann unten im Raucherraum, wo Herr Henningsen (Klassenlehrer, super Typ) mit ner Flasche Radeberger und nem Zigarillo saß. Wir unterhielten uns lang und ich holte mir auch noch ein Bier runter. Als dann Katharina endlich mal ihre Klappe hielt (sie labert und labert und labert... Von der Quantität doppelt so schlimm wie ich. Herr Henningsen machte auch eindeutige Anspielungen auf ihre verbalen Ergüsse), unterhielten wir uns dabei hörte ich raus, dass er von mir sehr beeindruckt zu sein scheint.
Neben uns war eine Klasse aus der Fachoberschule in Holzminden, welche auch ausgelassen feierten. Ein Lehrer kam schließlich runter und beendete deren Feier sehr bestimmend. Das gab unserer Runde Anlass für Witzeleien. Man muss sich immerhin vorstellen, dass die älter waren als wir uns bei uns sogar der Lehrer mit dabei war (wie ich später von denen erfuhr, haben die deren Streber so heftig abgefüllt, dass der u.a. eine Flasche Genever allein getrunken hat und postwendend in sein Bett kotzte. Somit mussten die stündlich u.a. nach ihm sehen).
Als Hr. Henningsen dann auch ging, waren wir in Raum 235. Die Mädchen waren teils sehr stark angetrunken und auch Dennis, René und Timo waren gut dabei.
Als dann die Horde abzog, waren wir noch mit Markus, Christian, Nico und noch wem glaube ich da und unterhielten uns ein wenig über die Klassenkameraden. Ein paar Dinge über den Abend störte sie ganz stark und über diese unterhielten wir uns dann. Waren gleicher Meinung.

Als die dann in ihrem Zimmer waren, haben Markus und ich bei uns noch etwas aufgeräumt und sind schließlich ins Bett. Es ging das Licht an und laut party-machend kam René rein. Der war stark angetrunken, machte überall Licht an und ging dann noch duschen, so dass Ruhe war. Ich war halb eingeschlafen, als er das Licht wieder an machte und zwei 2l-PET-Flaschen aufeinander schlug, worauf ich ihn spontan anschrie, dass er gefälligst ruhig sein sollte. Erstaunlich schnell wurde er ruhig. Ohne Kommentar.

Und somit nähert sich meine Erzählung schon dem Ende. Am heutigen Morgen packten wir die Sachen fertig zusammen, zogen die Betten ab und gingen mit dem Gepäck runter. Wir brachten das Leergut zu einem Laden namens "Konsum" neben dem - Achtung - World Trade Center, welches in Dresden aber mehr die Größe eines Hotels hat. Als dass der Name nicht schon ostdeutsch genug war, war auch die Arbeitskleidung der Verkäuferinnen ein wenig "monumental", welche mich wirklich an die DDR erinnerten. Christian schöpperte also an die 30 Flaschen in den Getränkeautomaten und in seiner Tüte war langsam eine leicht braune Pfütze zu erkennen, welche die Ecke um den Automaten mit süßlichem Biergeruch erfüllte. Ich glaube alle Alkoholopfer, die dabei waren, hätten am liebsten spontan zu kotzen begonnen. Wir gaben unsere Coupons an der Kasse ab, an der uns eine wirklich unfreundliche Verkäuferin bediente. So langsam hatten wir echt die Schnauze von dem Gefolge voll.

Tjaa und um 12:23 fuhren wir zum Hauptbahnhof und dann nach Leipzig zum Umsteigen. Die Zugfahrt dort hin und weiter nach Hannover fand ich sehr schön, weil ich noch die Möglichkeit hatte, ein paar Impressionen aus dem Osten einzufangen und das Buch "Das Parfum" von Patrick Süskind weiter zu lesen, was wir am Montag durch haben müssen. Ich glaube es war vorgestern, als ich allein an einem Tag rund 100 Seiten las. Nun habe ich noch genau 99 Seiten vor mir.

Es war ziemlich genau 17:23, als wir endlich wieder hannoverschen Boden betraten. Mein Vater holte mich ab und ich muss sagen, dass ich wirklich ein Gefühl tiefer Zufriedenheit spürte, als wir durch Hannover fuhren, ich die grünen Straßenbahnen sah, auf deren Ziel "5 Stöcken" blickte, als ich die geteilten Kreise sah, deren runde Seite auf das Wort "Hannover" deuteten und ich weit und breit kein Kopfsteinpflaster, keine Plattenbauten, keine Trabbis und keine komisch angezogenen Leute mehr sah.

Zu Hause fuhr ich den PC hoch: Absturz. Alle offline-ICQ Nachrichten weg. Dann zum Essen. Meine Eltern hatten gar nichts eingekauft, da die beiden ja nicht viel brauchten, während ich weg war. Somit gab es nur noch Erbsensuppe, welche ich mir umgehend über das linke Bein schüttete.
Am PC begann ich dann mit Hülgen über Goolive zu schreiben und traf die Entscheidung - seit langem - mal wieder Mc Donalds zu besuchen.

Nun sitze ich hier, habe Sodbrennen von dieser beschissenen Suppe, meine Hände riechen nach Sesam von den Hamburgerbrötchen, es warten noch ein paar Erledigungen auf mich und ich erinnere mich zurück an schwarz/gelbe Straßenbahnen, an sehr unfreundliche und sehr nette Leute, an Plattenbauten und Betonburgen, an Dresdens schöne Altstadt und an 4 insgesamt schöne Tage mit den Gesichtern, vor denen ich noch vor gar nicht allzu langer Zeit Furcht hatte, da ich fast keinen kannte.
Entsprechend werde ich auch in ca. 7,5 Stunden (es ist schon 22:56) wieder motiviert aufstehen, um genau diese Leute wieder zu sehen.
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