Too much/too rough
Dunkle Wolken türmten sich über dem Palast des Himmels. Heftiger Wind peitschte um die Häuserecken und erschwerte allen Engeln das Vorankommen. Sie waren derartige Wetterbedingungen nicht gewöhnt und daher hatte der Hohe Rat der Engel angeordnet, dass sämtliche Strecken in der nächste Zeit zu Fuß oder mit einem Luftschiff zurück gelegt werden musste, bis sich die Lage wieder beruhigt hatte. Es gab jedoch Engel, die das kein Stück interessierte.
Einen ganz besonders.
Raphael warf den umstehenden Wachen einen scharfen Blick zu, als er auf dem Dach des Himmelspalastes landete und sie ihn verachtend ansahen. Jeder von ihnen hatte wohl gehört, worin der Heiler verwickelt gewesen war. Sie wisperten Belials Namen und malten sich dann all die obszönen Bilder in ihren Gedanken aus. Kaum einer von ihnen wusste, was geschehen war und noch weniger hatte eine genaue Vorstellung von fleischlicher Lust.
Demonstrativ breitete Raphael noch einem seine Schwingen aus, um den beschränkten Soldaten zu zeigen, dass seine Flügel noch weiß waren. Strahlend weiß, unbefleckt von der Dunkelheit, die Luzifiel ergriffen und verschlungen hatte, sodass er sich einen neuen Namen hatte geben müssen. Seine Flügel strahlten noch hell in dem Glanz des Himmels und wenn er jetzt seine Astralkraft benutzte, damit sich das Licht an seinen Federn brach und es zurückwarf, damit die Umstehenden den Anblick nicht vergessen und seinen Status nie wieder anzweifeln würden, so war dies seine Sache.
Er faltete seine Flügel zusammen und ging festen Schrittes an den Wachen mit den Lanzen vorbei, deren Dasein mehr symbolisch war, als wirklich nützlich. Sie waren nur eine Grenze, welche die Großen Sieben von den aufstrebenden Speichelleckern trennte. Die Hand der Wache links neben der Tür zuckte leicht, als wollte er die Lanze benutzten, um ihm den Eintritt zu verweigern, doch als Raphaels Blick eine Spur kälter und arroganter wurde, ließ er es.
Denn es gab keinen Befehl, der es ihnen erlaubte, den Himmlischen Heiler, den Engel des Windes und Gebieter über die Tugenden aufzuhalten. Luzifiel war Verstand der Großen Sieben gewesen und mit seiner Rebellion gab es niemanden, der die Macht dazu hatte, ihn offiziell aus seinem Amt zu entlassen. Niemanden, denn Luzifiel war gegangen und nicht verbannt worden. Das hatte der Hohe Rat der Engel erst nachgeholt, als sie die Schandtaten des Morgensterns nicht länger verbergen, unterstützen oder erklären konnten und jede Hoffnung verloren war Luzifiel wieder an den Himmel zu binden.
Schön klangen seine Reden und logisch mochten sie erscheinen, wenn man ihm zuhörte. Seine Blasphemie bemerkte man gar nicht, so gefangen war man von Luzifiels Schönheit und der Macht, die er versprach.
Geschwind ließ Raphael seine Hände in den Taschen seines Mantels verschwinden und beobachtete aus den Augenwinkeln wie die zunehmenden Windböen es den Wachen auf dem Dach hinter ihm zunehmend schwerer machten, gerade und unberührt dazustehen. Sie würden ja doch bald ihren Posten verlassen und in Deckung gehen müssen.
Dafür würde er sorgen und sich nicht schuldig fühlen, wenn sie von ihrem Vorgesetzten zur Rede gestellt wurden.
Sie sollten lernen, dass eine andere Partei genauso gut Recht haben konnte, obwohl man wusste, dass man selbst nicht falsch lag. Belial hatte ihm das auf schmerzhafte Art und Weise deutlich gemacht. Er wusste nicht, wo oder wann sie auf den Gedanken gekommen war, wie ein Schmetterling ihre Flügel zu öffnen, doch im Gegensatz zu ihr kannte er den Unterschied zwischen ihren sexuellen Ausschweifungen und seinen eigenen.
Er konnte behaupten, dass er sich an das Keuschheitsgebot gehalten hätte, wie es die sieben Tugenden eigentlich von einem Engel verlangten, so rau es auch hin und wieder gewesen war, was er getan hatte, so kam dies nicht mit der Perversion gleich, was Belial aus der Vereinigung gemacht hatte.
Diese zweigeschlechtliche Abnormität würde für ein Tier die Beine breit machen, würde vor nichts zurück schrecken auch anderen anzutun, was sie selbst bereit war sich zuzufügen. Er hatte den Wahnsinn in ihren Augen gesehen, als sie verlangt hatte, dass er sie zu Boden drücken, ihren Hals umfassen und zudrücken sollte. Ihr rotes Haar hatte schweißnass an ihrem Kopf geklebt, als sie sich selbst in Ekstase ritt und sich daran ergötzte, wenn man ihr wehtat.
Es hatte nicht geholfen, dass er zurück gefahren war, um Abstand zwischen sie zu bringen, sie hatte sein Entsetzen nur noch anregender gefunden. Sie hatte sich bloß auf seinem Schreibtisch platziert, ihre weißen Schenkel geöffnet und sich selbst befriedigt. Mit allem, was sie gerade greifbar hatte und er verfluchte seine eigene Schwäche, dass er selbst lange gebraucht hatte, um einen klaren Gedanken zu fassen.
Er war geflohen, doch zu dem Zeitpunkt, wo er die nächste Wache verständigt hatte, um bekannt zu geben, dass auch sie als Rebellin gekennzeichnet werden musste, war Belial bereits verschwunden gewesen. Im Himmel bleiben konnte sie nicht, aber Raphael wusste, dass Belial ihren Weg an Luzifers Seite würde finden. Nur glaubte er nicht, dass sie wusste, was sie in der Hölle erwartete. Belial war Ärztin gewesen, bevor sie fiel und aus Erfahrung konnte er sagen, dass die Hölle kein angenehmer Ort für einen Heiler war.
Schon gar nicht für jemanden, der trotz allem noch wusste, was er tat.
Raphael betrat den Versammlungsraum und bereitete sich darauf vor dem Hohen Rat Rede und Antwort zu stehen, doch gleich ob sie versuchen würden, ihn zu verurteilen, alles was sie erreichen konnten, war seinen Namen durch den Dreck zu ziehen. Das allein konnte ihm nichts anhaben, schließlich hatte er in Belials Augen gesehen, was wahre Maßlosigkeit war, doch er konnte sie nicht einmal dafür hassen.
Die Hölle würde Belial schon genug bestrafen und niemals würde sie bekommen wofür sie gefallen war, denn weder der Teufel noch der Morgenstern würde sich mit einer Hure je einlassen.
Mit einer ausdruckslosen Maske auf dem Gesicht trat Raphael in den Kreis der Versammlung, fühlte aber dennoch Erleichterung als Michael neben ihm trat, um ihn zu unterstützen.