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May 26, 2008 19:18


Vorsichtig und ungeschickt lud ich den Revolver, dann machte ich das Licht aus. Der Gedanke an den Tod, der mich einst so geängstigt hatte, war jetzt eine vertraute und einfache Angelegenheit. Ich hatte Angst, fürchterliche Angst vor dem monströsen Schmerz, den mir die Kugel zufügen mochte; aber den schwarzen, samtenen Schlaf fürchten, das gleichmäßige Dunkel, das um so vieles annehmbarer und begreiflicher war als die kunterbunte Insomnie des Lebens? Unfug - wie konnte man davor Angst haben? Ich stand in der Mitte des dunklen Raumes, knöpfte das Hemd auf, lehnte mich aus den Hüften nach vorn, tastete nach dem Herzen zwischen den Rippen, fand es. Es pulste wie ein kleines Tier, das man an einen sicheren Ort bringen möchte, ein frischgeschlüpfter Vogel oder eine Feldmaus, denen man nicht erklären kann, daß es nichts zu fürchten gebe, daß man vielmehr nur ihr Bestes wolle. Es war ja doch so lebendig, mein Herz; irgendwie kam es mir abstoßend vor, den Lauf fest gegen die Haut zu drücken, unter der federnd eine tragbare Welt klopfte, und darum zog ich meinen ungeschickt abgeknickten Arm ein wenig fort, auf daß der Stahl meine nackte Brust nicht berühre. Dann nahm ich meinen Mut zusammen und drückte ab. Es gab einen starken Stoß, und hinter mir war ein wundervolles vibrierendes Geräusch zu hören; nie werde ich dieses Vibrieren vergessen. Sofort trat Wassergegurgel an seine Stelle, ein kehliges strömendes Rauschen. Ich holte Luft und erstickte an Flüssigkeit; alles in mir und um mich herum floß und wogte. Ich wurde gewahr, daß ich auf dem Fußboden kniete; dann streckte ich meine Hand aus, um mich zu stützen, doch sie versank im Boden wie in ein grundloses Gewässer.

Vladimir Nabokov ~ Der Späher (S. 22f.)

zitiert, *

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