Der Titel ist der schmalzigste Spruch, den ich über Freundschaft finden konnte.
Im folgenden geht es nämlich um dieses Thema.
Die ist ein recht langer Eintrag. Es würde mich freuen, wenn ihr euch die Zeit nehmt ihn zu lesen, aber fühlt euch nicht gezwungen. Er ist nämlich wirklich lang!
Vorgestern lag ein Heft in unserem Briefkasten, dass regelmäßig von der AOK an Teenager in einem bestimmten Alter geschickt wird. Ich bin da schon lange raus, aber mein Bruder Michael bekommt es immernoch, auch wenn er es nicht liest. Oder sonst jemand.
Aber vorgestern habe ich es mir mal angeschaut. Ich hatte ja sonst nichts zu tun, oder zu lesen.
Diese Ausgabe der "On" beschäftigte sich vor allen Dingen mit der Freundschaft.
Was ist Freundschaft? Bist du ein BFF? (ja, das stand genaus so drin) Was sollte man mit seinen Freunden schonmal gemacht haben? Was sind Freundschaftskiller? Und dann noch Interviews mit Freundespaaren darüber wie sie sich kennen gelernt haben was sie zusammen machen, etc.
Ich habe solch ähnliche Berichte in Mädchen-Magazinen schon zu hundertfachen gelesen, als ich noch jünger war und noch sagen konnte ich habe eine beste Freundin, und trotzdem haben sie mich immer wieder traurig oder auch einfach wütend gemacht. Manchmal fühle ich mich auch einfach nur total schlecht danach, und trotzdem lese ich es immer wieder.
In der "On" heißt es, das Freunde unsere zweite Familie sind und sogar Forscher herrausgefunden haben, dass Zeit mit ihnenn zu verbringen unser Selbstwertgefühl stärkt und uns glücklich macht. (Duh.) Neben unglaublich schmalzigen Freundschaftssprüchen steht das es auch wissenschaftlich bewießen ist dass Social Networks wie facebook uns aber depressiv machen können da wir oft unbekannte auf unseren Freundeslisten haben und bei verfolgen deren Lebens uns oft mit ihnen vergleichen und minderwertiger fühlen. (DUH.)
All das ist natürlich supder-duper wichtig, den wir müssen das den armen ahnungslosen Teenagern doch erzählen, sonst wissen sie ja nicht was Freundschaft wirklich bedeutet. Und nebenbei wollen wir das ihr euch schlecht fühlt, wenn ihr den Test nicht besteht und auf der Ersatzbank landet. Und für alle anderen, arbeitet die Liste der "21 Dinge, die man mit Freunden schon mal gemacht haben sollte" ab, sonst seit ihr keine echten Freunde!
Solche und ähnliche Stimmen schwirren mir im Kopf rum, wenn ich das Heft neben mir anschaue.
Woran kann man meßen, das man ein guter Freund ist? (Sicher nicht an einem "Bist du ein BestFriendForever"-Test, der mir sagt ich sei eine gute Freundin, aber ich solle trotzdem mehr auf die Gefühle meiner Freunde eingehen.)
Woran misst man Freundschaft?
Ich glaube, dass sich jeder diese Frage selbst beantworten sollte, bzw. auch kann. Aber ich gerate immer ins Schwanken.
Ja, für mich sind Freundschaften wichtig. Jeder braucht sie, keiner kann ohne sie. Es kommt dabei auch nicht auf die Zahl an. Ich muss zugeben das ich vor etwa einem Jahr die Anzahl der Freunde sehr hoch geschätz habe. Ein Blick auf meine Freundesliste und ich hätte ich Tränen ausbrechen können.
Zurzeit habe ich 88 Freunde. Davon sind 13 Familienmitglieder. 3 leben im Ausland, und ich sehe sie entweder kaum oder gar nicht (aber wir schreiben wenigstens). Eine Person habe ich nie persönlich getroffen. 14 sind Aupairs mit denen ich schon in Engalnd nicht viel Kontakt hatte. 2 habe ich erst kennen gelernt. Eine ist erfunden. Und mit 38 habe ich seit mindestens einem Jahr keinen Kontakt mehr, weder über facebook noch im echten Leben. Die restlichen 16 treffe ich entweder regelmäßig oder wir schreiben wenigstens auf facebook.
Irgendwie klingt das schon extrem traurig. Vor einem Jahr, wenn ich einen Blick auf die ewig langen Freundeslisten von ein paar meiner engeren Freunde (damals) geworfen hätte und gleichzeitig diese Liste vor mir gehabt hätte wäre ich wohl freiwillig in den nächsten Fluss gesprungen.
Aber ich habe gelernt, dass es keinesfalls auf die Zahl der Freunde ankommt. Auch nicht auf deren Beliebtheitsgrad oder ähnliches.
Anna sagte mal zu mir: "Eine Freundschaft darf nicht nur nehmen, sie muss auch geben", und sie hat vollkommen recht. Und auch erst in diesem Moment habe ich realisiert, wer wirklich meine Freunde sind, woran ich für mich persönlich einen Freund "meßen" kann.
Ich habe jahrelang sehr viel Zeit und noch mehr Energie in Freundschaften gesteckt, die mir nie das gaben, was ich gebraucht habe. Ich habe wirklich versucht, auf meine Freunde ein zu gehen, für sie da zu sein, zu zuhören. Nie hatte ich das Gefühl das es jemandem genauso wichtig war mir das selbe zu geben. Mir wurde das erst nach zehn Jahren Freundschaft mit meiner damals besten Freundin klar, wenn auch noch nicht so bewußt wie dann vier Jahre später.
Ich war müde. Ich war ausgelaugt, ich war aufgebraucht. Ich brauchte jemanden, der mich aufbaute, der mit Kraft gab. Zwar wusste ich das, aber nur unterbewußt, und ich gab mir die Schuld. Ich gab mir die Schuld daran, dass unsere Freundschaft nicht funktionierte. Ich habe wirklich ernsthaft geglaubt, dass alle Freundschaften die ich hatte nicht gehalten haben, weil ich mich nicht genug angestrengt habe, weil ich nicht genug Energie hineingesteckt hatte, die ich doch eigentlich nie hatte, und nie bekam ich sie zurück.
Nur eine handvoll Freundschaften hat überlebt, die meisten anderen waren begrenzt. Und wenn ich so zurückschaue, dann waren sie immer auf die Zeit in der Schule begrenzt. Ich war auf 4 Schulen: Grundschule, Gymnasium, Realschule, Berufsgymnasium. In jeder habe ich Freunde gefunden, jede Freundschadft ist eingefroren im Winter nach dem Abschluss.
Bei manchen habe ich mich wirklich nicht darum gekümmert, dass gebe ich zu. Aber bei einigen habe ich es versucht, und es kam einfach nichts zurück. Als ob ich reden würde und mein gegenüber ist taub und steht mit dem Rücken zu mir.
Ich ließ das alles aber hinter mir als ich mich entschloß, nach London zu gehen - ich sagte mir, dass ich mich noch einmal ganz neu defininieren könne, neue Freunde finden könne, Freunde fürs Leben. Und ich habe es tatsächlich geschafft, welche zu finden.
Anna und Viki und ich - wir waren echt ein Dreamteam. Und ich muss zugeben ich bin manchmal erschrocken wie sehr die beiden in unsere Freundschaft gaben. Dieses Mal war ich nicht alleine, dieses Mal fühlte ich mich immer so erfrischt, liebenswürdig und hatte genug Selbstvertrauen für zwei nach jedem Treffen mit einem oder beiden.
England hat mich in vielerlei Hinsicht verändert und mir einiges beigebracht - aber das war definitiv das wichtigste.
Umso schlimmer war es für mich, als wir uns gegen Ende Juli trennen mussten. Wir wohnen nicht all zu weit auseinander, aber im Vergleich zu vorher sind es Welten. Noch schlimmer war es für mich, dass ich Heim kam und keiner auf mich wartete. Keine Freundin, die mich vermisst hat und es nicht abwarten konnte, mich wieder regelmäßig zu sehen. Quasi ein zurücksetzen meines Lebens bevor England.
Und auch hier wurde mir wieder etwas bewußt: Ich bin unglaublich eifersüchtig. Eifersüchtig, dass Anna und Viki Freunde hatten, die auf sie warteten und mit offenen Armen empfingen.
Ich weiß, ich habe den beiden geschrieben das ich mich immer an unsere Zeit in London mit Freude erinnern werde, egal was danach passieren wird. Aber ich bin nun mal eifersüchtig, und das habe ich auch erst jetzt gelernt.
Ich bin nicht eifersüchtig wenn Nakhon sich mit einem Mädchen trifft weil sie ja etwas von im wollen könnte, sonder weil er überhaupt Freunde hat, die mit ihm etwas unternehmen wollen, mit denen er lieber etwas unternehmen will.
Und so ergeht es mir mit jeder Freundschaft, die ich schließe. Ich werde fast wahnsinnig, wenn meine Freunde andere Freunde haben mit denen sie sich treffen. Schlimmer ist es, wenn sie schon beste Freunde haben wenn ich sie treffe.
Vielleicht ist das das Problem? Vielleicht liegt es doch an mir? Aber ich versuche es wirklich, ich versuche nicht mich in den Vordergrund zu drängen. Aber wo ist mein Platz? Wo gehöre ich hin? Manchmal quälen mich diese Fragen enorm, und ich werde depressiv davon. Ich schaffe es aber jetzt, dass alles zu ignorieren und mir einfach Mühe zu geben mit jeder Freundschaft. Ich schlucke den Kloß hinunter und hoffe, dass es da draußen noch jemanden gibt, der mich mal als beste Freundin bezeichnen will.
Wie auch immer das sich bei mir entwickeln wird, ich hoffe einfach auf das Beste. Die Uni fängt nächste Woche an, und die meisten Studenten sind von weiter weg gekommen um in Mannheim zu studieren, und sind genauso verseßen drauf neue Freunde zu finden wie ich. Ich bin zuversichtlich. Auch wenn es wahrscheinlich länger dauern wird als in London, es wird bestimmt jemanden geben dem ich mich anschließne kann.
Im Prinzip hat sich dieser ganze Post von einer Mücke in einen verdammten Elefanten verwandelt. Ja, das ganze Thema liegt mir sehr am Herzen, und es belastet mich manchmal enorm, aber ich will kein Mitleid, sollte das jemand empfinden. Wenn ihr genervt seit, auch gut. Wenn es euch genauso geht, dann hoffe ich das euch dieser Post nicht zu sehr traurig oder wütend gemacht hat.
Ich selbst musste das ganze einfach mal loswerden, nachdem ich diese dämliche Zeitschrift gelesen hatte. Und weil ich immernoch mit gemischten Gefühlen meinem Studium gegenüber stehe.
Lasst euch aber so viel sagen: Egal wie ihr zum Thema Freundschaft steht, ich denke dieses Zitat von Marlene Dietrich sagt aus, was Freunde sein sollten, wie eine Freundschaft sein sollte und dass das Maß für jeden im Grunde doch das selbe ist:
"Die Freunde, die man morgens um vier Uhr anrufen kann, die zählen."
ANM.: Ich möchte hier anmerken, dass das ganz in keinster Weiße irgend etwas mit Nakhon zu tun hat. Er ist mein fester Freund, ich liebe ihn und ich kann mir ein Leben nicht ohne ihn vorstellen. Aber so wie er brauche ich manchmal jemanden außerhalb meiner Familie, mit dem ich reden und Sachen unternehmen kann.
Ich bin auch total dankbar, dass ich mich mit meiner Ma so gut verstehe, kein Thema.