Bloß keine Hühnersuppe

Sep 04, 2023 15:46

Team: D.A.V.E.
Challenge: h/c - mir ist so heiß/kalt
Fandom: Nocturne Whispers
Charaktere: Katharina Hüpper, David “Dave” Vasquez, Francis Moore
Wörter: 1368
Für alea, die mir erlaubt hat, mir Vasquez und Francis auszuleihen. Ich hoffe, ich gebe sie unbeschadet wieder zurück.

Es war super, in den USA studieren zu können. Ehrlich. Aber es gab Momente und Situationen, da wünschte sie sich nach Hause zurück. Mit einer funktionierenden Absicherung für Arbeitnehmer. Dann hätte sie nämlich einfach angerufen und sich krankgemeldet. Irgendwer hätte sie gefragt wie lange, ob sie zum Arzt gehen würde und ihr dann gute Besserung gewünscht. Oder so. Vielleicht noch mehr oder mitfühlend gefragt, was sie hatte, obwohl es die Person absolut nichts anging.
Hier ging das natürlich nicht, jedenfalls nicht, wenn sie den nächsten Gehaltsscheck in der gewohnten Höhe haben wollte. Die Caché gehörte jedenfalls nicht zu den Arbeitgebern, die es ihrem Innenpersonal zugestanden, dass man mal krank wurde und der Sklaventreiber Gallows würde daran sicher nichts ändern. Der knirschte vermutlich schon mit den Zähnen, weil die Jäger im Fall von Verletzungen abgesichert waren.
Katharina war keine Jägerin, sie war ja nicht suizidal oder so. Verrückt, ja… darüber ließe sich reden aber nicht so. Und sie brauchte das Geld. Also ignorierte sie die Müdigkeit, warf sich zwei Aspirin ein und packte den Rest in die Jackentasche und fuhr zur Arbeit. Wenn sie Glück hatte, wurde sie nicht von den Nervensägen belästigt, die auf Smalltalk standen.
Dummerweise glaubte Katharina nicht an Glück. Sie glaubte an Statistiken und Wahrscheinlichkeiten. Und statistisch gesehen müssten mindestens drei Leute irgendetwas abladen oder haben wollen. Statistisch gesehen, müsste Francis am späten Nachmittag auftauchen, um ihr Kram für das Archiv zu bringen. Also verzog sie sich dann am besten einfach nach hinten und tat beschäftigt. Oder tat wirklich etwas, Akten sortieren war etwas, was sie selbst mit matschigem Gehirn schaffen müsste. Ablagen erledigte sie im Tiefschlaf.

Als sie ihr Heiligtum betrat, erwarteten sie schon ein paar Unterlagen auf ihrem Schreibtisch, einige davon von sorgfältiger Hand beschriftet, eine war von Dave, eine eindeutig von Dr. Cable, vermutlich ein Autopsiebericht. Katharina starrte die Hieroglyphen ein paar Sekunden lang an und beschloss, das auf später zu verschieben. Ein kurzer Check der E-Mails mit ein paar Anforderungen, was sie zusammen mit der Ablage direkt erledigte, solange die Tabletten sie funktionsfähig genug hielten.
Wie lange musste sie wohl bleiben? Vier Stunden mindestens, am besten sechs oder sieben. Der erste Blick nach einer Millionen Jahren auf die Uhr war ernüchternd. Eine Stunde erst?
Zwei weitere Stunden später begann ihr Kopf etwas zu schwimmen und irgendwie war ihr kalt. Nicht diese Art kalt gegen die sie eine Jacke anziehen müsste. Das war hier im Winter sowieso Pflicht. Diese Kälte ging ihr auf eine Art in die Knochen, die deutlich sagte, dass sie ein ganz anderes Problem hatte.
Die ersten angeforderten Unterlagen oder Beweismittel waren schon abgeholt worden, zum Glück von Agenten, die es besser wussten, als sie zuzutexten. Katharina hatte nur grüßend die Hand gehoben und sonst scheinbar konzentriert auf ihre Exceltabelle gestarrt.
Nicht nur scheinbar. Die ordentlichen Zeilen und Spalten schienen nicht da bleiben zu wollen, wo sie hingehörten.
Wie sehr die Erkältung ihr zusetzte, merkte sie, als sie angesprochen wurde. “Du siehst nicht gut aus…” Verdammt, sie hatte Francis’ Zeitfenster verschwitzt. Oder eher: verschlottert. Inzwischen war ihr jedenfalls elendig kalt.
Allein weil sie wusste, wie viel Mut es ihn gekostet haben musste, sie darauf anzusprechen, hielt sie von einer pampigen Antwort an. “Es ist nichts.”
Okay, jedenfalls war es nicht so pampig wie sie es bei anderen gemacht hätte.
“Hmmm… pass auf dich auf, ja?”
“Jaja.” Am Arsch. Sie wollte nach Hause. Nicht in ihre Wohnung, sondern zu ihrer Familie. Bescheuert. Sie suchte sonst eine Ausrede nach der anderen, um nicht heimfliegen zu müssen aber kaum war sie etwas erkältet wurde sie weinerlich.

Sie ließ sich Zeit damit, die Unterlagen die Francis ihr mitgebracht hatte, ins System einzutragen und dann einzuräumen. Vielleicht etwas zu viel, irgendwie wurden ihre Knie weicher als ihr lieb war. Außerdem hämmerten dumpfe Kopfschmerzen irgendwo hinter ihrer Stirn. Es wäre wohl besser gewesen, wenn sie noch eine oder zwei Aspirin genommen hätte aber sie war noch nicht amerikanisiert genug, um sich derart zuzudröhnen, wenn sie es vermeiden konnte. Bei einem Unternehmen in Deutschland hätte man sie wohl spätestens jetzt vollkommen korrekt mit einem Arschtritt zum nächsten Arzt befördert, damit sie sich krankschreiben ließ und sich mit ihren Bazillen nach Hause ins Bett verkrümelte. Hier dagegen… Gott, sie hasste die USA manchmal.
Müde nahm sie die nächste Tablette und stützte den Kopf in ihre Hände. Es wäre nett, wenn er mal damit aufhören würde, platzen zu wollen.
Ein leises ‘Klonk’ ließ sie aufmerken und das erste was in ihr Blickfeld geriet, als sie aufsah war eine dampfende Teetasse. Wehe, Francis hatte sich wieder hergetraut… Nein, hatte er nicht. Katharina blinzelte nach oben und versuchte dem Anblick des Vampirs neben ihrem Tisch einen Sinn abzugewinnen. Dave trank keinen Tee, nicht, wenn er es vermeiden konnte. Natürlich. Dann fiel der Groschen. Pfennigweise, aber er fiel. “Hat Francis gepetzt?”
Begleitet von einem nonchalanten Schulterzucken meinte Dave: “Er macht sich Sorgen um dich. Und ich kanns verstehen, ich sehe lebendig neben dir aus.”
“Haha. Kümmer dich um deinen Kram, ich komme klar.”
“Mein Kram würde bedeuten, dass ich einen Bericht schreiben muss.”
Worauf er vermutlich keine Lust hatte. In Sachen Arbeitsmoral waren sie beide ähnlich gestrickt. Sie würde ja gerne glauben, dass das der einzige Grund war, warum er den Weg auf sich genommen hatte. Aber dann hätte er ihr keinen Tee mitgebracht.
Moment… Tee! “Wer weiß noch, dass ich nicht ganz fit bin?” Wehe, wenn Kayla davon Wind bekommen hatte, dann würden Köpfe rollen. Jedenfalls in ihrer Fantasie.
“Keiner. Okay, Shireen, weil ich ihren Wasserkocher und Tee brauchte. Aber die hält dicht.”
“Na hoffentlich.” Katharinas Kopf wollte wieder in ihre Hände sinken, sie entschied sich lieber dafür, die Tasse hochzunehmen. Zwar war sie noch ziemlich heiß, aber genau das konnte sie jetzt brauchen.
“Wie geht es dir. Wirklich.” Die Frage kam unerwartet ernst. Oder vielleicht nicht ganz unerwartet.
“Würdest du mir ne Lüge glauben?”
“Nein.”
“Na also. Beschissen. Mir ist so kalt… und ich weiß selbst, dass ich ins Bett gehöre.”
“Immerhin.” Er fragte nicht, warum sie den perfekten Grund, daheim zu bleiben nicht mit beiden Händen ergriffen hatte. Vermutlich kannte er die Antwort. “Gibts noch irgendetwas, das nicht warten kann?”
“Was? Nein?” Sie sah auf die unleserliche Akte die noch auf ihrem Schreibtisch lag und lenkte damit auch Daves Aufmerksamkeit darauf. Mit einem skeptischen Stirnrunzeln hob er sie hoch und fragte: “Wo gehört die hin?”
“Keine Ahnung, kann nicht entziffern, was draufsteht. Hab Dr. Cable schon zigmal gesagt, dass sie ordentlicher schreiben soll.”
“Hm… ist mir eh lieber, wenn sie dich mal durchcheckt. Dann können wir auch direkt fragen, was dieses Kunstwerk uns sagen soll.”
“Uns?”
“Du sagst mir dann, wo sie hingehört und ich bringe dich nach Hause.”
Das Fieber musste ihr endgültig das Hirn vernebelt haben. Sie kümmerte sich einen Scheiß um die Leute hier und die kümmerten sich einen Scheiß um sie, so lief das hier.
Aber bei Dave und ihr war das irgendwie schon immer anders gewesen. Warum sonst hatte sie es von Anfang an toleriert, wenn er im Archiv herumlungerte, weil ihm dann keiner eine unliebsame Aufgabe aufs Auge drücken könnte?
Ihr perplexes Schweigen offenbar als Zustimmung deutend, nahm Dave die Akte und die Tasse und erwartet so eindeutig, dass sie ihren Computer ausschaltete, dass sie es einfach tat. “Die Personalabteilung wirds nicht mitkriegen, wenn du ein paar Tage fehlst. Wenns für dich okay ist, wenn Francis für dich einspringt…? Er hats jedenfalls vorgeschlagen, in der Spusi ist gerade nicht so viel zu tun.”
Francis? Ausgerechnet? Aber… er hatte einiges im Köpfchen und sie hatte ihn schon mal eingespannt, als Not am Mann gewesen war. Er kannte ihr System gut genug, um kein Chaos im Archiv anzurichten. Oder ihre Tabelle kaputtzumachen. “Wenn er was nicht versteht, soll ers einfach liegen lassen oder aufschreiben. Ich kümmer mich dann später darum.”
Der Monitor wurde schwarz und Katharina brauchte für ihren Geschmack deutlich zu lange, um sicher auf die Beine zu kommen. “Danke”, murmelte sie, während sie darauf wartete. “Auch an Francis.”
Vielleicht gab es hier doch noch die eine oder andere Person, die keinen Scheiß auf sie gab. Aber: “Wehe, jemand steckt Kayla, dass ich krank bin!” Die brachte es fertig und stand dann mit einem Topf Hühnersuppe oder so vor ihrer Tür! Sie hasste Hühnersuppe.

120 minuten, nocturne whispers, luina schreibt, sommerchallenge

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