Untoter Alptraum

Aug 27, 2023 18:05

Team: D.A.V.E.
Challenge: h/c - Flashback
Fandom: Nocturne Whispers
Charaktere: Chloe, ihre Mutter Savannah
Fortsetzung von: Not as planned
Bei Gefallen für alea


“Los, versuch nur zu schreien, Prinzessin.” Eine tiefe, zu tiefe Stimme an ihrem Ohr, eine Hand auf ihrem Mund die es vollkommen unmöglich machte, einen Laut hervorzubringen, der die Bezeichnung auch verdiente. Zähne gruben sich zum wiederholten Male in ihre Haut, hindurch…
Ihr Schrei klingelte noch in ihren Ohren, als Chloe hochfuhr. Sie hatte sich insgeheim oft gefragt, ob Vampire träumten. Jetzt wusste sie es. Jetzt fragte sie sich eher, wann diese Alpträume endlich aufhören. Ob sie jemals aufhören würden.
Wütend über sich selbst rollte sie sich wieder unter der Bettdecke zusammen. Sie war ein leichtes Opfer gewesen. Chancenlos gegen einen Vampir, das war klar aber… ein zu leichtes Opfer. Außerdem: Das hier war nicht der Deal für ihr Leben gewesen! Sie hatte dieses Wochenende mit Kayla shoppen gehen wollen. Mit Vicky ins Kino. Hatte sich über lächerliche Versuche ärgern wollen, sie zu verkuppeln.
Sich untot in ihrem alten Zimmer in Oswego zu verkriechen, war nicht der gottverdammte Deal gewesen!
Es war nicht ihre Art, in Selbstmitleid zu versinken aber sie fand, dass das in ihrer Lage ein absolut angemessenes Verhalten war. Heute aber nicht. Man hatte sie bisher in Ruhe gelassen, von den notwendigen Blutlieferungen abgesehen, aber sie kannte ihre Mutter und den Rest des Rudels. Lange würden sie es nicht mehr dulden, dass sie sich derart zurückzog. Also würde Chloe sich dem Rest der Welt zu ihren eigenen Bedingungen stellen, solange sie es noch konnte.
Nach einer Dusche, die sich auf ihrer kalten Haut zu heiß angefühlt hatte, band sie sich ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zurück, solange sie noch halbwegs zu bändigen waren. Klamotten hatte Rick ihr von ihrem Vater besorgt, sodass sie sich immerhin nichts ausleihen musste.
Erst dann fiel ihr ein, dass es keine schlechte Idee wäre, auf die Uhr zu schauen. Eigentlich war das Haus recht vampirfreundlich aber zwischendurch wollte man doch die Sonne reinlassen. Etwas, was für Chloe ziemlich ungesund sein würde. Daran würde sie auf jeden Fall arbeiten, aber erstmal fand sie sich besser damit ab, Sonnenlicht zu meiden. Zum Glück kannte sie den einen oder anderen Daywalker, die ihr beibringen konnten, sich an die Sonne zu gewöhnen. Heute wartete sie lieber noch die letzte halbe Stunde ab, bis die Sonne untergegangen war. Wartezeit, die ihr nicht lag, sie war immer eine Frau der Tat gewesen und jetzt saß sie die Hälfte eines Tages einfach… fest. Das war einfach zum Kotzen.
Auf dem Flur zeigte sich immerhin ein Vorteil daran, untot zu sein, sie hatte kein Problem damit, die Stimme ihrer Mutter aufzufangen und ihr zu folgen. Es antwortete niemand, jedenfalls nicht hörbar, also telefonierte sie vermutlich. Mit wem, wurde Chloe klar, als der einseitige Teil des Gesprächs besser verständlich wurde, je näher sie dem Arbeitszimmer kam. Eine Beerdigung. Keinen würde es wundern, wenn er dann erstmal rausmusste und wegfuhr. Denn natürlich war es ein ‘er’, sie sprach mit Chloes Vater. Dabei war Savannahs Stimme ungewohnt sanft. So wie Chloe es nur erlebte, wenn ihre Mutter mit ihrem Ex-Mann sprach. Es war nicht so, dass sie ihn nicht mehr liebte. Oder er sie. Manche Welten passten nur einfach nicht zusammen.
Sie wartete, bis das Telefonat beendet war und klopfte an. “Komm rein”, sagte ihre Mutter fast im selben Moment. Natürlich. Sie hatte sie sicherlich schon gewittert.
“Wie geht es dir?”, wurde Chloe dann begrüßt, die mit den Schultern zuckte. “Keine Ahnung. Ich gewöhne mich noch an den Gedanken. Habt ihr schon den rausgefunden wer das war?”
Sie hätte nicht übel Lust, diesen Vampir selbst endgültig über den Jordan zu schicken, vielleicht hörten die Alpträume dann endlich auf. Aber sie war Realistin, sie hätte keine Chance. Außerdem gab es genug Vampire in ihrem Leben (oder Unleben), die das gerne für sie erledigen würden.
“Los, versuch nur zu schreien, Prinzessin.”
Die Stimme wisperte so unvermutet und klar in ihrem Ohr, dass sie fast zusammenzuckte. Prinzessin… warum hatte er sie so genannt? Eine Masche für die Frauen die er umbrachte?
“Nein”, sagte ihre Mutter gerade. “Santiago und Rick sind an der Sache dran, aber uns fehlen Anhaltspunkte. Wer es auch immer war, war vorsichtig.”
Also lief der Kerl immer noch draußen rum. Frustriert biss Chloe sich auf die Unterlippe und fluchte gleich darauf. An diese verdammten Zähne würde sie sich nie gewöhnen.
Prinzessin…
So sanft Savannah im Umgang mit ihrem Ex-Mann auch sein konnte, ihre Tochter fasste sie nie mit Samthandschuhen an. Manchmal wünschte Chloe sich, sie würde es tun. Gerade jetzt war es mehr als angebracht, fand sie. Aber dafür war offenbar wieder einmal keine Zeit. Wichtiger war es, den Blutsauger zu finden. Sie mussten sich konzentrieren. Zu emotional an eine Sache heranzugehen brachte nichts, dann verlor sie den Blick für das wesentliche. Das galt bei der Arbeit der sie wohl nie wieder würde nachgehen können und auch jetzt.
“Er hat mich Prinzessin genannt… ich glaube, er wusste, wer ich bin.” Aber warum hatte er ihr dann sein Blut aufgezwungen, als er mit ihr fertig gewesen war? “Ich erinnere mich nicht an Details…”, nicht wenn sie wach war, jedenfalls. Wenn er noch mehr preisgegeben hatte, dann war das in dem Teil, den sie offenbar verdrängte. Egal. Sie konnte nichts erzwingen und musste mit dem arbeiten, was sie hatte. Sich des aufmerksamen Blicks ihrer Mutter bewusst, konzentrierte sie sich auf die paar Puzzleteile, die sie hatte. Wenn er gewusst hatte, wer sie war, dann war das alles Absicht gewesen. Warum? War es gegen ihre Mutter gegangen? Gegen das Rudel? Die Wächter? Ein Schlag gegen Savannah würde die beiden anderen destabilisieren. Die Wächter vielleicht sogar zerstören. “Habt ihr in der letzten Zeit einen Vampirclan aufgelöst?”, fragte sie leise. Rache? Es wäre ein gutes Motiv. Aber auch dann, wäre Chloe tot wäre das Signal doch viel deutlicher oder nicht?
Oder?
Gott, sie hasste Politik. Die Art, wie sich das Gesicht ihrer Mutter verfinsterte ließ vermuten, dass sie auf dem richtigen Dampfer war. Und dass ihr irgendetwas wichtiges vollkommen entging.
“Ja. Sie haben zwei Werwölfe angegriffen, einer ist tot. Wir haben nur den Vertrag durchgesetzt.” Sie knurrte. “Tamani hat mir gesagt, dass sie einige töten mussten. Einer der Überlebenden hat die üblichen Drohungen gegen mich gebracht. Nichts, was ich nicht schon kennen würde. Bisher hat keiner es gewagt, dir nahe zu kommen.”
“Wenn jemand schon alles verloren hat…”, begann Chloe und begann, unruhig auf und ab zu gehen. “Es ging gegen den Vertrag. Hättest du mich verstoßen, wärst du eine Heuchlerin gewesen. Würdest du dich rächen, auch. Tust du nichts… Ich hasse Politik!” Ohne sie wäre sie noch am Leben oder nicht?
“Ich werde nichts tun, was den Status der Wächter gefährdet. Aber ich werde diese Sache auch nicht auf sich beruhen lassen. Niemand, absolut niemand legt ungestraft Hand an meine Tochter.” Ein tiefes Durchatmen. Dann: “Ich fahre heute Nacht nach New York. Wenn ich zurück bin, sehen wir weiter.”
Okay, das Thema war also erstmal beendet. Chloe nickte knapp und wagte die Frage: “Beerdigung?”
“Ja. Keine Sorge, du wirst nicht alleine sein.”
Natürlich nicht, irgendwer aus dem Rudel würde ein Auge auf sie haben. Aber: “Rick hat angeboten, herzukommen.”
Sie sollte nicht so erleichtert sein, als sie das hörte, oder? Aber es war Chloe vollkommen egal. Auch, dass Rick vermutlich besseres zu tun hatte, als den Babysitter für sie zu spielen. Er hatte sie aufgelesen, als sie untot aufgewacht war und in diesem verfluchten Keller festgesessen hatte. Und er würde bei ihr sein, während in New York ein leerer Sarg oder eine Urne ohne ihre Asche beerdigt wurde.
Ihr Blick verschwamm und sie blinzelte ein paar Mal.
“Chloe…” Savannahs Stimme klang merkwürdig. Irgendwie klein. “Wenn wir alles geregelt haben, dann…” Sie sprach nicht weiter, aber Chloe kannte ihre Mutter gut genug. Dann war Zeit für Gefühle. Sie konnte es sich jetzt nicht erlauben, ihnen auch nur den geringsten Spielraum zu geben, denn dann würde es Tote geben, die es nicht geben durfte.
“Ich weiß. Ich verstehe es…” Es gefiel ihr nicht, aber sie verstand es. Die Integrität der Wächter stand über allem.
Verdammte Politik.

120 minuten, nocturne whispers, luina schreibt, sommerchallenge

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