Hostal-Archiv-Straße

Mar 19, 2010 19:53

Ich wurde mal wieder umgebettet, es wird immer luxuriöser. Vom Plastikhocker über den Holzstuhl zu zwei Polstersesseln nebst Tisch. Zwar nur zwei Betten hier, aber das eine davon Kingsize und mit harter Matratze, was dem geplagten Rücken ungemein gut tut. Meine Arbeitshaltung ist nämlich etwas unergonomisch zurzeit. Ich fotografiere Sachen ab, und weiß jetzt, wie sich ein Stativ fühlen muss. Dabei halte ich immer die Luft an, um möglichst wenig zu wackeln beim Auslösen. Macht sowieso keinen Spaß zu atmen in dem Staub.

Von dem jüngst geposteten Bild lässt sich schließen, dass das Archiv recht dreckig ist: Handschuhe trägt man ja sonst, um das Papier vor Feuchtigkeit und Fett der Hände zu schützen (bzw. um die Bibliothekare zufrieden zu stellen). Hier ist es eher Selbstschutz, man sieht wie schwarz die Finger schon sind. Das Problem sind die kaputten Schränke, da kommt der Staub überall rein. Falls die Bücher nicht bei den Erdbeben was abbekommen haben, die vermutlich Schuld am Zustand der Schränke sind. Vielleicht gleich Asche von Vulkanausbrüchen?

Hausmeister David hat mir den Mundschutz geschenkt. Er hat meinen Besuch zum Anlass genommen, die Fußböden der Bibliotheken mal zu putzen, dabei trägt er auch so was. Wie übrigens einige, die auf der Straße arbeiten. Straßenfeger, und Bauarbeiter ganz in orange, mit Hut und Brille (eher schwarz) und orangenem Mundschutz. Na meinem Halsgefühl nach zu urteilen nutzt es nicht viel.

Aber ich war (und bin) im Hostal…
Das Fenster geht zur Straße, was ein Nachteil wäre, wenn man nicht schwerhörig und schwermüde jeden Abend wäre. Aber so fügen sich die Automotoren in mein Bauchgrimmen (die Innereien finden immer noch einen absteigenden Ast, erstaunlich). Etwas lästig ist dieser Weihnachtsmann. Der Kollege hat ihn zuerst gesehen, und ich kann ihn nun nicht überhören. Es handelt sich um einen Mittfünfziger der - mal im grünen, mal im gelben Weihnachtsmannkostüm - abends auf der Straße vor der „Cuzco Coffee Company“ Schokolade verkauft. Das ist wortwörtlich zu verstehen, er steht zwischen den beiden Spuren der Einbahnstraße hier. Die gelockte Haartracht scheint echt zu sein und zu mindest die Weiße des Bartes, er sieht aus wie so ein indischer Asket (mit Bauch).

Diese Art der Straßennutzung ist normal hier aber für mich doch immer wieder erstaunlich. Von den Wasser-, Eis- und Süßigkeitenverkäufern in und um die Kombis in Lima hatte ich Euch ja geschrieben. Dort habe ich auch zwei Jungs in abgerissenen Klamotten gesehen, die auf der staubigsten, abgasintensivsten Kreuzung die man sich denken kann Räder schlugen und zusammen so einen Doppelflickflack machten.
Als ich vorgestern Mittag von den Mercedariern heim ging war an der Weihnachtsmannkreuzung eine braungebrannte junge Ausländerin, knapp bekleidet, die tanzte mit neonrosanen Flaggen an der Schnur (so wie man nachts mit Feuer tanzt). Das fand ich irgendwie anstoßend, wie sie sich so für Geld zur Schau stellte und quasi so tat, als wäre sie genauso arm wie Leute wie der Weihnachtsmann. Aber wahrscheinlich ist das rassistisch gedacht. Wahrscheinlich finde nur ich all diese Arbeiten erniedrigend. Oder, noch schlimmer: Ich finde sie normal für die Leute hier. Aber nicht für eine, die ein bisschen aussieht wie ich.
Previous post Next post
Up