something in german

Sep 15, 2006 23:13

(Kommentare natürlich erwünscht)

Zeit vergeht. Verrinnt, verstreicht und geht vorbei und mit ihr die Musik. Sie erfüllt das Zimmer, bringt die billigen Typhoon Boxen zum ächzen und lässt jedes Möbelstück sanft vibrieren. Es ist keine klassische Musik, eher etwas modernere, erfüllt von Synkopen, einer halbtonlosen fünftönigen Skala und ähnlichem worüber man eine ganze musikalische Arbeit schrieben könnte.

Doch es ist nur die Musik, nicht der Geist Antonin Dvoraks, der im Zimmer verweilt. Stattdessen ist es ein anderer Geist, beruhigt und gefestigt durch die Klänge der Symphonie. Das Largo beginnt.

Der Geist befindet sich im Körper eines jungen Mannes, welcher am Schreibtisch sitzt, unmittelbar vor den Boxen und dem schwach flimmerndem Monitor. Der Blick des Menschen verweilt auf einem Blatt Papier, ein Stift in der rechten Hand zuckt gelegentlich, wenn der eine oder andere Muskel sich zum Trotze bewegt.
Für zwei oder drei Sekunden ist es still.

„Mein Herz ist verstummt“ sagt er. Das molto vivace beginnt. Sein Herz schlägt wieder.
Gedanken sammeln sich, drängen die Schönheit des Werkes ab. Es sei schon eine düstere Welt da draußen, so denkt er. Kann man Menschen überhaupt vertrauen? Sind sie nicht alle irgendwie selbstsüchtige Bastarde, die nur auf der Suche nach Macht, Geld oder einem schönem Körper sind? Sind Freundschaften nichts anderes als dauerhaftes Ausnutzen?

Scheinbar ziellos kratzt der Kugelschreiber über ein Blatt Papier und erst nachdem ein Teil des Blattes mit nichts sagendem Gekritzel bedeckt ist formt die Hand des Mannes Buchstaben, dann Wörter, schließlich Zeilen, Verse.

Ein Hoch ihnen Herr Ritter
der sich aufmacht um der Gerechtigkeit willen
obwohl es klar ist
der Tod kommt in Form eines kalten Stücks Stahl
unpersönlich wie ein Ellbogenstoß in der Menge
und ebenso unschön.

Teilen sie die Welt ruhig in weiß und schwarz
stehen sie vor den weißen
und verfolgen sie die schwarzen
schlagen sie mit heißer Inbrunst zu
und treten sie mit Freude Schädel ein
es sind ja schließlich die schwarzen
und nicht die weißen dieser Welt die das böse tun?

Haben sie mal daran gedacht
das es vielleicht ein grau gibt?
Und nicht nur eines, sondern auch Variationen
reichhaltig wie die Farben in einem Saphir
sodass der Mensch der sie tötet
für sie ein weißer aber letztlich ein grauer ist
so kalt und hart wie seine Klinge
die keinen Unterschied ob der Farbe des Fleisches macht
wenn es überhaupt Farben gibt.

Ein Hoch für sie Herr Ritter
der da nun im Staub liegt und verblutetet.
Ohne Furcht und Verstand hat er sich aufgemacht
nun kennt er die Furcht
aber klüger ist er nicht.

Er glaubte an eine einfache Welt
und wurde von der Komplexität verschlugen.
Er weinte Tränen aus Silber, obwohl er sich für vergoldet hielt
als er sah das wir Menschen weder Gold noch Silber
sondern höchstes unreines Elektrum
im Spiel der lebenden Elemente sind.

Der graue der ihn tötete
glaubte selber silbern zu sein
doch war seine Mutter aus Kupfer
sein Vater feine Bronze
mit Spuren von Arsen.

Das Mädchen was er danach fand
schaute aus wie reines Lithium
doch war sie letztlich kein Metall
sondern sehr warm und organisch
genau wie die Menschen aus Metall
die vor ihrer Natur die Augen schließen.

So sind alle Widersprüche hingeschrieben:
keine Farben, kein Metall
keine Reinheit, nichts ist pur
das einzige was uns vereint
ist das wir alle Menschen sind
nicht perfekt und nicht so schön wie wir gern wären
doch einzigartig immerzu.

Und eben jenes Durcheinander
das unser Leben ist
sollten wir einfach genießen
und nicht verdrossen sein
von tiefen Schatten die es an jeder Ecke gibt.

Das Allegro con fuoco erklingt. Der Mann legt den Stift hin. Glaubt er tatsächlich an seine eigenen Worte, oder sind sie letztlich nicht real? Sind die Schatten dort draußen wirklich so tief wie sie scheinen? Ist Liebe nicht nur eine Illusion?
Er öffnet die Schublade und schaut auf das Messer, die Schneide stumpf und grau. Liebe ist keine Illusion. Menschen sind nicht tatsächlich böse. Und selbst wenn, so ist es egal. Er lächelt und schaut nach seinen Emails. Eine neue ist da, von ihr. Das lächeln wächst. Nun erklingt ein slawischer Tanz.
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