Ich sitze schon eine ganze Weile und lasse das verstreichende Jahr an mir vorüber ziehen. Es fällt mir schwer, einen Ansatz zu finden, um die Geschehnisse des Jahres zusammenzufassen. Größere Katastrophen blieben bei mir aus und so war das Jahr wohl einerseits davon geprägt, die Vergangenheit zu bewältigen und einzuordnen und andererseits auch davon, den Weg in eine Welt hier zu finden.
Dabei ist es nicht ganz einfach, fair zu bleiben und hier und da hat wahrscheinlich die Bemühung, mich abzugrenzen zu einer harscheren Beurteilung als verdient geführt.
Eigentlich wollte ich mich aus dem politischen Geschehen raushalten. Ich würde mich als politischen Menschen bezeichnen, doch die Entwicklung in Deutschland zeigt eine Aggressivität der Lager bei einer sehr starken Polarisierung derselben. Da fühle ich mich nirgends aufgehoben - außer vielleicht der Partei, denn tatsächlich scheint es mir so zu sein, als würden Inhalte überwunden und Politik sei Werbeveranstaltung. Quasi eine Verkehrung dessen, wie es eigentlich sein sollte: Nicht mehr gehen Politiker mit einer Idee, wie es laufen sollte an eine Aufgabe heran und werben dann anschließend für ihre Lösung, sondern umgekehrt lassen sie sich von Werbemanagern sagen, was ihre Kunden als Aufgaben empfinden und welche Lösung sie dazu anbieten sollen. Das wurde überdeutlich bei der Europawahl. Im Wahlkampf wurde die Bedeutung Europas und der Idee eines geeinten Europa hervorgehoben, auch um die Faschisten einzudämmen. Das Ergebnis aber war, daß man nach der Wahl die Versprechen von vor der Wahl ignoriert hat und mit Uschi Vertuschi eine Unionspolitikerin in die EU entsorgt hat, die das Erbe Merkels in Brüssel antritt. Ehrlich gesagt hatte ich gehofft, Merkel dort zu finden, aber sie hat wohl wirklich vor, ihre Kanzlerschaft abzusitzen.
Eigentlich sollte man (nicht nur) in der Politik Probleme benennen und dann Lösungen dafür finden. Ich hatte mich im letzten Jahr, wie auch die Jahre zuvor für Umwelt- und Naturschutz interessiert: meine Lieblinge sind bekanntlich Wildkatzen und die europäische Sumpfschildkröte. Bereits in der Schweiz kamen Wolf und Luchs (und in geringerem Umfang der Bär) als Tierarten hinzu, für die ich mich einsetze. Tierarten, die wieder hier einwandern. Ein Vorgang, den man aus viellerlei Hinsicht positiv bewerten kann und muß. Natürlich bringen Großraubtiere auch notwendige Änderungen mit sich, vor allem für Jäger und Bauern. Nichts, was man nicht handhaben könnte. Doch grade 2019 wurde die Propagandamaschine gegen eine Gesundung, oft sogar gegen den Erhalt der Natur massiv angeworfen mit dem Ziel, die wirklichen Probleme zu ignorieren und alles zu lassen wie es ist. Die Diskussion will ich in diesem Rückblick gar nicht wiederholen, aber die Stimmung, die erzeugt wurde, war typisch für dieses Jahr.
Ein international typisches Szenario war, daß die eine Seite mit Fakten und Wissenschaft ein Problem beschreibt und die andere Seite diese Fakten einfach pauschal als Lüge diffamiert. Trump hat den Begriff Fake News dafür geprägt.
Ein vieldiskutiertes Thema war die CO2-Steuer. Eine CO2-Steuer ist kein Selbstzweck. Natürlich muß man diskutieren, ob eine solche Steuer überhaupt etwas bewirkt. Ich halte die Annahme, die Leute würden ihr Verhalten schon ändern, wenn der Preis nur hoch genug ist, für ziemlich schräg. Der wissenschaftliche Dienst
argumentiert dort auch sehr dünn, finde ich (eigentlich gar nicht - es wird lediglich die Zulässigkeit geprüft). Praktisch wurde diese Steuer und das gesamte Paket dann bis zur Lächerlichkeit hin abgeändert. Ich halte das auch verfassungsrechtlich für bedenklich, weil der Politik zurecht enge Grenzen gesetzt werden, in einer freien Gesellschaft Verhalten zu steuern oder genauer zu erzwingen. Wieder einmal wäre ein logisch korrekter Weg vielleicht besser gewesen. Beispielsweise: CO2-Ausstoß kostet die Gesellschaft Geld: Dämme müssen gebaut werden, Gesundheitskosten müssen getragen werden etcetcpp. Also müssen diese Kosten beziffert und auf die Gesellschaft umgelegt werden. Ein ganz anderer Ansatz zu Argumentieren und in der Folge werden auch Probleme dieses Ansatzes sichtbar, zum Beispiel, daß CO2 nicht vor Grenzen Halt macht. Auch die Erziehung von freien Bürgern macht nur Sinn, wenn man eine Wahl hat. Ansonsten sind es diktatorische Zwangsmaßnahmen, die zudem nur die ärmeren Leute treffen. Ob man, wie der wissenschaftliche Dienst, die Steuer als Verbrauchssteuer sieht ist für die Beurteilung aus gesellschaftlicher Sicht nur am Rand bedeutsam. Wichtig ist doch, ob wir einen Staat wollen, der seinen Bürgern vorschreibt, wie sie zu leben haben und wie nicht. Somit ist eine Diskussion durchaus berechtigt.
Die unselige GroKo ist aber generell ein undemokratisches Monster, das den Eindruck, man hätte keine Wahl, bestärkt. Hat man aber keine Wahl hat man auch keine Demokratie. Daß sie existiert widerspricht auch explizit dem Wählerwillen. Das Wahlergebnis kann man in vielen Punkten sicher diskutieren. Daß die GroKo abgewählt wurde ist aber unumstritten. Die auf die Wahl folgende Unfähigkeit, eine Regierung zu bilden wird von der Unfähigkeit der Regierung noch übertroffen.
Daß Klima, CO2, Geschwindigkeitsbegrenzung auf Deutschen Autobahnen wieder zum Thema wurden wird gerne einem Teenager zugesprochen, der irgendwann mal beschlossen hat, Freitags die Schule zu schwänzen und dadurch auf die Untätigkeit der Politik aufmerksam machen wollte.
Das Mädel wurde als Sprecherin einer Gruppe ausgewählt, die recht unhöflich und respektlos ihre Ansichten, erstmals auf dem WEF in Davos vorgetragen hat.
Nichts Neues eigentlich
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und somit war ich überrascht von dem überwältigenden Echo auf Thunbergs Variante der Rede. Tatsächlich ist das Thema seit dem Ende der 70er bekannt und hat eben zu diesen Konferrenzen geführt.
Ich fand in diesem ganzen Zusammenhang vor allem die quasireligiöse Verehrung der Anhänger genauso wie den abgrundtiefen Haß der Gegener der Person Greta erstaunlich. Dafür, daß es nur um Awareness geht kommt mir das arg viel Bohei vor. Aber immerhin: das Thema steht wieder auf der Tagesordnung. Das muß man anerkennen. Wenn ich es auch befremdlich finde, daß einem Teenager 2019 eher Gehör geschenkt wird als Wissenschaftlern über den Zeitraum der letzten 40/50 Jahre. Kritisch sehe ich, daß das Thema massiv verengt und reduziert wird. Der
Global 2000 Report (der 1979 entstand -
hier die deutsche Übersetzung als PDF) gibt einen etwas weiter gefassten Fahrplan. Natürlich ist der heute nicht mehr ganz aktuell, könnte aber eine Idee geben, welche Probleme global anstehen würden.
Ein großes globales Problem waren seit jeher die USA, die sich gerne über die Weltgemeinschaft stellen und Teilnahme als optional empfinden. Gleichzeitig überziehen sie die Welt mit einem Krieg nach dem anderen, Foltern, Morden, brechen internationales und Menschenrecht, üben Verrat an ihren Verbündeten ... nach allen objektiven Kriterien sind sie kein Verbündeter, den man freiwillig wählen würde. In der 2019er Installation haben sie einen Präsidenten, der soweit ich es zurückverfolgen kann erste, der keinen Krieg angefangen hat, aber dennoch unermesslichen Schaden anrichtet. Meine Hoffnung, dieser Unsympath im Amt würde zu einer Emanzipation Europas gegenüber den USA führen hat sich nur teilweise erfüllt. Hier scheint man immer noch auf die USA nach Trump zu hoffen. Und natürlich will man den Markt nicht verlieren. Gleichzeitig verstehe ich den künstlich wieder aufgenommenen Konflikt des Westens mit Russland nicht. Natürlich ist das Putin-Regine nicht das sympathischste, aber seit wann interessiert Sympathie die internationale Politik? Daß man die VR China gegenüber dem demokratischen und weltoffenen Taiwan bevorzugt - eigentlich sogar Taiwan als Verbündeten fallengelassen hat (allerdings bereits in den 70ern) finde ich bedenklicher, genauso den Umgang mit Saudi-Arabien. Im eigenen Lager sind Erdogans Türkei zusammen mit den USA und dem zerbröselnden UK Krisenherde, die sich weiter entwickeln werden. Warum also künstlich einen eigentlich überwundenen Konflikt wiederbeleben? Die Amis suchen natürlich eine Entschuldigung für Trump - und die Demokraten bringen es nicht fertig, die Schuld im eigenen Lager zu suchen. Da kommt ein altvertrautes Feindbild grade recht. Könnte es so sein?
Generell scheint es, die Schwachmaten werden in der Politik immer mehr nach oben geschwemmt. Das könnte ein Problem des Systems sein, welches eine informierte Wählerschaft voraussetzt. Hat man BILD-Leser auf der einen, Wirtschaftsverbände und Werbefuzzis auf der anderen, entsteht eine Herrschaft des Mobs, der von (den Wirtschafts-) Verbänden bzw. starken Lobbys gesteuert wird - das ist allerdings selbstzerstörerisch. Darüber habe ich mir 2019 viele Gedanken gemacht und werde das sicher weiter tun.
Es gibt viele, die von Digitalisierung sprechen, von einer digitalen Revoluton sogar. Das Thema kann man aber nicht von Wirtschaft und Gesellschaft lösen. Und in einer globalisierten Welt hat das Problem auch eine globale Dimension, was durch den dank Klimawandel wahrscheinlich enstehenden Migrationsdruck, gegen den die Völkerwanderung harmlos war, eine chaotische Dimension mit unvorhersehbaren Folgen erreichen könnte. Zeit, ein neues Utopia zu denken? Das könnte mich 2020 beschäftigen - den Versuch, über den ganzen Detailproblemen ein ordentliches Ganzes zu bauen ist der Job des Philosophen (nicht, daß ich mich als Philosophen sehe - aber immerhin versuche ich, selbst zu denken). Spontan erscheint es mir schwierig, ein Mittel wie Informationstechnologie (als Oberbegriff des Digitalen verstanden) als Kriterium der Gesellschaft zu sehen. Vor allem, da es in Konkurrenz zum Geld steht. Mache ich mir Gedanken darüber, wie eine Gesellschaft gebaut werden sollte kann Digitales (Robotik, Computertechnologie etc.) Mittel sein - und natürlich ist es ein mächtiges Mittel! Egal ob Twitter oder Facebook - die digitalen Medien haben Einfluß auf unsere Gesellschaft. Online-Banking und Robotik begegnen uns im täglichen Leben. Indirekt werden Arbeitsabläufe weiter optimiert und Menschen von Aufgaben entlastet. Gleichzeitig sind andere Aufgaben unverzichtbar - die gesamte Ordnung der arbeitsteiligen Gesellschaft steht zur Disposition. Doch was ist der Zweck eines Staates - Nationalstaaten sind nicht mehr zeitgemäß, doch wieder im Aufwind. Spießer und Nationalkonservative erklären den Nationalstaat zum Selbstzweck und zum Bollwerk gegen die eingebildete Invasion von Migranten. Wie gesagt: das wird mich 2020 sicher weiter beschäftigen.
Im letzten Jahr begann ich mit reduzierter Fotoausrüstung: ich hatte die Agfa Super-Isolette und die Rolleiflexen (später auch die Rolleicord) für Mittelformat, die Contax für Kleinbild und hier und da die kleine Olympus für Digitalknipserei genommen. Im Herbst dann habe ich fast überall die Digiknipse mitgenommen, damit ich mit schwierigeren Lichtsituationen umgehen konnte und auch innerhalb von Gebäuden fotographieren konnte. Die Ausrüstung hat sich, im Großen und Ganzen,
bewehrt, finde ich. Die Ergebnisse sind teilweise ganz
ansehnlich, denke ich. Ich habe hier oft eher zuviele Fotos gepostet - das läßt sich vielleicht etwas reduzieren. Problem dabei ist, daß ich Fotographie auch dokumentarisch nutze und noch nicht weiß, welche Fotos ich "künstlerich wertvoll" finden werde - also interessant auch für andere. Das ergibt sich oft erst im Verlauf der Zeit. Das lasse ich auf mich zukommen.
Die Fotoausflüge als solches waren 2019 auf die Region fokussiert mit einem Ausflug auf den Darß. Das war äußerst ergiebig. Wo ich nun hin will und was eine große Aufgabe sein wird ist, die Schönheit dieser Gegend, der Taunusregion, einzufangen. Das ist eine subtilere Schönheit als die monumentalen Alpenlandschaften, die ich die letzten Jahre fotographiert hatte. Vielleicht typisch dafür war mein Versuch, die hiesige Apfelblüte einzufangen. Am besten gelang mir das wohl im eigenen Garten
weniger gut meine Versuche in der Landschaft
nicht schlecht, ja! Aber das hat noch sehr viel Potential!
Immer wieder taucht die Frage auf, warum ich keine Menschen fotographiere. Die Idee, ein bißchen Street zu fotographieren, hat sich festgesetzt. Doch prinzipiell ist der Fotographie ein enger Rahmen gesetzt und man muß eigentlich bei jedem Foto fragen und am besten einen Vertrag schließen - das ist mir zu albern! Was Models anbelangt - das Konzept, einen Menschen, in der Regel ein hübsches Mädchen, zu fotographieren, finde ich nichtssagend. Die meisten Models sind ja nicht einmal hübsch! Vor allem auf Instagram. Die meisten Fotos sind nichtssagend. Will ich ein gutes Portrait gestalten sieht die Welt anders aus. Dann entstünden Charakterstudien. Auf Instagram habe ich bezeichnenderweise zwei Models, die ich verehre: wunderschön, klug, sehr gebildet und kunstinteressiert und beide machen das Modeln nur, weil sie schließlich schön doof wären, das nicht mitzunehmen.
Victoria und
Mariya.
Model kann man für mich schon sein, aber ich mache Charakterstudien, was untauglich für die ganzen Models ist, die vor allem schön gefunden werden wollen. Da kann man auch philosophisch werden, ignoriert das doch die gnadenlose Zeit, entspricht dem Jugendwahn und spiegelt die allgegenwärtige Oberflächlichkeit wieder, die heutzutage nicht mehr versucht wird, beschämt zu verdecken, sondern stolz zur Schau gestellt wird. Wobei ich nichts gegen Schönheit habe - genau das will ich ja mithilfe des Mediums Fotographie darstellen (unter anderem), aber da geht es um Eitelkeit - im Prinzip wird spießig der Krämergedanke der Vermarktung propagiert und es wird sich angebiedert. Da kommt auch mal was Schönes raus, klar! Als Konzept ist das aber nicht meins, im Gegenteil ist es künstlerisch ein Konzept, das ich bekämpfe.
Oh - habe ich Kunst gesagt? Es ist heikel! Ich empfinde mich nicht als Künstler. Ich versuche natürlich, anspruchsvolle Fotos zu machen. Der Begriff kommt aber nur ins Spiel, weil so viele Fotographen sich als Künstler darstellen, ihr Kunstverständnis aber bestenfalls technisch ist (über die Rolle der Technik in dem Zusammenhang könnte ich mich auch lange auslassen). Gegen die grenze ich mich ab - und dabei ist es schwer, ohne den Begriff Kunst auszukommen. Auf meine Person bezogen würde ich eher vorziehen, auf den Begriff zu verzichten. Auch 2020 geht es mir dann darum, Schönheit einzufangen - oder eine besondere Stimmung zu transportieren; vielleicht im Sinn von Ästhetik oder angewandter Philosophie (wobei der philosophisch zentrale Bestandteil des Begriffs, in diesem Zusammenhang also des
Bildinhalts sich aus dem Bild ergibt, quasi als Einheit von
sinnlichem Empfinden gegenüber dem
Begriff des Dargestellten. Auch da lohnt sich ein vertiefter Blick).
Dazu kommt bei mir natürlich, nicht abgegrenzt von der eher tiefsinnigen Fotographie, die schlichte Dokumentation von Ausflügen. Das hat mir Freude gemacht und oft ergibt sich eine Verbindung von Dokumentation des Ausflugs zu etwas Bedeutungsvollerem. Das gefällt mir, weil es mir wie ein natürlicher Prozess der Reifung vorkommt. Echte Bildung, sogar im Wortsinn (in dem Wort Bildung steckt der Wortstamm von Bildnis drin und bilden kann je nach Kontext sowohl Bildung erwerben als auch gestalten bedeuten)!
Was dieses Jahr kaum eine Rolle spielte war die Musik. Wenn man überlegt, daß Klein-Thomas schon im Kindergarten begeistert auf seiner Spielzeuggitarre herumklimperte und das eigentlich das letzte halbe Jahrhundert so weiterging und ich ohne Instrument nicht vollständig war ist kaum vorstellbar, daß ich in diesem Jahr 2019 eigentlich nur Instrumente verkauft habe und ansonsten meine Musik irgendwie abgewickelt habe. Das hängt vielleicht mit der Reifung zusammen, auf die ich on dem Abschnitt über Persönliches sicher noch mehr sagen werde. Die Musik war für mich Mittel, mich auszudrücken und gleichzeitig auch Versteck. Über viele Jahre wurde mir auch immer wieder gesagt, ich könne das gut und diente damit auch dazu, auch in schwierigen Zeiten einen Rest Selbstwertgefühl zu behalten. Im Laufe der Jahre ging das wohl verloren. Mich hat auch das Konkurrenzdenken zunehmend angeschissen. In meinem Empfinden gibt es bei Musik kein besser oder schlechter, sondern es gibt ästhetische Urteile wie gefällt mir oder gefällt mir nicht. Wenn man nun öffentlich Musik macht ist das keine Privatsache mehr. Und man muß sich dem Urteil der Menge stellen, egal ob sie in quantitativen oder ästhetischen Begriffen urteilen - sie urteilen auf jeden Fall. Und ich bin es leid, beurteilt zu werden. Darum habe ich Musik in die Privatsphäre verbannt - die Idee, öffentlich zu musizieren entstand eh aus dem jugendlich-naiven Gedanken heraus, zu Musizieren sei eine Fähigkeit, die Freude bereiten kann und es sei asozial, diese Fertigkeit für sich zu behalten. Tatsächlich warten die meisten Zuhörer aber wohl darauf, ob und daß man sich blamiert. Das kann ich mir auch schenken. Tief in meinem Inneren wünsche ich mir zwar, mein Geklimper fände Gefallen. Das sind aber Träume, die den Aufwand nicht lohnen. Natürlich habe ich auch Leute, denen gefällt, was ich spiele und mir is es ein Bedürfnis, mich mittels meiner Musik auszudrücken. Aber dieser naive Gedanke, man verbreite Freude - den hat die Zeit und die Erfahrung abgetötet. Im kitschigen Bild wäre das der Teenager, der Gitarre spielt, um die Mädels herumzukriegen - die aber auf den Drummer stehen.
Somit geht es mir bei der Musik darum, ihr einen neuen Platz in meinem Leben zu geben. Sicher will ich wieder spielen - für mich und um mich selbst auszudrücken. Doch in die Öffentlickeit muß ich nicht mehr damit. Das wird eine Aufabe im neuen Jahr - natürlich habe ich bereits eine Richtung, die ich
hier schon skizziert hatte. Ich hatte auch einige Gruppen gesehen, die Mitstreiter suchen. Vielleicht wäre ich willkommen? Das schaue ich mir im neuen Jahr sicher genauer an.
Meine Persönlichkeit ist natürlich eine Konstante - Spaß beiseite! Als ich in die Schweiz ging hielt ich mich mit meinen noch nicht mal 40 Jahren für einen erwachsenen Mann. Dieser Mann kommt mir heute naiv vor. Damals gab es Ergeiz und Ziele - Materielles war bei mir eigentlich immer Nebensache. Doch ein Begriff wie Erfolg war damals noch sehr von Außen bestimmt: andere sollten gut finden, was ich tue und wie ich es tue. Diese Selbstbestätigung von Außen treibt natürlich an - man bekommt sie und will mehr. Die Basis unseres Systems liegt genau darin begründet. Und worauf gründet das? Das ist wohl unser Wunsch, geliebt oder wenigstens gemocht zu werden. Da wir der Gefühle der Gegenüber nie sicher sein können treibt uns das immer weiter an und sorgt für einen niemals zu stillenden Durst nach Anerkennung. Manche suchen sie im Applaus eines Publikums, manche in Geld, manche in Schlagzeilen, manche in akademischem Ruf, manche in der Liebe der Familie - selbst, wenn sie da ist wird der Antrieb nie erlöschen, denn jedes erreichte Ziel wird von einem neuen abgelöst werden.
Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wenn die Entwicklung in der Schweiz anders verlaufen wäre. Nachdem in in die Innerschweiz gekommen war, war mir schon während der Probezeit klar, daß die Kollegen mich nicht mögen, dafür aber mobben und dissen würden. Es war eine sehr quälende Zeit. Meine Hoffnung war, entlassen zu werden und auf diese Weise von der Arbeitslosenversicherung finanziert in Ruhe eine neue Stelle suchen zu können. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt und so musste ich eine Arbeit machen, die ich nicht wollte und die an meiner Qualifikation vollkommen vorbei ging und nichts mit dem Job zu tun hatte, der mir versprochen worden war. So mußte ich in dem Job verharren, bis sich die finanzielle Lage entspannt hatte und ich raus könnte. Gleichzeitig würden meine Chancen sinken, je länger ich aus meinem eigentlichen Job draußen war. Mich in dem aktuellen Job wirklich zu bewehren war aufgrund der Hierarchie und Organisation unmöglich. Das war eine blöde Situation, aus der ich erst jetzt vor einem Jahr durch Kündigung entkommen bin. Die Spannungen waren zum Schluß nicht mehr ganz so unerträglich, wenn ich auch jeden Tag angespannt in die Firma gegangen war. Mein Zeugnis aus der Firma ist hervorragend und natürlich habe ich gute Arbeit geleistet - auch gegen Widerstände, doch es war nicht die Arbeit, die ich eigentlich gut kann. Da hat die Firma auf unglaublich viel know-how verzichtet. Das hat dann dazu geführt, daß sich mein Leben auf anderes konzentriert hatte. Und tatsächlich irgendwann so etwas wie Zen sich bei mir eingefunden hatte. Ergeiz? ... Warum? Durch die zunehmende Abschottung ergab sich, daß von außen stammende Anerkennung für mich immer weniger Bedeutung hatte. Innere Verfeinerung an Geschmack und Bildung gewannen und gewinnen dagegen. Anstossen oder unangenehm auffallen will ich nicht, aber ansonsten entwickelt sich Schlichtheit zu meinem neuen Lebensgefühl. Selbstbewußtsein ist eben nicht, daß man sich selbst toll findet sondern an sich arbeitet - die Idee von sich selbst weiter entwickelt und weiter realisiert. Was will ich sein? Was kann ich sein? Und wie komme ich dahin?
War es früher mein Wunsch, Freude zu verbreiten - fast schon manisch wollte ich die Welt als einen besseren Ort verlassen als ich sie kannte und besessen war ich wohl davon, andere nicht nur nicht zu stören, sondern wollte ihnen Gutes. Nach meinem Tod sollten die Menschen sagen "Thomas war ein guter Mensch". Nun tja. Das gilt auch heute noch. Aber ich habe gelernt, daß ich keinen EInfluß darauf habe, ob Menschen mich mögen oder nicht. Wenn sie mich für dumm oder naiv halten - sollen sie! Früher hat es mich oft geärgert, wenn die Leute meine Höflichleit mit Dummheit verwechselt haben. Ich neige dazu, ungerecht zu werden, wenn ich zurückschlage. Und wenn ich erst einmal anfange, jemanden vorzuführen kann ich nicht mehr aufhören. Das will ich vermeiden, weil das über reines Verletzen hinaus geht. Daß die Leute dann im Gegenzug mich verletzen - geschenkt. Das tut zwar weh, ist aber letztlich nur gekränkte Eitelkeit. An der kann und muß ich arbeiten. Doch Auseinandersetzungen mit den meisten Leuten kann ich vermeiden, indem ich einfach nicht reagiere oder Banalitäten von mir gebe. Man lernt nebenbei sehr viel über diese Menschen. Es ergeben sich freilich weniger Gelegenheiten dazu, Menschen Gutes zu tun.Ich habe mich 2019 gefühlt etwas weiter von den Menschen zurückgezogen und mehr in mich hinein begeben. Das ist vielleicht bedauerlich, doch kam ich mir gegenüber enigen Leuten vor, als sei ich aufdringlich. Andererseits muß irgendwer schließlich Initiative zeigen, damit etwas unternommen wird. Das wird sich im neuen Jahr vielleicht einpendeln. Mal schauen.
Gesundheitlich gind es zum Anfang 2019 übel los. Natürlich gibt es unzählige Menschen, denen es vielviel schlimmer geht als mir! Doch die Schmerzen im Knie und andere Beschwerden waren mehr als lästig. Im Sommer haben sie tatsächlich dann zu einer Verhaltensänderung geführt, weil ich mit Freunden bei einer Veranstaltung war und irgendwann nur noch Schmerz empfunden habe. Das war nicht lustig. Daraufhin habe ich solche Veranstaltungen gemieden, wo ich mit den Freunden zusammen hin und wieder weg muß. Inzwischen achte ich auf eine individuelle Fluchtmöglichkeit. Derartige Veranstaltungen waren aber auch keine mehr bzw. wenn, dann bin ich alleine hin gegangen. Sozialleben ist nicht grade meine Spezialität.
Der Onkel Doktor findet nun zum Jahresende eher eine gesundheitliche Verschlechterung während ich subjektiv, weil weniger von Schmerzen geplagt, mich im Jahresverlauf eher besser gefühlt habe, sogar für 2020 vorsichtig wieder das Fahrrad in Erwägung ziehe. Aber da bin ich sehr, sehr vorsichtig.
Und 2020 dann?
Die charakterlichen Ziele sind vor allem, weiter daran zu arbeiten, weniger eitel zu sein und intelektuelle Überheblichkeit nicht nur nicht zu zeigen, sondern möglichst gar nicht erst zu empfinden. Dabei kann es ein Problem sein, sich nicht unterbuttern zu lassen. Typisch ist schließlich die Situation, in der ich zur Zustimmung aufgefordert werde. Wenn ich sie verweigere bin ich in einer Diskussion, wenn ich sie erteile lüge ich. Weise wäre wohl, sich solchen Situationen zu entziehen. Da muß ich dran arbeiten - bislang hat das nicht so recht geklappt.
Außerdem denke ich, daß Bescheidenheit und Schlichtheit auch, in meinem Fall durch Musik und Fotographie, ausgedrückt werden können. Ein Spagat könnte noch sein, einerseits zu Fotographieren und die Fotos auch in irgendeinem Rahmen zu zeigen und dabei angemessen bescheiden zu sein. Somit Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl mit Zurückhaltung zu vereinen. Das gleiche Problem, das sich bei Auftritten mit der Laute ergeben hatte und warum ich Auftritte meiden will (also mich nicht mehr aktiv darum bemühe, um es korrekt zu formulieren).
Problematisch ist ja auch, daß ich den Austausch mit anderen als intelektuell bereichernd empfinde. Es geht nicht, in sich selbst zurückgezogen zu leben und gleichzeitig einen intelektuellen Austausch zuzulassen. Wahrscheinlich wird deutlich, daß ich Epikur folge, der den Mittelweg zwischen den Extremen empfiehlt. Die Begriffe, um die es sich drehen soll sind aber nun gesetzt und somit geht es 2020 darum, das Schwingen des Pendels zwischen den Extremen zu kontrollieren
Finanziell kam ich über die Runden - es gibt Menschen, die denken, weil mir ein Haus gehört, müsse ich reich sein. Tatsächlich habe ich knapp über Hartz IV zur Verfügung und kann das ein wenig durch Verkäufe von Instrumenten etc. aufstocken. So habe ich vor, auch im nächsten Jahr irgendwo hinzufahren. Ich bin noch unschlüssig, weil es schon doof ist, alleine zu verreisen und ich unsicher bin, wie gut die ollen Knochen mitspielen. Es geht natürlich alles, aber es soll schließlich auch Spaß machen! Und finanzierbar soll es auch sein. Eben: das wird bei mir aus der Substanz bezahlt.
Gesundheitlich kann man nur ganz wenig beeinflussen. Gesund leben, bewegen - blablabla. Das wird gerne erzählt und klingt ungemein bedeutsam, hilft aber nicht gegen Schmerzen und kaputte Knochen. Nein! Das habe ich alles so oft diskutiert. Die Besserwisser gehen mir langsam auf den Sack. Es spielt keine Rolle für mein Leben, denn egal wie: der Gesundheitszustand ändert sich nicht von heute auf morgen, schon gar nicht zum Besseren und somit setzt er einen Rahmen, innerhalb dessen ich mich bewegen muß (hahaha - kaputte Knochen und bewegen - hahaha)
Meinen Garten möchte ich weiter ausbauen. Er wird kein klassisches Schmuckstück - das soll er auch gar nicht werden, sondern eher in Zen-Tradition schlicht sein, aber mit ökologischer Komponente. Und schon 2019 bot er im Kleinen jede Menge Sehenswertes
Ob sich zum Garten eine soziale Ebene hinzu gesellen wird - wer weiß? Ich hatte sie mit gedacht. Aber es muß ja nicht sein.
Wie jedes Jahr habe ich sicher vieles vergessen, aber ich meine, einen brauchbaren Überblick über 2019 mit einem Ausblick auf mein 2020 geboten zu haben.