Nov 12, 2019 08:00
Als ich ein Rezept beim Doktor abgeholt hatte, drückte mir der Arzt meine medizinischen Unterlagen aus der Schweiz in die Hand mit dem Hinweis, sie würden so etwas nicht aufbewahren. Merkwürdiges Land hier, in dem Ärzte keine Krankenakten pflegen. Nun denn ...
Natürlich habe ich mal kurz reingeschaut und angesichts eines bevorstehenden Kontrolltermins angeschaut (war auch nicht ganz einfach, den zu bekommen: wenn mir eine Sprechstundenhilfe erzählt, das sei nur alle 3 Jahre vorgesehen und das müsse der Arzt entscheiden ist die Wahrscheinlichkeit, daß ich noch einmal anrufe und nach einem Termin frage nahezu null. Ich habe nur einen, weil der Arzt mich geschnappt hat, um mir die Unterlagen zu geben).
Wenn man dann so schwarz auf weiß sieht, was man so alles hat gibt es schon zu denken. Dieser Post dürfte für die meisten vollkommen uninteressant sein, weil ich die Panik, die ich ab und an empfinde nicht in Worte fassen kann. Auch nicht den Umgang mit Schmerzen. Das kommt dann als Geflenn oder Geheul an - was es nicht sein soll. Zarte Versuche, Hinweise auf gesundheitliche Einschränkungen im Freundeskreis zu geben, werden sowieso falsch wahrgenommen. Da bleibt dann nur, sich rauszunehmen, was auch doof ist und natürlich Unverständnis hervor ruft. Doch etwas, was sich nicht in einem oder zwei Sätzen beschreiben läßt, wird nicht wahrgenommen. Und generell wird alles auf das Offensichtliche reduziert, was ich nicht mehr hören kann: "Du mußt abnehmen", "Trink nicht so viel" ... daß ich ab und zu zuviel trinke, um nicht Schmerzmittel nehmen zu müssen, die auf Dauer genommen eher tödlich sind als Alkohol, nimmt man nicht wahr, 3 Bier aber schon. Daß man abnimmt, indem man hungert und der Körper auf Hunger mit "Du stirbst" reagiert und man durch Hungern sein natürliches Fressverhalten vollends ruiniert, wird gleich gar nicht wahrgenommen. Man ist ja selbst dran schuld. Und letzteres habe ich vollkommen gefressen. Natürlich hätte ich nie mit Rauchen anfangen sollen. Das weiß ich schon. Das Gemeine an dieser Sucht ist, daß die Schäden erst in höherem Alter wirklich spürbar werden und der Entzug in der Regel neue Probleme zusätzlich schafft, eben in nahezu 100% legt man gewaltig Gewicht zu und häufig kommen auch noch Kreislaufprobleme hinzu. Außerdem hilft der Begriff der Schuld nicht bei der Lösung eines Problems.
Kurzum: der Versuch, für gesundheitliche Einschränkungen um Verständnis zu bitten, ist zum Scheitern verurteilt. Darum macht Krankheit auch einsam, weil man Situationen, in denen die EInschränkungen offensichtlich würden, meidet und das bedeutet fast automatisch, Sozialkontakte zu meiden.
Aber hier will ich mir eigentlich Gedanken über das Fortschreiten bzw. den Stand der jeweiligen Krankheiten machen
Kreislaufprobleme:
ich müßte mehr Sport machen. Nach dem Versuch, das zu realisieren gab es massive Probleme mit dem Knie, die zu längerer Pause zwangen. Nun in reduzierter Version wieder aufgenommen und der Kreislauf macht nur in Belastungssituationen (physisch und psychisch) noch spürbare Probleme. Tendenz ist eine leichte Besserung gegenüber letztem Jahr, aber immer noch weit von "gut" entfernt
COPD:
Scheiße ist's! Das wird nicht besser, ist auch nicht zu erwarten. Etwas, was mir sehr große Sorgen macht, weil das kann in Verbindung mit den anderen Übeln zu einem recht plötzlichen Tod oder Totalausfall (Schlaganfall oder so) führen. Davon abgesehen ist das eine wesentliche Einschränkung bei körperlicher Betätigung. Und es wurde wirklich schlechter im Vergleich zum letzten Jahr. Da das ein schleichender Prozeß ist kann ich das nicht genau sagen, aber das Gefühl, schlecht Luft zu bekommen ist häufiger und es wird schwieriger, das zu bekämpfen.
Schlafapnoe:
Ursprünglich das übelste der Probleme, weil Schlafmangel einen blöd werden und körperlich zu einem Wrack mutieren läßt. Auch, weil Depressionen und andere psychische Probleme fast zwangsläufig dazu kommen. Bei mir jedenfalls war es so. Das ist dank Behandlung nicht mehr so sehr das Problem. Ich achte darauf, möglichst mehr als 7 Stunden Schlaf zu bekommen. Das hilft schon mal. Doof ist, daß die COPD hier für Schmerzen sorgt und ich darum oft nachts/frühmorgens aufstehe und erst einmal eine halbe Stunde auf das Abklingen der Schmerzen warte, bevor ich mich dann wieder hinlege. Was in dem Zusammenhang neu ist ist, daß ich inzwischen zu Mittagsmüdigkeit neige. Das muß ich verfolgen und dann nächstes Jahr dem Schlafmediziner vorstellen. Keine Ahnung, woher das kommt und wie kritisch das sein könnte. Große Gedanken mache ich mir nicht, da ich das im Zusammenhang mit einem neuen Tagesablauf sehe.
Gallensteine:
Das war früher extrem schmerzhaft und kam recht häufig vor. Allopurinol (zur Regulierung der Harnsäure) und eine geänderte Ernährung haben dafür gesorgt, daß mir das seit längerem erspart geblieben ist.
Gicht:
Die ist dank Allopurinol unter Kontrolle. Ich hatte die Medis mal in den Ferien vergessen und das Zeugs nur eine Woche nicht genommen. Aua! Das hat zu Wochen unter Schmerzmitteln geführt.
Bursitis:
aktuell ein Hauptproblem: viel Bewegung gibt viel Belastung auf die Gelenke und darauf reagieren die Stoßdämpfer/Schleimbeutel gerne gereizt. Ich reagiere inzwischen nach Möglichkeit auf die Schmerzen und versuche, Belastungen nicht so stark werden zu lassen, daß ich Schmerzmittel brauche und Voltaren ausreicht, um die Schmerzen zu begrenzen. Es sorgt halt schon für abendliche Unterhaltung und kritisch ist, daß ich zur Schmerzbekämpfung oft Alk trinke. Die Dumpfheit, die dadurch entsteht hilft halt, den Schmerz leichter wegzustecken und mental zu kontrollieren. Da muß ich mir dringend etwas überlegen, weil Alkohol hilft der Gesundheit ja auch nicht. Im Gegenteil!
Arthrose:
Arthrose ist eigentlich nicht schmerzhaft. Es knackt halt. Der schmerzhafte Teil ist die Bursitis. Und gelegentlich wird ein Nerv geklemmt - und das ist dann extrem.
Hohl- und Spreizfüße:
sehr lästig und schmerzhaft. Ich verstehe nicht wirklich, warum das in meinem Fall kaum durch Einlagen zu korrigieren scheint. Ich habe über Jahre hinweg mit dem schweizer Orthopäden herumdiskutiert, was nicht paßt und er hat immer wieder neu justiert. Das geht aber auch in's Geld, so daß ich hier noch nicht weiter aktiv war. Wenn ich mich schön langsam bewege kann ich die Schmerzen lange vermeiden. Der Orthopäde hat die Schmerzen als durch die Verdrehung des Fußes entstehend erklärt. Sie fühlen sich halt wie Krämpfe an und der Schmerz löst sich auch, wenn man eine Weile wartet und entspannt. Muß ich nun mal ansprechen, weil vielleicht hat der neue Arzt eine neue Idee?
Cholesterin:
Da juckel ich immer am Grenzwert entlang und nahm in der Schweiz Inegy in der kleinsten Dosierung. Hierzulande heißt das Medikament anders. Wird medizinisch verfolgt. Bin gespannt, was die Werte sagen
Diabetis:
Auch hier hangele ich mich an den Grenzwerten entlang. Da ich familiär vorbelastet bin verfolge ich das. Den Vorschlag der schweizer Stoffwechselärztin, entsprechende Medikamente zur Gewichtsreduktion zu nutzen, habe ich abgelehnt.
Gewicht:
Ein schweres Problem! Die Stoffwechselärztin sagte es richtig: Abnehmen bedeutet Hunger und Hunger interpretiert der Körper mit "Du stirbst" und versucht alles, um da rauszukommen. Dabei werden die Reserven nicht so leicht angepackt, so daß eine Gewichtsreduktion sehr schwer zu realisieren ist. In der Schweiz hatte ich einen Ernährungsplan entwickelt, um das zu begleiten. Es ist aber schwierig und ich habe das Gefühl, als sei zur Zeit ein Rückschlag - auch psychisch bedingt. Ich sehe eine gewisse Sinnlosigkeit: Wozu 10 Jahre quälen, wenn man dann noch vielleicht 5 Jahre hat? Lebensqualität auf die Zukunft verschieben? Macht das Sinn? Ich habe schon Probleme, aktuell die Lebensqualität wenigstens zu erhalten. Und das bedeutet, Schmerzen und Aktivitäten in Balance zu halten oder zu bringen. Hier muß ich mich wohl wieder etwas motivieren ...
Hautprobleme:
Der schweizer Hautarzt meinte "Wollen Sie, daß die verschwinden" und bot eine lästige Therapie an, die ich gemacht habe. Die Probleme verschwanden nicht. Der deutsche sagt, es ist chronisch. Das ist also auch etwas, mit dem zu leben man lernen muß.
Mangelerscheinungen:
wie heftig die sich auswirken können, psychisch und physisch, hätte ich nicht gedacht. Vitamin D nehme ich in sehr hohen Dosen, Vitamin B substituiere ich ebenfalls und Magnesium dazu wegen Verkrampfungen. Das hilft und trägt wesentlich zum Wohlbefinden bei
Verkrampfungen / Herzkaspergefühle:
im Brustbereich ist das ätzend. Wahrscheinlich Magnesiummangel, weil das seltener auftritt, wenn ich Magnesium zusätzlich nehme. Wadenkrämpfe sind auch nicht angenehm. Das kommt gelegentlich vor, obwohl ich Magnesium zuführe. Der Arzt meinte, ich solle die Dosis erhöhen, bis Durchfall eintritt. Das mache ich nicht und wahrscheinlich ist das die Ursache.
Bizzelnde Extremitäten:
Anzeichen für Bewegungsmangel und/oder Diabetis. Das ist neu. Da soll sich der Arzt zu äußern.
Kurz gesagt: Älter werden ist Scheiße. Im vergangenen Jahr mußte ich meine optimistische Erwartung in meine Bewegungsfähigkeit und auch sonstige Leistungsfähigkeit nach unten korrigieren. Es ist zwar nicht dramatisch schlechter als es zuletzt in der Schweiz war. Doch die Entwicklung geht, wie eigentlich zu erwarten, eher nach unten. Gesundheitlich mache ich mir keine Hoffnung auf Genesung. Es geht darum, die Lebensqualität zu erhalten oder zu bessern. Was es alles braucht, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen wird einem selbst erst bewußt, wenn das alles fraglich wird. Da ich mal davon ausgehe, daß ich eher ein mildes Schicksal habe und andere viel stärker unter physischen und/oder psychischen Einschränkungen zu leiden haben, habe ich den Eindruck, diese Gesellschaft verhöhnt ihre Mitglieder, denen sie sehr erfolgreich einredet, fit bis ins hohe Alter zu sein sei normal und wenn nicht sei es die eigene Schuld. Es ist ja Umkehrung des jahrtausende geltenden Prinzips, daß man Alter respektieren und die Dummheit der Jugend entschuldigen sollte.
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