Ein Jahr zurück

Sep 29, 2019 11:38


Es ist nun ziemlich genau ein Jahr her, seitdem ich wieder in Deutschland bin. Unabhängig von einem Jahresrückblick im Dezember, der ja meistens eher sentimental angehaucht ist und den "Fotos des Jahres", die ich auch dieses Jahr gerne wieder zusammensuchen würde bietet sich die Zeit an, Erwartungen gegen die Wirklichkeit abzugleichen.
Was beruflich meine Erwartungen waren, ist nicht so recht eindeutig. Zunächst ging ich davon aus, daß ich in meinem Alter in Deutschland wohl kaum einen Job bekommen würde, es zumindest schwer werden würde. Nachdem ich bereits aus der Schweiz heraus von Headhuntern gradezu mit Anfragen bombardiert wurde und tatsächlich die ersen Monate hier ständig auf Vorstellungsgesprächen war, hatte ich eigentlich damit gerechnet, ein brauchbares Angebot zu bekommen. Angebote gab es zwar, aber als Consultant oder irgendwo in München, im Osten oder sonst wo in Europa. Bezüglich Vorstellungsgesprächen hat es sich in Deutschland etwas gewandelt, ist aber dennoch arg unterschiedlich zur Schweiz. Generell habe ich den Eindruck, daß Hierarchie in der Schweiz eher mitgedacht nd deutlich gelebt wird, die Kommunikation aber auf Augenhöhe stattfindet. Das ist auch nicht ganz einfach, in der Situation eines Vorstellungsgespräches aber in der Regel sehr angenehm. Hierzulande wird ein Bewerber, leicht übertrieben gesagt, als Bittsteller angesehen. Auch wenn ich mich selbst als eher bescheidenen und zurückhaltenden Menschen empfinde, ist es aber sicher nicht so, daß ich um eine Stelle bitte. Auch ist es nicht so, daß nur ich mich einer Firma vorstelle, sondern es geht auch andersherum so. Diese Einstellung machte mich für einige Firmen wahrscheinlich von vornherein unattraktiv. Wenn dann noch Alter und Gehalt hinzukommen ist die Durchfallquote auf beiden Seiten fast 100%. In Vorfeld fand ich eine Firma sehr reizvoll, die Werkzeug herstellt. Das Vorstellungsgespräch war ein bißchen ein Dämpfer (die Kollegen fand ich arg bieder), aber die Stelle hätte ich noch angenommen. Da gab es von der Firma eine Absage. Eine andere Firma aus dem Hanauer Raum war sehr nett und es klang alles toll, aber die wollten mich nach Sachsen schicken. In einer dritten Firma war es recht dubios, da beide Seiten großes Interesse und gegenseitige Sympathie hegten, mir dann aber abgesagt wurde, weil angeblich jemand anderem bereits ein Vertrag zugeschickt und der nun unterschrieben zuückgekommen sei.  So habe ich mich entschieden, den ursprünglichen Plan, hier erst einmal wieder anzukommen und dann weiter zu schauen, wieder aufzunehmen.

Für die Umzugszeit hatte ich eine F80 für Film und neu eine Olympus OM D EM10 (Ein wahres Namensmonster: es handelt sich um das Einstiegsmodell in die OMD-Serie von Olympus) benutzt. Hier hatte ich dann meine Rollei 35 als Kamera für den Roller vorgesehen und evtl. die Contax G2, Ansonsten wollte ich voll auf die Rolleiflex und Rolleicord setzen. Für Kleinbild und auf Film hatte ich die F6 von Nikon vorgesehen. Die anderen Kameras wollte ich verkaufen. Ich hatte bereits in der Schweiz viel vom Beifang verkauft, doch habe ich hier noch einige Kameras, die ich verkaufen will. Ich mache bei dem Thema keine Hektik, aber eine Reduzierung der Ausrüstung steht auch jetzt noch an.
Was sich sehr bewährt hat war mein Frühlingssetup aus Rolleiflex und Agfa Super-Isolette. Zwei tolle Kameras! In der Regel war in der einen Farbfilm, in der anderen schwarz-weiß. Meine Erwartung hier war, daß es weniger geben würde, was mich derart überwältigen würde, wie es oft Landschaften in der Schweiz taten. Dort hätte ich gerne jeden Millimeter für meine Erinnerungen konserviert! Diese Situation hat es hier aber tatsächlich nicht weniger. Und trotzdem ist sie anders - die Motive sind doch gant anders und ich finde es spannend, mich dieser neuen Auswahl zu nähern. Aber ich scheine auch etwas gelernt zu haben, denn mit den deutlich weniger Bildern auf einem 120er Film kann ich, denke ich, ausreichend Erinnerungen konservieren. Und zwar so, daß sie auch optisch ansprechend sind. Da ist natürlich auch viel Geschmacksache. Aber da ich nicht für ein Publikum fotographiere, müssen meine Fotos eigentlich nur mir gefallen.
Was mir in den Frühlingssessions aufgefallen war ist, daß durch die Fokusierung auf Filmfotographie Innenräume (beispielsweise des Wormser oder Mainzer Doms) für mich uninteressant waren. Meine Ausflüge und Fotographieren sind in Symbiose. Das heißt: Wenn ich nicht knipsen kann gehe ich nicht hinein. Für soche Situationen hat sich die Olympus als leichte Kamera angedient. Ich hatte zuletzt noch einmal Worms besucht und dieses Setup getestet. Ich fand das noch sehr spannend und die Ergebnisse sehenswert. Da hatte ich eine Rolleiflex und die Olympus mit. Ich denke, diese Kombi oder die Super Isolette mit der Olympus zusammen sind schöne, leichte Kombinationen, mit denen ich entsprechend flexibel bin. Und eigentlich benutze ich Farbfilm (von Ausnahmen natürlich abgesehen, zum Beispiel der Jugendstil in Darmstadt oder Bad Nauheim) vor allem, um ihn aufzubrauchen. Inzwischen finde ich, es gibt kaum ein gutes Fotomotov, welches nicht dadurch gewinnt, daß es ohne Farbe festgehalten wird.
Ich hatte im Winter eine große Liste angelegt, was ich besuchen könnte und unternehmen. Obwohl ich sicher recht viel unternommen habe wurde die Liste kaum kleiner. Die Region bietet sehr viele Möglichkeiten und ich vermute, ich werde fotographisch (und damit auch für Ausflüge) noch lange beschäftigt bleiben.
Hier kann ich ein sehr positives Urteil fällen: die Region bietet in der Dichte auf ziemlich kleinem Raum unbeschreiblich viel. In diesem Jahr habe ich vor allem Orte aufgetan, die ich im Detail noch erforschen will.

Eine ziemliche große Abweichung zu meinen Erwarungen ergibt sich bei der Nutzung des Rollers. In der näheren Umgebung fahre ich fast ausschließlich Roller, das ist so wie erwartet und ich bin auch weiter überzeugter Rollernutzer. In der E-Mobilität finde ich die nach wie vor deutlich sinnvoller als Elektroautos. Immerhin bewege ich zusätzlich zu meinem Gewicht grade mal 70 Kilo durch die Gegend anstelle von einer Tonne beim Auto. Und kann in einem Radius von 20/30km alles in etwa in der gleichen Zeit wie mit dem Auto erreichen. Die Reichweite des Unu ist allerdings geringer als die des Uranus, den ich in der Schweiz hatte und somit sind die Touren nach Wiesbaden und Mainz etc., gestrichen. Da muß ich noch überlegen, ob ich die Alternative des ÖV oder Autos weiter nutzen will oder den E-Roller upgraden. Was nämlich auch in die Entscheidung hineinspielt sind die Verkehrswege in Deutschland, die außer Auto und Fahrrad nichts zu kennen scheinen. Und die Aggressivität deutscher Autofahrer läßt mich mit dem Roller zum Beispiel Frankfurt eher meiden. Natürlich kann man dort fahren, aber es macht keinen Spaß, es sei denn, ich weiche auf Radwege aus und akzeptiere das Risiko, gebüßt zu werden. Nichtsdestotrotz habe ich einige Ausflüge mit dem Roller unternommen, die auch viel Spaß gemacht haben.

Als ich in die Schweiz ging war eine meiner ersten Aktionen, mich musikalisch zu orientieren. Sogar den Wohnort habe ich als Kompromiss zwischen dem täglichen Arbeitsweg und den Proben des Lautenduos gewählt gehabt. Dazu hatte ich, wie hier in Deutschland auch, mir Mandolinenorchester angeschaut und bin letztlich zum Mandolinenorchester in Dübendorf gegangen, wo ich lange gespielt habe. Als ich dann in die Innerschweiz gezogen bin wurde es mit den Proben schwierig, weil der Weg doch etwas weit war. Das Luzerner Orchester als Variante hatte auf meine Anfrage nie geantwortet.
Nun, wieder in Deutschland, habe ich von Außen in das Probelokal des Orchesters geschaut gehabt, in dem ich seit über 40 Jahren Mitglied bin und die meiste Zeit davon auch mitgespielt gehabt habe. Ein recht trauriges Häuflein ist das geworden! Ob ich mitspielen soll? Immer wieder stelle ich mir die Frage - das Nachbarorchester Neuenhain ist nicht schlecht, aber da käme ich mir vor als ginge ich fremd. Wie ich mich lautenistisch betätigen will wußte und weiß ich noch nicht. Diese intime Musik eignet sich vielleicht mehr als persönlicher Schatz? Ehrlich gesagt bin ich es auch leid, anderen Musikern hinterher zu rennen und oft erfolglos zu fragen, ob sie Lautenbegleitung bräuchten. Vielleicht frage ich nun im Herbst einmal in der Umgebung herum. Wer weiß? Anläßlich dieses Posts habe ich überrascht festgestellt, daß ich keine Erwartungen hatte und habe.
Generell habe ich auch den Instrumentenbestand, teilweise bereits in der Schweiz, drastisch reduziert. Im Laufe der Zeit entsteht fast schon eine Art Manie, auf jede Situation eingestellt zu sein und das passende Instrument verfügbar zu haben. Das gibt inzwischen weder das Konto noch der Raum, der mir zur Verfügung steht, her. So habe ich alle außer einer Renaissancelaute, meiner 11-chörigen Barocklaute und der Biedermeirergitarre zum Verkauf gegeben. Bezüglich Begleitinstrument wollte ich eigentlich von 2 Theorben und dem Archi zu einem kurzen Archi oder Liuto Attiorbato wechseln, um flexibler und leichter zu sein. Allerdings ist mein Archi aber viel zu schön - ich werde es wohl doch behalten. Ich hatte noch eine 13-chörige Laute für Hotels und reisen. Die ist prinzipiell zum Verkauf, aber wenn ich sie nicht loswerde (es ist ein passables Stück, aber kein Meisterinstrument) ist es auch kein Drama - und ich kann auch weiter 13-chörige Literatur spielen. Dem organisierten Lautenwesen wollte ich mich etwas ferner halten. Eine ehrenamtliche Aufgabe, die ich für mich gesehen hatte, war es, mich wieder in diesem Umfeld zu engagieren. Ich habe etwas verfolgt, wie es dort abläuft und finde nun, ein wenig Abstand ist vielleicht besser. Lieber gezielt "mein Ding" machen. Ob es hinterher von den Lautengesellschaften angenommen wird ist dann nicht mein Problem. Dieses Tagebuch soll unter anderem dazu dienen, das Lautenistenleben zu beschreiben. Da gehört auch ganz unaufgeregt Forschung und die Arbeit mit und an Quellen dazu. Dem wollte ich in Zukunft hier mehr Raum geben. Inwieweit das klappt? Da bin ich selbst gespannt. CD- und Konzertbesprechungen finden sich ja bereits hier und angefangen, meinen Probeplan zu skizzieren habe ich auch bereits. Wenn ich das abgeschlossen habe möchte ich jeweils die Stücke, an denen ich arbeite, etwas tiefer darstellen. Musikalisch hatte ich also konkret keinen Plan und bewegt hat sich in diesem Jahr kaum etwas außer, daß ich Instrumente verkauft habe. Was es hier hat und was ich in dieser Form gar nicht auf dem Plan hatte, sind viele kleine Konzerte, die man besuchen kann. Das ist so etwas von toll! Und man muß ja auch nicht nur selbst Musik machen sondern kann auch Kollegen unterstützen, oder?

Mein Sozialleben ist immer etwas eigen. Ich bin ein eher introvertierter Mensch und fühle mich öfters auch von sozialer Interaktion überfordert. Wenn ich mich selbst oder von anderen in Gesellschaft gezwungen werde habe ich öfters das Gefühl, am falschen Ort zu sei oder mich komplett zum Hannes zu machen. Habe ich zuviel geschlaumeiert? Halten die Dich für doof? Hast Du das nun wirklich sagen müssen?! Und wie kam das nun bloß wieder raus? Sicher falsch , oder?
So ist es natürlich schwer, ein reges Sozialleben aufzubauen. Dazu kommt, daß hier natürlich niemand auf mich gewartet hat. Klar kenne ich Leute und habe Kontakte versucht, wiederzubeleben. Aber auch deren Leben ging natürlich weiter, so daß sich das alles entwickelt. Da hatte ich nicht viel erwartet und ich bin darum eher positiv gestimmt, wie sich die Sozialkontakte gestalten.
Natürlich hatten mich einige Leute angesprochen (meistens nachdem ich meine Rückkehr angekündigt hatte) in der Art "Wenn Du wieder da bist müssen wir mal etwas zusammen unternehmen" und als ich dann hier war und immer neue Ausflüchte oder einfach keine Antwort kam ist das schon enttäuschend. Aber ich hatte eigentlich damit gerechnet. Das ist sicher von niemandem böse gemeint, sondern ich bin inzwischen ein Fremder, bei dem es Mühe machen würde, ihn in das eigene soziale Netz zu integrieren.
Ich koche ja gerne und habe auch gerne Gäste, die ich gerne bekoche und mit ihnen einen schönen Abend verbringe. Im Garten habe ich eine Feuer-/Grillstelle angelegt, weil ich dachte, das könne ein guter Treffpunkt sein. Leider war das alles nicht sonderlich erfolgreich. Freunde hatte ich einmal zum Essen eingeladen, doch hatte ich nicht den Eindruck, sie hätten sich wirklich wohl gefühlt. Und gegrillt wurde einmal und auch das war nur mäßig entspannt.

Ich hatte gehoffe, wieder mehr dazu zu kommen zu lesen. Ich war immer Leseratte und empfand es als negativ in meinem Beruf, dauernd vor dem Bildschirm zu sitzen und abends dann mit müden Augen und abgeschafft nicht mehr die Konzentration aufzubringen, ein Buch mit Freude zu lesen. Nun habe ich die Bücher, die ich im vergangenen Jahr gelesen habe, verstaut und teilweise aus dem Weg geräumt, um Platz für Nachschub zu machen und kann feststellen, daß das besser geklappt hat als erwartet. Nicht ganz ein Buch pro Woche, etwa 40 im letzten Jahr sind noch nicht das, was ich als Teenager gelesen hatte, aber doch genug, um meiner Fantasie Nahrung zu geben und dem so stark auf berufliche Zwänge ausgerichteten Denken einen neuen Raum zu eröffnen. Ich habe einige großartige Autoren kennenlernen dürfen, die eine Bereicherung meines Lebens wurden. Dabei zähle ich natürlich zu den Leuten, die literarisch etwas höherstehende Bücher lesen, die viele im Umfeld langweilig finden - ich sage natürlich "überfordern". Es war früher schon so, daß die Freunde Tolstoij langweilig fanden und Dostokewskij doof, während ich in's Schwelgen und Schwärmen geraten konnte. Gut tut es dann zu lernen, daß es auch andere gibt, die literaturverrückt sind. Dieses Glück hatte ich, so daß ich hier eine Eigenschaft an mir fröhlich wiederentdecke, die eher ungewöhnlich ist. Und ausnahmsweise fühle ich mich deswegen nicht schräg. Über viele der Bücher, die ich gelesen habe, habe ich hier berichtet.

Ich schaue gerne Filme! Kino in der Schweiz war teuer und ich mußte immer bis nach Luzern, nachdem das schnuckelige kleine Kino in Sarnen geschlossen hatte. Sich selbst zu motivieren, die 40 Minuten nach Luzern zu fahren um dann alleine in einem Kino zu sitzen war offenbar schwierig. Irgendwann habe ich mich darauf verlegt, Filme und Serien auf DVD anzuschauen - die ganze Werbung spart man sich ja außerdem. Ich hatte, auch aufgrund der Nähe zum Kinopolis im MTZ, gedacht, daß sich das hier ändern würde. Tatsächlich aber war ich noch nicht einmal im Kinopolis, dafür öfter im kleinen ehemaligen Kurtheater in Bad Soden. Die Filme für Massenunterhaltung sind inzwischen weniger meins - ich schaue sie und das auch gerne - aber wirklich genießen tue ich langsam vor allem das, was man arthouse nennt. Ab und zu schaue ich hier auch DVD, vor allem mit Serien, bei denen ich (meist auf arte) über eine Folge gestolpert bin und die mich neugierig gemacht hat. Meinen Tagesablauf oder mich sonst in irgendeiner Form an ein TV-Programm zu richten will ich nun aber absolut nicht. Da nehme ich die paar Euro, um diese Flexibilität zu haben, gerne in die Hand (und für diejenigen, die sich wunder: mir ist TV auch nicht wichtig genug, den Anbieter zu wechseln, damit ich via Internet-TV zeitversetzt schauen kann. Ich habe nicht gerechnet, ob das günstiger wäre oder nicht. Ich will daran auch keine Gedanken verschwenden). Was ich geschaut habe, habe ich in Auswahl auch hier besprochen.

Das liebe Geld war und ist eine kritische Größe - klingt nach Binse. Doch die Überlegung, im Zweifel meine Rente zu verfuttern und eben etwas weiter zu strecken als es bei regulärem Pensionsalter wäre, ist ziemlich ungewöhnlich, vermute ich. Ich ging dabei in meiner Planung von einem Budget aus, welches nicht einmal die Hälfte dessen ausmachte, was ich in der Schweiz zur Verfügung hatte. Ich habe dort weder sonderlich gespart noch geprasst. Die großen Brocken, die andere als Ausgabe haben, wie zum Beispiel Fernreisen, habe ich niicht gehabt. Und auch sonst recht bescheiden gelebt. Bestenfalls die Anschaffung einer Laute konnte einmal etwas mehr kosten. Dabei muß man aber berücksichtigen, daß so ein Instrument weniger kostet als ein normaler Urlaub auf Mallorca. Die Annahme, hier noch weniger ausgeben zu müssen, hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß einem, wenn man aus der Schweiz kommt, hier nahezu alles billig vorkommt. Daß es sich nur anders verteilt weiß ich zwar, aber das schützt wenig. Mein Budget mußte ich in der Zusammensetzung also leicht korrigieren. Knapp über Hartz IV kann man leben, sogar recht gut, finde ich. Ursprünglich hatte ich in etwa wohl mit einem Hartz IV-Satz im Monat gerechnet (der wäre ca. 420 Euro, ich hatte mit 500 gerechnet). Davon zu leben macht keinen Spaß. Ich habe ihn leicht (also auf 600 Euro) nach oben korrgiert und es klappt gut. Ich lebe ja auch ziemlich bescheiden, gehe selten Essen und in den Ausgang. Die Differenz ließ sich durch den Instrumentenverkauf und Verzicht auf Ferien auffangen. Ursprünglich hatte ich damit gerechnet, das Haus würde zumindest die Krankenversicherung decken. Da hatte ich mich getäuscht und es war sehr gut, mein Budget vollkommen ohne die Erwartung von Gewinnen aus dem Haus aufzustellen. Gewinne aus dem Haus gibt es nämlich nicht. Darum erzürnen mich die Pläne der diversen Verwaltungen, Vermieter abzukassieren, sehr.

Erfreulich ist, den Gesundheitsfanatikern aus der Maxon entronnen zu sein. Sport und Leistung standen bei vielen Kollegen im Zentrum. Das empfand ich als Transport des Leistungsgedankens ins Private und habe darum die Verwendung des Begriffs "Sport" vermieden. Natürlich bin ich immer gerne in den Bergen unterwegs gewesen, bis die Knieprobleme und ganz allgemein Probleme des Bewegungsappartates diese Ausflüge nicht nur schmerzhaft, sondern auch riskant erscheinen ließen. Letzten Sommer bin ich hier etwas Fahrrad gefahren und fand es toll! Also hatte ich in meiner Planung dem Fahrrad einen sehr großen Platz eingeräumt. Auf ein Auto ließe sich wahrscheinlich verzichten (ich bin froh, daß ich mich überreden ließ, mir eines anzuschaffen - in Lungern war ganz mieses Wetter und  die Vorstellung, bei dem Wetter auf Fahrrad und Roller angewiesen zu sein haben meinen Widerstand brechen lassen). Dann wurde die Bursitis immer schlimmer und an Fahrradfahren war nicht zu denken. Ich wollte ja auch nicht nur unter Schmerzmitteln (die bei dieser Art Schmerz auch nur bedingt wirken) leben. Das bessere Zeugs macht einen zudem etwas dumpf, so daß die gewonnene Bewegungsmöglichkeit damit erkauft würde, daß man daran keinen Spaß mehr hat. Das ist sehr schade und ich hoffe, das bessert. Ich zweifele aber. Diese, leider auch von Außen sichtbare Einschränkung ist in meinem Fall die lästigste. Daß sie auch andere mitbekommen ist dabei besonders doof. Ansonsten stört vor allem, daß ich meistens frühmorgens erst einmal wegen Schmerzen aufwache, darum aufstehe, eine Weile irgendeinen Unsinn mache und mich dann noch einmal hinlege. Andere Krankheiten habe ich leider auch. DIe bekommt man aber nicht so weiteres mit, so daß ich recht gut damit leben kann. Lästig sind einige Mangelerscheinungen, die aber durch Ernährungsergänzungen kompensiert werden können. Da hat sich nichts verschlimmert oder verbessert.
Nachdem ich mit Rauchen aufgehört hatte und die Knieprobleme auftraten habe ich an Gewicht zugelegt. Zunächst habe ich das bewußt ignoriert, da mir wichtiger war, die Qualmerei endlich dauerhaft hinter mir zu lassen. Die KSM Luzern hatte mir in anderem Zusammenhang empfohlen, den Stoffwechsel untersuchen zu lassen und auch eine Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen. Das war Anlaß, sich dann mit dem Thema "Abnehmen" zu beschäftigen. Die dortigen Untersuchungen und Beratungen habe ich natürlich angenommen, auch wenn sie nicht viel Neues erbrachten. Sie haben vor allem geholfen, meine eigenen Überlegungen und Erkenntnisse zu bestätigen und waren insofern wertvoll. Das ließ sich auch gut an und ich hoffte, das hier so fortsetzen zu können - eine Pause wegen des Umzugs und der absehbaren Anpassungen im Lebensrhythmus war dabei erwartet. Sie trat leider auch ein. Es ist eine Erwartung, von der ich gehofft hatte, es passiert nicht. Das Schlimme dabei ist vor allem, daß ich mir bis jetzt nicht erklären kann, warum die Unterbrechung stattgefunden hat. Die Adaptionen in Ernährung und Tagesablauf waren nicht so gravierend, daß sie erklären würden, warum sich der Trend abzunehmen, unterbrochen hat und die Richtung zwar nicht in Gewichtszunahme, aber eben auch nicht inweiterer Reduzierung geht. Das werde ich im nächsten Jahr wieder verstärkt zum Thema machen, vermute ich. Eine Binse, die zu erwähnen sich Freunde ständig bemüßigt fühlen, ist, daß die Probleme mit dem Bewegungsapparat nicht besser werden, wenn man zu dick ist. (schlimmer als diese Binse ist die implizite Unterstellung, Gewicht sei ein Makel, an dem man alleine selbst schuld sei und der quasi beliebig und sofort zu beseitigen sei. Im Englischen nennt man das wohl "Bodyshaming".)
Beruhigend ist, daß hierzulande die Menschen im gleichen Alter genauso ihre ersten gesundheitlichen Macken haben wie ich. Selbst wenn die wenigsten es zugeben und es sich bei ihnen anders äußern mag. Für mich ist diese schräge Sicht auf das eigene Selbst ein Ausdruck eines kranken Zeitgeistes, der Jugend und Sportlichkeit krankhaft überbewertet

Was ich aus der Schweiz vermissen würde wäre die Katze, dachte ich. Und tatsächlich vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht wehmütig an das Kätzchen denke. Was ich nicht so erwartet hatte ist, daß ich auch noch den ein oder anderen Menschen aus der Schweiz vermisse. Natürlich habe ich einige Leute, zu denen ich gerne den Kontakt halten will. Und nun muß ich mich wirklich dran machen, diesen Kontakt auch besser zu pflegen. Ich wollte dazu einen Tag in der Woche ausschließlich der Korrespondenz widmen. Einen Tag pro Woche, an dem ich mich bewußt Freunden in der Ferne widme. Wie immer bei mir, ohne stur nach Terminplan zu gehen. Und dazu wäre es schön, wenn es das Budget hergibt, so etwa 2 bis 3 verlängerte Wochenenden im Jahr mit Besuchen zu verbringen. Ich hoffe, die nächsten Wochen vielleicht etwas konkreter in diese Richtung zu planen. Was nämlich genauso dazu gehört, ist auch, Kontakten an anderen Orten mehr Raum zu geben. Jetzt habe ich die Möglichkeit und sollte sie nutzen. Andere Länder sind für einen Alleinreisenden wie mich allerdings etwas schwierig zu besuchen. Aber an Orten, wo ich die Sprache spreche wäre es schon toll, den ein oder die andere zu besuchen. Da muß ich mein Budget entsprechend prüfen. An der Zeit und dem Willen liegt es jedenfalls nicht, wenn ich es nicht mache! Ganz im Gegenteil.

Man macht sich ja im Stillen so leicht romantische Vorstellungen von seinem eigenen Tagesablauf: Aufstehen, aufs Rad steigen und eine Runde radeln, dabei Frühstück holen. Dann lesen und/oder Lautespielen bzw. an zwei oder 3 Tagen Ausflüge, Museumsbesuche, Radtouren und ähnliches, dann kochen und anschließend wieder Laute und Lesen - Konzert- und Kinobesuche, Treffen mit Freunden und ähnliches als Abendbeschäftigung. Das war das Ideal - natürlich kam es anders und mein normaler Tagesablauf ist anders. Auch hier spielen gesundheitliche Einschränkungen natürlich mit hinein - aber auch, daß so ein Tagesablauf dauerhaft durchgezogen, anstrengend würde. Aber auch so banale Störgrößen wie die Notwendigkeit einzukaufen oder Arztbesuche oder das Wetter, welches eine Planung umschmeißen kann erklären Abweichungen vom Ideal. Aktuell sieht mein Tagesablauf in etwa so aus, daß ich nach dem Aufstehen Einkaufe, notwendige Arbeiten erledige, ggf. etwas hier blogge und nach Erledigung dann entweder einen Ausflug mache, zur Laute greife, lese - also diesen Teil des Ideals etwas später beginne. Die Abendgestaltung ist doch so, daß ich an einigen Tagen einfach nichts mache und den Abend zuhause verbringe. Besuch bekomme ich selten. Nach den Fehlschlägen versuche ich es auch nicht mehr. Seitdem ich den Eindruck gewonnen habe, die Leute wollen das eigentlich gar nicht, versuche ich weniger, den Freundeskreis zu gemeinsamen Unternehmungen zu motivieren. Ich fand das früher (also in Jugend und als junger Erwachsener) so bereichernd, wenn man in der Clique einfach etwas zusammen unternommen hat. Und dabei auch mal Sachen gemacht hat, die neu waren und von denen man nicht wußte, ob es einem gefällt oder nicht. Das hoffte ich, bräuchte nur einen Anstoß, um gereiften Freundeskreis wieder etabliert zu werden. Da war ich entschieden zu optimistisch. Andererseits habe ich festgestellt, daß, wenn ich nichts anstoße, niemand es zu tun scheint. Es ist halt schon frustrierend, wenn man bergebens immer wieder etwas versucht. Andererseits auch nicht sagen kann, es sei unwillkommen.
Zusammengefaßt erscheint mir die Rückkehr nach Deutschland recht gut gelungen zu sein bislang. Aber auch nach einem Jahr bin ich noch nicht vollständig wieder angekommen. Hier in diesem Tagebuch schließe ich das Thema nun aber ab. Sicher wird im Jahresrückblick dann noch etwas dazu kommen, aber formal betrachte ich mich nun langsam als "Deutschen, der lange in der Schweiz gelebt hat" und nicht mehr als "Schweizer, der zurück nach Deutschland gekommen ist" (ja - der Unsinn mit mir als Schweizer und "zurückkommen nach Deutschland" ist mir bewußt - und doch habe ich es ziemlich nahe daran empfunden)



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