Fausto-Sterling, A. (1992). Myths of Gender. Biological Theories about Men and Women (2nd ed.). New York: BasicBooks. *klugscheißt*
Das Buch ist wie einmal tief Atem holen und sich freuen. Ich zitiere:
'When coming up with "universal" traits requiring explanation, many sociobiological accounts of human interactions so ignore the complexities of behavior and culture and make such selective readings of the literature, that it becomes a challenge to respond in any fashion other than unabashed astonishment. Although the problem of correctly describing human behavior is a serious one, the deeper issue lies with the very notion of human essence - not with the idea that there is a human nature, but with the thought that there is a particular human nature, visible when all culture and learning is stripped away.' (p. 196f.)
Warum die Sache mit dem Herausrechnen von Kultur und Lernen aus der menschlichen Natur für mich noch mal extra ein Aha-Erlebnis ist, erklär ich euch ein anderes Mal, aber dieses elegante Fuck You an biologistische Theorien erfreut mich ungemein.
Das entsprechende Kapitel zu lesen (treffend betitelt "Putting woman in her (evolutionary) place") ist nicht an allen Stellen wirklich lustig, auch und gerade weil die Evolutionstheorien ja diejenigen sind, die mich für gewöhnlich am meisten ärgern. Ich wusste halt nur nicht, dass es welche gibt, die noch dümmer sind als die, die ich schon kenne.
So gibt es da Soziobiologen, die Enten beobachteten und dabei bemerkten, dass da, hoppla, gelegentlich (bei komplett neurotischen Enten unter Gefangenschaftsbedingungen) erzwungene Kopulation ohne vorherige Balzrituale stattfindet. Und auf einmal wird Vergewaltigung zu einer alternativen Reproduktionsstrategie, die sich in der menschlichen Entwicklungsgeschichte bewährt hat, erklärt. Ich glaube, mein Pterodaktylus pfeift. Und manche Männer kriegen dann natürlich etwas häufiger gewisse Triebe als andere. Und es ist natürlich möglich, ihnen diese Triebe soziokulturell irgendwie abzuerziehen, aber vorher sollten wir natürlich Kosten und Nutzen berechnen.
Kosten und Nutzen für wen jetzt? (Danke, Anne!)
Ich bin mit dem Buch noch nicht durch, z.B. kommt da noch ein ganz interessantes Kapitel über die Erforschung von Gehirnunterschiede zwischen homo- und heterosexuellen Männern ("... Die Homos haben nämlich alle einen weiblichen Hypothalamus!" *in die Tonne tret*) und was damit schon wieder alles falsch gelaufen ist. Drum werden meine Erkenntnisse sicherlich auch in weiteren Posts verarbeitet werden. Aber da die Frage jetzt möglicherweise einigen Lesern auf den Fingerkuppen sitzt...
Warum eigentlich?
latin_doll, ist es nicht eigentlich vollkommen wurscht, woher beobachtbare Geschlechtsunterschiede kommen? Können wir nicht auch einfach so Spaß am Leben haben? Ist Wissenschaft nicht eigentlich objektiv? etc.
Ich bemühe noch mal Anne Fausto-Sterling, weil meine Gedanken gerade wieder Knoten und Schleifen und Spiralen machen. Nehmen wir uns mal das Bild, das von biologisch / evolutionär ausgerichteten Erforschern von Geschlechtsunterschieden gemalt wird: Männer so, Frauen so, und alles liegt an den Genen und an den Lebensbedingungen in der Eiszeit:
'In this picture society emerges as fair and just. There is no significant wage or job discrimination. Ability determines income distribution, poverty results from individual incompetence. Nor is there anything wrong with the way our educational system works. If women do poorly at math it is because their brains work differently. Under the influence of "raging hormones", both may act irrationally (...). The courts are asked to treat these antisocial behaviors as biologically caused illnesses rather than as criminal activities. (...) There is, in short, a lot at stake in using or objecting to the use of biological explanations of human behavior. The fundamental issue is social change - do we need it and is it possible?' (p. 206)
Die Frage ist, ob wir derzeit in einer fairen Gesellschaft leben. Einige Leute würden jetzt 'ja' sagen. Und die würde ich als privilegierte Purzel bezeichnen, nicht aber als objektiv.
So.
23:18: Ich editier hier jetzt einfach noch ein PS rein, auch wenn es thematisch nicht dazu passt, aber für einen neuen Post ist mir die Sache grad doch zu doof. Ahem: Die deutsche Version der Ich-versuch-mal-Pippi-Langstrumpf-zu-femslashen-Story ist fertig. Mag jemand auf Plausibilität prüfen? (Nee, das ist keiner dieser öden Kommafehler-und-Homophonverwechslungen-suchen-Betaleserjobs, weil die textliche Oberfläche ohnehin noch mal überarbeitet gehört. Aaanyway. Bitte? Sind ca. 5000 Wörter.