Ficathon:
Das WaisenhausFandom: Harry Potter
Prompt: [2581] Albus x Gellert | Feel your every heartbeat / Feel you on these empty nights / Calm the ache, stop the shakes / You clear my mind / You're my escape ["Better than drugs", Skillet]
Promptsteller*in: schmokschmok
Leere Nächte
Albus protestiert nicht, als Gellerts Hand auf seiner Brust zum Liegen kommt und Gellert unter den Fingerspitzen jeden einzelnen seiner Herzschläge spüren kann. Sie sind etwas zu schnell, als dass Albus’ nach außen getragene Ruhe echt sein könnte - aber dann wieder: Ist es bei ihm selbst nicht genauso?
Natürlich, er kauert nicht mehr vor dem Kamin und sein Atem geht nicht länger stoßweise und viel zu flach; das ist definitiv eine Verbesserung. Außerdem ist Albus hier und hält ihn fest, obwohl er sich schon seit langen Minuten zurückgezogen haben könnte. Das ist sogar noch besser. (Es ist genau genommen sehr nahe an großartig und bringt Gellerts Fingerspitzen auf Albus’ Robe zum Kribbeln.)
Doch unter dieser Oberfläche lauert die kalte, hoffnungslose Leere, die sich in Nächten wie dieser in Gellert sammelt. Sie erobert sein Herz und färbt seine Gedanken grau; sie höhlt ihn aus und lässt nicht zu, dass er sich mit irgendetwas anderem beschäftigt. Bei Rasputin, er hat es versucht und tut es noch. Wieder und wieder und wieder, während seine Kehle sich verengt und seine Beine unter ihm nachgeben. Aber es ist schwer, sich auf etwas beruhigendes zu konzentrieren, wenn ohne ersichtlichen Grund Übelkeit in ihm aufsteigt und jeden klaren Gedanken verdrängt.
Deswegen ist Gellert so lächerlich dankbar für Albus’ Anwesenheit: seine ruhige Stimme, die feste Umarmung, die Wärme und die Beständigkeit, die von ihm ausgehen. Albus, der ihn hält, ohne Fragen zu stellen, der sich von ihm berühren lässt - so wie jetzt gerade -, ohne zurückzuzucken, und der ihn weder verurteilt noch bemitleidet. Albus, der danach so oft ungefragt über Nacht bleibt und erst im Morgengrauen verschwindet, damit das nicht auffällt.
Der sogar manchmal, wenn Gellerts Scherbenmeer aufgelesen und notdürftig zusammengesetzt ist, neben ihm liegt und unter der Decke ihre Finger miteinander verschränkt. Er ist dabei vorsichtig, beinah zurückhaltend, als befürchte er, dass ausgerechnet das die eine Berührung zu viel sein könne.
Gellert schließt die Augen, lehnt den Kopf an Albus’ Schulter und fragt sich stumm, ob der das wohl wirklich glaubt. Es kommt ihm so abwegig vor angesichts der Gedanken, die in ihm selbst bisweilen aufsteigen, wenn sie so nebeneinander liegen und das hohle Gefühl in seinem Inneren vorerst einer zerbrechlichen Ruhe Platz gemacht hat.
Andererseits weiß Albus von ihnen gar nichts; kann überhaupt nicht ahnen, dass Gellert immer öfter wach liegt und sich fragt, ob er es wohl wagen würde, Albus zu küssen - wie sich das anfühlen und was geschehen würde. Es sind Vorstellungen, die Gellert tagsüber sorgsam im hintersten Winkel seines Geistes verschließt und die er selbst nicht versteht. Für so etwas hat er sich noch nie interessiert, schon gar nicht mit einem anderen Jungen - und Albus ist sein einziger Freund und Vertrauter, der Erste, der seine Gedanken auch dann nachvollzieht, wenn Gellert sie nicht Schritt für Schritt vor ihm ausbreitet.
Albus ist der Mensch, den er unter gar keinen Umständen verlieren darf - und schon gar nicht wegen solcher Träumereien, die er sich selbst nicht erklären kann. Sogar, wenn sie sein Herz aus ganz anderen Gründen als Angst zum Klopfen bringen und er immer wieder Sekunden erlebt, in denen er überzeugt ist, dass Albus gewiss auch das verstehen würde.
Sekunden, die heute Abend anders als sonst länger und länger werden, während Gellert sich davon zu überzeugen versucht, dass diese Sicherheit trügerisch ist. Er erinnert sich daran, wie fassungslos Maxim Mikhaylov ausgesehen hat, als er ihn der Schule verwiesen hat, und an die von kalter Verständnislosigkeit verzerrten Gesichtszüge seiner Mutter. Er ruft sich den verwirrt-enttäuschten Blick von Tante Bathilda ins Gedächtnis, als er ihr den Brief seiner Eltern zu lesen gegeben hat. Das sind Dinge, die er niemals in Albus finden möchte.
Es hilft nur nicht. Statt der Vorsicht ob einer möglichen Zurückweisung schleicht sich ein Hauch von Leere zurück in sein Herz - nicht so stark, dass es sich weiter ausbreiten könnte, aber genug, um ihn frösteln zu lassen. Er will das nicht, könnte dieses Gefühl nicht ertragen - doch nicht jetzt, da Albus ihn hält und wohltuende Wärme auf ihn übergehen lässt. Doch nicht jetzt.
Es ist nur ein Moment der Verzweiflung, in dem Gellert glaubt, dass er alles tun würde, um dem Nichts zu entkommen. Aber das reicht schon aus, ist der letzte Anstoß. In der nächsten Sekunde findet Gellert sich wieder, wie er sich in einen Kuss geflüchtet hat, und Albus’ Lippen sind warm und leicht geöffnet und sein Herz rast unter Gellerts Fingerspitzen.
Es ist der vielleicht furchtbarste Augenblick in seinem ganzen Leben.
Während sich in Gellerts Magen das bleierne Gefühl festsetzt, eine schrecklich falsche Entscheidung getroffen zu haben, steht er wie erstarrt da. Noch nie hat er sich so sehnlichst gewünscht, die Zeit zurückdrehen zu können, wie in diesem Moment. Alles in ihm schreit danach, die Augen zu schließen, sich zurückzuziehen, seine Hände von Albus zu lösen - irgendetwas zu tun.
Doch das einzige, was er schafft, ist, sein Gewicht etwas nach hinten zu verlagern und mit weit aufgerissenen Augen und rasendem Puls immer noch so schrecklich nah vor Albus zu stehen. Stumm zählt Gellert Sekunden, die ihm viel zu lang vorkommen, bis Albus ihn schließlich - nicht zurückstößt. Stattdessen die Umarmung aufgibt, um die Hände an sein Gesicht zu legen und sich zu ihm zu beugen.
Die warme Woge seiner Erleichterung trägt Gellert durch die nächsten Minuten - ihren ersten richtigen Kuss und das Gefühl von Albus’ Haaren zwischen den Fingern seiner linken Hand. Sie reden nicht wirklich, kaum mehr als hin und wieder gemurmelte Sätze wie: »Alles in Ordnung?« - auch nicht, als sie schließlich nebeneinander auf Gellerts Bett liegen.
Aber es reicht. Ihre miteinander verschränkten Finger und die gelegentlichen Küsse sind alles, was Gellert braucht, um sich glücklich und sicher zu fühlen, und in dieser Nacht wird Albus endgültig zu seinem Ausweg aus der Leere.