Sep 09, 2006 11:46
Emma ist nicht gut in Krisenkommunikation. Sie schweigt, legt den Kopf schief und hofft auf Erdbeben oder Wirbelstürme, auf Steinschlag oder einfach nur einen Anruf. Immer dann, wenn es schwierig wird. Sie beginnt aufzuräumen, umzutopfen, neu zu streichen. Immer dann, wenn sie nicht mehr weiter weiß. Wenn der Balkon dann grün ist und die Zimmer weiß, hat sich hin und wieder irgendetwas getan. Meistens durch Zufall, manchmal durch Zeit, selten durch Reden.
Jonas hat sich neulich umgedreht. Und steht seitdem mit dem Gesicht zur Wand. Der Kanarienvogel schreit aus Leibeskräften, den Fernseher hört er noch dahinter, den Brei von der Straße schubst er mit dem rechten Fuß zurück. Das Stehen im Schlafen ist so eine Sache, die Dellen der Rauhfasertapete drücken sich Nacht für Nacht in seine Stirn, die Fußspitzen an der Scheuerleiste sind schon taub und Emma spricht im Schlaf. Ihr Arm liegt dort auf seiner Seite. Eigentlich wie immer.
Am Morgen deckt sie den Tisch, sie schnattert und rotiert, sie werkelt und poliert. Sie klopft ihm den Staub von der Schulter und macht das Fenster auf. Seitdem schreit der Vogel nicht mehr, seitdem ist aus dem Brei von der Straße eine Flutwelle geworden. Gut für Emma, die wartet auf sowas. Schlecht für Jonas, den hört sie jetzt noch weniger.
Und morgen wird er sich umdrehen. Sie wird ihn anschauen, wie er da steht mit den blauen Zehen und den Furchen auf der Stirn, sie wird die Hände auf seine Schultern legen und sagen: "Müde siehst du aus." Sie wird es wieder nicht begriffen haben. Und morgen wird er aus der Tür gehen und ihr ein schönes Leben wünschen, wenn er sich traut. Sie wird dann denken: "Das hoffe ich auch."