(no subject)

Sep 25, 2012 12:40

Nach langer, langer Zeit poste ich hier mal wieder eine Story von mir, die ich bereits vor einiger Zeit bei ff.de veröffentlicht habe. Es ist an der Zeit, dass ich mein Journal wieder aufleben lasse ... oder nicht? ;-)

Have fun.

A/N: Mit Absicht hab ich den Figuren in diesem Oneshot (der der erste einer kleinen Trilogie ist) keine Namen gegeben.

***

Tausend Mal berührt …

Warmes Licht taucht den Raum in sanften Schimmer, während draußen der eisige Wind harte Regentropfen gegen die Fensterscheibe peitscht. Noch ein oder zwei Grad kälter und der Regen wird in Schnee über gehen. Ich sitze auf der Couch und versuche durch das Wohnzimmerfenster nach draußen zu sehen, aber alles was ich erkennen kann ist mein eigenes, verzerrtes Spiegelbild. Die einsetzende Dunkelheit hat die herbstliche Landschaft verschluckt, so dass ich nur Schwärze erkennen kann.

Ich nippe vorsichtig kostend an meinem heißen Getränk, sehe zu wie der Dampf nebelartig die Luft erobert und schließlich im Nichts verschwindet. Meine kalten Hände umfassen dankbar die heiße Tasse, wärmen sich daran. Langsam schließe ich die Augen und lausche entspannt der Musik, die leise aus meiner kostspieligen Musikanlage dringt. Meine Atmung wird gleichmäßig und ruhig. Ich versinke in einer Welt zwischen Wachsamkeit und Schlaf, zwischen Traum und Wirklichkeit.

Hartnäckiges Klopfen an der Haustüre reißt mich aus dem wohligen Zustand des Halbschlafes. Es dauert ein paar Sekunden, bis mein Verstand auf die Unterbrechung der Stille reagiert. Leise grummelnd begebe ich mich zur Türe und öffne sie leicht verärgert.

DU stehst vor mir. Zitternd. Frierend. Klatschnass. Ohne ein Wort zu sagen, siehst du mich einfach nur flehend an. Ich kann an deinen geröteten Augen erkennen, dass du geweint hast. Ich halte die Türe weit auf, so dass du eintreten kannst. Meinem besten Freund würde ich niemals den Zutritt verweigern.

Du stehst verloren im Raum, tropfst meinen Teppich nass. Deine Kleidung klebt an deiner Haut, die Haare drängen sich dicht an deinen Kopf. Deine Schultern hängen herab, so als würde eine unendliche Last auf ihnen ruhen. Dein Blick sucht den meinen. Ich fühle mich hilflos; so habe ich dich noch nie gesehen. Du bist sonst so stark. So perfekt. Niemals zeigst du Schwäche. Aber in diesem Moment wirkst du wie ein verschrecktes Wild. Ich muss nicht fragen, was passiert ist. Ich sehe auch so, dass irgendetwas oder Jemand dich zu tiefst verletzt haben muss.

Du kennst dich in meinem Haus aus, als wäre es dein eigenes. Deshalb muss ich dir nicht erklären, wo du Handtücher und frische Kleidung findest. Während du im Badezimmer verschwindest, bereite ich dir heißen Kakao zu. Dein Lieblingsgetränk.

Meine Hose und Pullover sind dir viel zu groß. Du bist so dünn geworden in letzter Zeit. Deine Beine wirken wie dünne Streichhölzer - ich habe Angst, sie könnten brechen. Deine Wangenknochen stehen hervor, die Augen liegen in tiefen Höhlen. Dir geht es nicht gut. Dazu muss ich nicht mal dein bester Freund sein, um das zu erkennen.

Ich reiche dir die Tasse mit dem heißen Milchgetränk. Mit zitternden Händen nimmst du sie entgegen und trinkst dankbar einen kleinen Schluck, lässt dich neben mir auf dem weichen Sofa nieder. Schon seit vielen Jahren sind wir eng befreundet, ich kenne all deine Vorlieben und Abneigungen; kenne deine Stimmungsschwankungen und deine Launen. Ich weiß, wann ich dich bedrängen kann und wann ich besser abwarten sollte. Heute warte ich.

Noch bist du nicht bereit mir zu erzählen, was dir auf der Seele liegt. Vielleicht wirst du es auch nie sein. Im Augenblick genügt dir, dass du hier sein kannst und ich bei dir bin. Gemeinsam lauschen wir der angenehmen Hintergrundmusik, während wir unsere wärmenden Getränke konsumieren. Ich breite eine Decke über dir aus, da du noch immer zitterst und dein Körper völlig ausgekühlt ist. Du rückst näher an mich heran, um meine Körperwärme auszunutzen. Sanft lege ich einen Arm um deine viel zu schmalen Schultern, damit ich dir auf diese Weise Trost und Zuversicht spenden kann. Dein Kopf sinkt langsam gegen meine Schulter.

Schon oft habe ich dir einen Arm um die Schultern gelegt. Dich an mich gedrückt, Freude und Leid mit dir geteilt. Wir haben keine Angst vor Berührung. Niemals hatten wir dabei etwas anderes als Freundschaft im Sinn. Doch heute fühlst du dich anders an. Ich spüre, dass du bebst. Aber nicht mehr vor Kälte, denn der Kakao und die Decke haben dich gewärmt.

Langsam drehst du den Kopf und suchst nach meinem Blick. Deine ausdrucksstarken Augen ziehen mich magisch an. Sie sind noch leicht gerötet und ich erkenne darin die Trauer. Was geht nur in dir vor, mein Freund? Was ist geschehen?

Bevor ich diese Fragen stellen kann, haben deine Lippen meinen Mund versiegelt. Ich zucke erschrocken zusammen, halte jedoch die Position. Deine Lippen fühlen sich erstaunlich sanft und zart an. Das hätte ich nicht erwartet. Dein Beben geht auf mich über. Ich fühle nun was in dir vorgeht. Und ich weiß jetzt, was dich heute Abend zu mir geführt hat.

Tausend Mal habe ich dich schon berührt, aber nie dein Verlangen gespürt. Tausend und ein Mal musste ich dich berühren, um zu verstehen, dass ich das gleiche Verlangen habe.

Ich weiß nun, dass du das Ende unserer Freundschaft beweint hast.

ENDE

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