Apr 07, 2011 14:22
Die Luft selbst schien mit Schreien beschmiert; sogar hier, im Inneren
des Zeppelins. Ich hatte mich in den Maschinentrakt zurückgezogen und
fühlte mich inmitten der kalten Metallwände sichtlich wohl. Die alte,
grünliche Farbe blätterte an den meisten Stellen der kahlen Wände ab.
Um mir die Zeit zu vertreiben beobachtete ich, wie bei jeder
Erschütterung immer neue Trümmer von der Decke stürzten.
Bedauernswerter Weise waren keine Fenster in diesem Areal. So konnte
ich das Spektakel Draußen leider nicht beobachten.
Doch genau so hatte ich es gewollt. Draußen wäre ich ein zu leichtes
Ziel gewesen. Mein Gegner sollte mir schon allein gegenüberstehen,
denn mein Plan war nicht aufgegangen. Er konnte den Tod nur durch
einen Menschen empfangen. Und ich war wohl nicht „Mensch" genug.
So sollte mein Blut ihm wenigstens Trost spenden, ein letztes
Glücksgefühl bescheren. Uns Beiden. Meine Mundwinkel zuckten
leicht, obwohl diese Worte allein in meinen Gedanken wiederhallten.
Langsame, schlurfende Schritte näherten sich mir. Das Geräusch
schleppte sich mit Gepolter aus dem Weg getretener Trümmer zu mir.
Durch einen schmalen Seitengang erschien er. Eigentlich hatte ich von
Alucard einen etwas imposanteren Auftritt erwartet, aber ich begnügte
mich mit der Freude auf die bevorstehende mentale Befriedigung.
"Alucard. Da bist du ja endlich", warf ich meinem Gegenüber entgegen.
Wir Beide lächelten uns einen kurzen Moment in aller Stille an. Dieser
Blutsauger verstand sich darauf durch bloße Anwesenheit eine passende
Atmosphäre zu schaffen.
Der Vampir schnaubte den Geruch des Gemetzels aus seiner Nase, der
sich so hartnäckig darin festgeklebt hatte.
"Du hast dich auch gut versteckt, Major. Ich hätte dich eher auf dem
Präsentierteller erwartet. Schon für mich herausgeputzt, verschnürt,
mit einem Apfel zwischen den Bäckchen und Tafelsilber danebenliegend."
Er lachte noch relativ zurückgehalten.
Während der wenigen Sekunden dieser Überlegungen näherte er sich mir
mit dumpfen, schweren Schritten. Das zertretene Glas bohrte sich dabei
immer tiefer in das Gummi seiner dicken Stiefelsohlen. Ungeachtet dessen
tastete sein Blick die Umgebung und mich hemmungslos ab.
"Aber nein. Stattdessen hast du dich wie ein kleines Insekt hier verkrochen
und dich suchen lassen. Aber der Geruch deines Aftershaves hat sich
auch nach 55 Jahren nicht verändert. Traditionsbewusst", erklärte er mir in
ironischem Tonfall.
Mit den letzten paar Metern Distanz zeichneten sich noch mehr Gefühle
in seinem Gesicht ab. Der Dämon schien sich am Gifte der eigenen
Bosheit zu berauschen. Ein wissendes und geduldiges Grinsen legte sich
auf mein Gesicht und ich bewegte mich keinen Millimeter. Die Hände
verschränkte ich unter meinem Bauch mit gekreuzten Fingern. Kein Hauch
von Nervosität war zu spüren.
Eine ruckartige Bewegung und Alucard schloss die Lücke zwischen uns.
Unwillkürlich zuckte meine linke Hand nach oben um meine Brille zu
richten, welche mir bei einem kurzen aber heftigen Erschrecken, verrutscht
war. Auf diese kurze Distanz stellte meine Hand wohl eine offene
Einladung dar. Im Bruchteil einer Sekunde beugte er sich herab. Dabei
packten die langen Haifischzähne dieses Monsters meine fleischige
Handkante und verbissen sich tief darin. Kleine Blitze und Entladungen
zuckten zwischen seinen Lippen hervor.
Eine unbefriedigende Stelle um hinein zu beißen. Sie war nämlich nicht
von einem feinen Adernetz durchzogen und auch etwaige
Schmerzrezeptoren sendeten mir nur seichte Zellreaktionen und
Alarmmeldungen zu.
Seine orangerot leuchtenden Augen beobachteten mich genau. Egal wie
raubtierhaft er seine Kiefer zusammenquetschte, ich zeigte einfach zu
wenig Reaktion. So entschied er sich das Zellmaterial zwischen seinen
Kiefern herauszubeißen und die Einzelteile klirrend zu Boden zu
spucken.
"Du bist also doch auch ein Monster geworden", bemerkte der Dämon
voller Bedauern während ihm Öl von den Lippen tropfte.
"Kein Wunder, dass du mich nicht töten konntest."
"Ich bin kein Monster. Vergleiche mich nicht damit", erwiderte ich
widerstrebend. "Solange ich noch meinen Willen habe werde ich immer
ein Mensch bleiben."
Etwas angeekelt von der Säure, die seine Gesichtshaut nun bedeckte,
säuberte er seinen Mund am Ärmel seines Mantels. Ein schmieriger,
öliger Fleck entstand. Meine Hand pochte, aber die in solchen Momenten
praktische Schmerzregulierung verhinderte, dass ich ihm Angriffsfläche
bot. Wieder ein Fitzelchen das mich unmenschlicher machte und ich
bedauerte es sehr.
Mit einer unglaublichen Leichtigkeit schmetterte mich dieser
no-life-king gegen die Wand hinter mir. Außer einem kurzen Beben hinter
meinen Augen spürte ich jedoch nichts. Seine Augen hingegen wanderten
kurz über den Boden und leuchteten plötzlich, fiebernd vor Erregung.
"Ein Mensch also", säuselte er schon fast entzückt vor sich hin.
Mühelos drückte er mich mit einer Hand gegen die Wand hinter mir. Ich
spürte wie sich die Farbe nah meines Nackens von dem Metall ablöste
und in meinen Kragen rieselte.
Seine andere Hand wühlte im Schutt herum und brachte mehrere lange und
dünne Eisenstäbe zum Vorschein. Sie mussten bei einem der
Geschosseinschläge herabgefallen sein. Voll von Rost und zerbeult
wirkten sie noch immer stark und ein wenig bedrohlich.
"Dann sehen wir mal ob du auch nur halb so interessant leiden kannst
wie ein Mensch, kleine Maschine."
Wie ich dieses Wort verabscheute. Es gab nur wenige Dinge die mich in
Rage versetzen konnten. Ich hatte mir mit der Zeit eine Würde
angeeignet, die mir sehr gut zu Gesicht stand. Doch ihm konnte ich
eine Gefühlsregung nicht verheimlichen. Trotzdem lachte ich ob seiner
Grobheit nur.
Seine Hand umklammerte schroff meine Kehle. Die Haut rollte sich dabei
in mehreren kleinen Wülsten um seine Finger verteilt auf.
Mein Atem stockte. So hielt er mich in Position um einen kurzen
Metalldraht nach dem anderen in meine Schultern zu rammen und mich so
an der Rückwand zu befestigen. Blut stieg durch Anzugjacke und Mantel
hindurch, bis die Einstichlöcher mit einem feinen rotbraunen Rand
gesäumt waren. Das Metall der Rückwand gab quietschend nach als sich
die angespitzten Enden in das Material fraßen. Die Risskanten krümmten
sich dabei untrennbar um die eingestochenen Stangen.
Die Metallteile wirkten hektisch und asymmetrisch angebracht, obwohl
er sich viel Zeit ließ. Jedes Einzelne presste er behutsam und kraftvoll
durch meine Muskeln hindurch und die Bänder zerbarsten mit einem
knackenden Geräusch. Immer wieder versicherte sich dieses Monster ob
ich sein Tun auch beobachtete und alles gut sehen konnte. Die Geräusche
beim Eindringen in mein Fleisch klangen schon fast menschlich. Oder ich
wünschte mir das nur. Mein mittlerweile hektischer Atem war es aber
sicher.
Sein Griff verließ meine Kehle und ich konnte für einen kurzen Moment
aufatmen. Einen Arm nach dem Anderen erfasste er und pinnte diese an
die Wand. Wesentlich schneller und ungestümer als er zuvor mit meinen
Schultern verfahren war. Jedoch verblüffender Weise ließ er beide Arme
völlig unverletzt und das Metall umschloss sie nur; ja rahmte sie fast
künstlerisch ein.
Seinen Lippen zuckten erfreut als er meine linke Hand beobachtete. Die
Haut über den künstlichen Knochen und Sehnen war erschlafft und die
Handüberreste bewegten sich unwillkürlich durch die Schäden, ohne dass
ich es beeinflusste. Die einzelnen Finger waren nun vom System getrennt
und versuchten hartnäckig in die verschiedensten Richtungen
auszuschlagen.
Ein paar Stäbe hatte er noch. Diese waren jedoch nicht sehr lang. Mit
einem breiten Grinsen entschied er sich für die perfekte Stelle. Mit
einer Hand stützte er sich neben meinem Kopf ab und begutachtete meine
Reaktion als er den spitzen Stab unterhalb meiner Hüfte auf meinen
Oberschenkelmuskel aufsetzte. Roh und zügellos bohrte sich das Metall
20 cm tief durch mein Fleisch, bis er nicht mehr genügend Griff hatte
und das Ende zur Seite bog. Ich spürte die Sehnen zerreißen. Meine
Lippen waren bereits zerbissen vor Schmerz während er glücklich jedes
kleine Zucken meiner Augen studierte.
Er folgte jeder seiner Handbewegungen mit dem gesamten Körper. Es
bereitete ihm Ekstase dem Widerstand meines Fleisches entgegen zu
arbeiten. Ungezählte Male hauchte er dabei aus. Das Spiel seiner
Mimik versank in schierem Rausch.
Nach drei Weiteren dieser, absolut nicht mehr der Befestigung
dienenden, Stangen beendete Alucard seine kleine Intensivfolter.
Halb zufrieden gestellt lächelte er wieder. "Du kannst ja doch sehr
spannend sein wenn du es willst."
Ich entlockte meinem Gesicht ein gequältes Grinsen, gab jedoch keine
Antwort.
Mit einer leichten Bewegung seines Daumens durchtrennte er meine
Krawatte als wäre sie nur ein alter Hadernlumpen. Die letzten
Metallstangen bog er sich spielend zurecht und schlang sie um meinen
gequetschten Hals. Geflochten wie ein Kranz schnürten sie mir sichtlich
das Fleisch ein. Immerhin war ich froh, dass er mir keine Dornenkrone
gebastelt hatte, das wäre der Ironie zuviel.
Mein weißer Anzug war nun völlig ruiniert. Blut kroch in den Stoff und
verbreitete sich weitläufig. Noch dazu hatte Alucards brachiales Vorgehen
viele Löcher in den Stoff gerissen.
Katzengleich presste er seinen untoten Körper an mich und legte seinen
Kopf auf meine Brust. Ihn umgab der kühle Modergeruch von Erde und
Schimmel.
"Ich kann dein Herz schlagen hören, Major.", wisperte er leise in den
Stoff meiner Kleidung. "Und ich spüre, dass dort noch mehr als nur Öl
transportiert wird. Was hältst du davon wenn ich mir das mal genauer
ansehe?"
Ich öffnete die Lippen um meine provokante Antwort vorbringen. Doch er
fiel mir ins Wort. "Vielleicht schreist du dann ein bisschen. Nur für
mich. Bevor du dir die Lippen noch ganz zerkaust." Sein schallendes
Gelächter füllte die gesamte Halle und drang von allen Seiten in einem
grotesken Echo an mein Ohr zurück.
Mit der Ruhe eines alten Kammerdieners knöpfte er bemerkenswert
schnell alle vier Knöpfe meines Anzugs auf ohne irgendetwas zu
beschädigen. Es verwunderte mich, dass in dieser gewalttätigen Kreatur
noch ein Sinn für Ästhetik vorhanden war. Auf die gleiche Weise
verfuhr er mit meinem Button-Down-Hemd. Sorgfältiger als ich es je
getan hatte. Langsam schob er nun alle Stofflagen zur Seite.
Frisch und unberührt, ja schlichtweg menschlich wirkte meine bleiche
rosa Haut darunter. Obwohl ich meinen Kopf nur schwer bewegen konnte war
mir dieser Anblick natürlich nichts Neues. Mit den Fingerspitzen
betastete er die künstliche Haut, die sogar Wärme ausstrahlte. Genauso
schroff wie zuvor gruben sich seine Spinnenfinger in mein Fleisch. Die
Haut wölbte und verformte sich zusehends. Leichte Risse zeigten sich
und er begann die dünne Hautschicht in Bahnen abzuziehen.
An den Enden der Rissstellen wölbte sich die Silikonhaut in alle nur
erdenklichen Richtungen. Ich versuchte ruhig zu bleiben während die
formbildende und vergewaltigende Natur dieser Kraft mir auf's neue den
Atem nahm. Als er fertig war klaffte ein großes rundes Loch in meiner
Brust.
Der Schmerz ließ mich glauben auf schwammigem Boden zu stehen, der
jeden Moment weg sacken konnte. Selbst meine eingebaute
Schmerzregulierung hatte ihre Belastungsgrenzen, welche nun
hundertfach überstiegen waren.
Der Vampir hatte meine Haut wie die Rinde eines Baumes abgeschält und
betrachtete nun das Metall darunter. Ein leises matschiges Geräusch. Er
musste die Hautfetzen fallen lassen haben. Mein Atem war jetzt mit einem
leisen mechanischen Rasseln versetzt.
Leise zischte er durch die blitzenden Zähne. "Auch in dem Labyrinth
deiner Brust muss ein Herz versteckt sein." Seine Augenbrauen zuckten
plötzlich. Trotz seines Alters schien er verstanden zu haben wie man
so einen Stromkerzherz unterbringt und sichert. In Mitten einiger Kabel,
gut versteckt unter einem aufklappbaren Rippenbogen befand sich das
Herz.
Es wand sich blau glänzend in pulsierenden Bewegungen. Bei jedem
Pochen schimmerten ihm die metallischen Verschlusskappen entgegen und
dunkle Flüssigkeit mit Lufteinschlüssen verteilte sich in fingerbreiten
Arterienersatzschläuchen.
Seine Pupillen fixierten sich zusehends.
Das schwarze Ungeheuer warf einen langen, dunklen Schatten auf den mit
Schutt gesprenkelten Boden. Ich merkte wie dieser immer größer und
pulsierender wurde. Die Augen meines Feindes starrten Rubinrot in mein
Gesicht und verzerrten sich ein wenig während sich Lachfältchen um sie
häuften.
Wieder drückte die Gestalt sich an mich. Eine Hand links, die Andere
rechts auf meinen Rippenbogen aufgelegt. Dabei musste er links wieder
etwas Haut verschieben um Platz für seine Finger zu finden. Sein Gesicht
nährte sich dem Meinen.
"Deine schönen Rippen sind mir im Weg", seine Worte zerbarsten fast
von Emotionen als er mit den Fingerspitzen jeden einzelnen Metallbogen
der linken Seite wenigstens einmal hin und her fuhr.
Langsam schob er die behandschuhten Finger in den Spalt der Beide
mechanischen Rippenkästen von einander trennte. Ohne auf die vorgegebene
Art des Öffnens zu achten riss er den linken Flügel unvermittelt hoch,
bis er sich unter lautstarkem Knirschen, Quietschen und Knarren wie ein
eisernes Korsett öffnete und zerbrach. Splitter rieselten herab,
verteilten sich in meinem Inneren und blieben knisternd auf den hoch
empfindlichen Platinen liegen.
Jetzt waren es meine ungedämpften Schreie, welche die Halle füllten.
Speichel ran aus meinem Mund und ergoss sich Fäden ziehend auf meinen
geöffneten Hemdkragen. Atemlos hechelte ich soviel kühlende Luft in
meine Lungen wie ich konnte, doch es fühlte sich nur an als atmete ich
Flammen ein. Mehr noch versengenden, ätzenden Teer.
Alucards Mitgefühl war ein heißes Mitfiebern. Er hatte seine kalte
Wange ganz nah an die Meine gelegt und empfing jeden meiner tiefen
Atemzüge mit einem erregten Lächeln. Selbst in Situationen höchster
Lust war dieses Monster in der Lage eine gewisse ästhetische Distanz
zu wahren.
"Du bist immer noch lebendig - wie außergewöhnlich! Du bist so viel
mehr als ein bloßer Mensch!", verkündete Alucard in ekstatischem
Tonfall.
Seine Spitze Zunge leckte über meine von Zähnen zerschnittenen Lippen
und nahm meinen glänzenden Speichel auf. Ich dachte er würde mir die
Lippen abbeißen und sie auf den Boden spucken. Seine spitzen Zähne
schnellten voran, wobei sich die Speichelfäden endlos lang dehnten bis
sie rissen. Doch er stoppte. Er tat es nicht.
Ob es sein Ziel war diese Gedanken in meinem Gesicht zu sehen? Einen
Moment der Entgleisung, an dem er sich hochziehen konnte? Sein
angeheitertes Lachen verriet die Absolutheit meiner Vermutung.
Mit einer eigenartigen Eleganz schob er seine breiten Schultern nach
hinten und presste die Schulterblätter zusammen, dabei glitt er nach
unten, um besser zu sehen und seinen Schatz aus meiner Brust ausbauen
zu können.
Rigoros rupfte er die Kabel aus ihren Verbindungen. Kleinere Entladungen
und Stromschläge konnten ihn auch nicht davon abhalten die künstlichen
Arterien zu trennen. Blut floss wie sonderbare Perlen, die in den Stoff
seiner Handschuhe einsickerten und die Fasern schwärzten.
Langsam hob er das von hellem Donner zuckende Kunststoffherz heraus
und betrachtete es siegreich. Es hatte sich schon vollständig geleert und
wirkte rein, als wäre es nie benutzt worden.
Das Licht zeichnete tiefe Furchen auf mein Gesicht, während mein Atem
stagnierte. Der Kupfergeruch von Blut machte sich in meinen Atemwegen
breit.
Behutsam drehte er das schimmernde Herz in seiner Hand und besah es
sich näher.
Alle Sensoren hatten den Dienst versagt und mein Sichtfeld tauchte in ein
weißgraues Flirren. Meine Augen waren weit aufgerissen. Sie starrten nun
leicht künstlicher als sonst, in ihrem glanzlosen gelb.
Alucard öffnete die Lippen. Seine weißen Zähne blitzten mich an als er
das Herz an seine von frischem Speichel benetzten Lippen führte.
Befremdliche Schönheit im letzten Augenblick.
fanfic