Zwei an einem Tag

Mar 10, 2012 14:35


Ich glaube, du hast Angst vorm Glücklichsein, Emma. Ich glaube, du hältst es für normal, dass dein Leben grau, trist und hart ist, du deinen Job und deine Wohnung hasst und weder Erfolg noch Geld noch, Gott behüte, einen Freund hast (hier eine kleine Exkursivität: Diese ganze Minderwertigkeitsnummer darüber, wie unattraktiv du bist, wird langsam langweilig, kann ich dir sagen). Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass du es genießt, enttäuscht zu werden und hinter den Erwartungen zurückzubleiben, weil es einfacher ist, stimmts? Scheitern und unglücklich sein ist leichter, weil du dich darüber lustig machen kannst. Nerve ich dich schon? Ich wette, ja. Aber ich bin noch längst nicht fertig.

Em, ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du in dieser schrecklichen Wohnung mit den komischen Gerüchen und Geräuschen und den nackten Glühbirnen oder im Waschsalon herumhängst, und übrigens gibt es heutzutage keinen Grund mehr, einen Waschsalon zu benutzen, sie sind weder cool noch politisch, sondern nur deprimierend. Ich weiß nicht, Em, du bist jung, praktisch ein Genie, und trotzdem hältst du den Gang zur Schnellwäscherei für das Nonplusultra der Unterhaltung. Also, ich finde, du hast was Besseres verdient. Du bist intelligent, witzig und nett (zu nett, wenn du mich fragst) und der bei weitem klügste Mensch, den ich kenne. Und (noch ein Schluck Bier - tief Luft holen), du bist außerdem einen Sehr Attraktive Frau. Und (mehr Bier) ja, damit meine ich auch »sexy«, obwohl mit beim Schreiben leicht flau wird. Aber ich werde es bestimmt nicht durchstreichen, bloß weil es nicht politisch korrekt ist, jemanden »sexy« zu nennen, weil es nämlich STIMMT. Du bist der Hammer, altes Mädchen, und wenn ich dir den Rest deines Lebens nur noch eine Sache schenken könnte, wäre es das: Selbstvertrauen. Das Geschenk des Selbstvertrauens. Das oder eine Duftkerze.

[aus: »Zwei an einem Tag« von David Nicholls, S. 59f, H.i.O.]

Meine Psychologin hatte mir das Buch »Zwei an einem Tag« von David Nicholls empfohlen. Als ich das Cover sah, war ich überhaupt nicht begeistert, es sah mir viel zu sehr nach schmalziger Liebesgeschichte aus. Zum Glück erwies es sich als sehr schönes und vor allem sehr gutes Buch, das ich bedenkenlos jedem weiterempfehlen kann.
Sehr interessant finde ich, dass es über einen Zeitraum von 20 Jahren spielt und immer nur der 15. Juli des jeweiligen Jahres beleuchtet wird.

~ · × · ~


  »So. Und was ist mit dir?«, fragte er mit einer Stimme, die sie insgeheim seine Psychiaterstimme nannte. »Irgendwas Neues? Irgendwelche Action? An der Liebesfront?«

»Ach, du kennst mich. Ich bin völlig gefühllos. Wie ein Roboter. Oder eine Nonne. Eine Roboter-Nonne.«

[aus: »Zwei an einem Tag« von David Nicholls, S.92]

~ · × · ~

»Weißt du, was ich nicht kapiere? Alle möglichen Leute sagen dir ständig, wie toll, klug, witzig und talentiert du bist, ich meine, die ganze Zeit, ich sags dir schon seit Jahren. Warum glaubst dus nicht endlich? Was meinst du, warum die Leute dir dieses Zeug sagen, Em? Glaubst du, es ist eine Verschwörung, und sie tun sich hinter deinem Rücken zusammen, um nett zu dir zu sein?«

[aus: »Zwei an einem Tag« von David Nicholls, S.97]

~ · × · ~

»Mitleid mit der alten Jungfer. Ich bin völlig zufrieden, heißen Dank. Und ich lasse mich nicht über einen Freund definieren. Oder darüber, dass ich keinen habe. (…) Wenn man einmal beschlossen hat, sich um diesen ganzen Kram keine Gedanken mehr zu machen, Verabredungen, Beziehungen, Liebe und so weiter, ist man frei, mit dem richtigen Leben weiterzumachen. (…)«

[aus: »Zwei an einem Tag« von David Nicholls, S. 361]

~ · × · ~

Manchmal hat sie den Eindruck, ihr Leben anhand ihrer Ängste um drei Uhr morgens zusammenzufassen zu können.

[aus: »Zwei an einem Tag« von David Nicholls, S.447]

~ · × · ~

»Was willst du mit deinem Leben anfangen?« Ihr kam es vor, als sei ihr die Frage schon ihr ganzes Leben lang gestellt worden; von Eltern, Lehrern, von Freunden um drei Uhr morgens, aber nie war sie ihr dringlicher vorgekommen als jetzt, und trotzdem war sie der Antwort keinen Deut näher gekommen. Die Zukunft baute sich drohend vor ihr auf, eine Aneinanderreihung leerer Tage, einer beängstigender und ungewisser als der nächste. Wie sollte sie sie je nur alle ausfüllen? (…)«

[aus: »Zwei an einem Tag« von David Nicholls, S.38]

bücher, zitate

Previous post Next post
Up