Eigentlich will ich ja nicht an der Schöpfung rumkritteln. Immerhin bin ich ein gutes Beispiel dafür, wie annähernd perfekt sie arbeitet. Andererseits: Frauen - sowohl die vier- wie auch die zweibeinigen Exemplare - sind ebenfalls Produkte der Schöpfung. Und das könnte einen manchmal schon ins Zweifeln darüber bringen, wie durchdacht ihre Planung ist.
Verstehen Sie mich richtig: Ich habe nichts gegen zwei- und vierbeinige Mädchen. Ganz im Gegenteil. Ich liebe Diamond und Princess*, ich verehre Jana und ich finde es großartig, dass ich weibliche Fans** habe, die meinetwegen quer durch Deutschland reisen. Aber manchmal ... also, es gibt so Tage ... wie soll ich es sagen? Am besten, ich erzähle die ganze Geschichte, ja? Und Sie können sich ruhig die blaue Bank neben mein Gehege ziehen und sich setzen. Ist gemütlicher so, nicht?
Der Behauptung, dass ich immer nur schlafe, muss energisch widersprochen werden: Manchmal - und jetzt ist so ein Moment - bin ich hellwach!
(c)Thomas Sommer
Also, es hat heute morgen damit angefangen, dass mein Mensch mal wieder anderweitig beschäftigt und nicht auf dem Plat zwar. Sie wissen, ich goutiere das generell nicht. aber was das angeht, hört er ja nicht auf mich. Dafür war aber der Krone-Zoo offen und wir hatten reichlich Besucher, darunter auch eine eigentlich freundlich aussehende, ältere Dame, die offenkundig ihre beiden Enkelinnen ausführte. Natürlich stand das Trio erstmal vor den Seelöwen - diese aufdringlichen Tiere, die den ganzen Tag rumschreien, haben ja dauernd fast eben so viel Besuch wie ich (nein, ich bin nicht eifersüchtig. Überhaupt nicht. Ich finde nur, dass ich viel schöner bin als die. Ich habe nämlich eine Mähne. Und blaue Augen. Und rosa Pfoten. Und ich bin nicht glitschig und bettle auch nicht dauernd nach Fisch. So). Aber danach marschierten sie in meine Richtung - und was musste ich da hören? Oma nahm die Kinder bei der Hand und verkündete: "Guck, da sind die Tiger!"
ARGL! Ich habe ja nix gegen Tiger, aber verflixt noch mal, steht denn an meinem Gehege nicht groß genug, dass ich ein Löwe bin? Und als solcher fände ich es wirklich unter meiner Würde, die ganze Zeit in einem gestreiften Pyjama zu stecken! Tiger mögen die stehen, aber ich finde, dass unsereins in elegantem Goldbraun oder zartem Creme wie meine schöne Diamond viel besser aussieht. Und wer als königlicher Löwe richtig auffallen will, trägt weiß und zeigt als Markenzeichen die Spitze einer rosa Zunge. Ist doch nicht so schwer zu verstehen, oder? Und wahrscheinlich verstehen Sie auch, dass es mich ärgert, wenn ich als "Tiger" bezeichnet werde.
Was mich aber fast noch mehr gemopst hat: Keine drei Meter von der Dame entfernt, die mich eben als "Tiger" bezeichnet hatte, war Jana unterwegs.
Jana und eines ihrer arabischen Schmusetiere
(c)Maresa Mader
Jana - die Dame, mit der ich Martins Herz teile; Jana, die ich in Kinderzeiten so oft beschmust habe; Jana, über deren Rehbraten ich wahre Oden geschrieben habe; Jana, die Schöne, die Graziöse, die Elegante; Jana, die - so sorry, Martin, aber es muss mal gesagt werden - aber am Ende auch nur eine Frau (und folglich bisweilen ein Biest) ist, was sie heute bewiesen hat. Anstatt nämlich unsere Besucherin darüber aufzuklären, dass ich ein Löwe bin, schwieg sie. Und mehr noch: Sie hat mich angegrinst! Und dass sie dabei nicht auch noch die Zunge herausgestreckt und "Bätsch, Tonga!" gerufen hat, war noch alles.
Ich weiß natürlich, was dahinter steckt. Es war ihre kleine Rache dafür, dass Diamond und ich vorgestern mal wieder eines ihrer behuften Schmusetiere beim Vorbeimarsch hungrig angeguckt habe. Es trug mir prompt ein "Tonga, denk nicht einmal dran!" und einen sehr strengen Blick zu - und heute eben ihre Mißachtung in Sachen Verteidigung meiner Löwenwürde.
Aber das ist unfair! Sie versteht meinen Blick auf ihre Schätzchen aus dem Pferdestall nämlich ganz falsch. Ich habe gar nichts gegen die, im Gegenteil! Ich finde sie im Gegenteil sehr appetitlich - und das sollte Jana doch eigentlich als Kompliment sehen! Ich bin nämlich ein ausgesprochen wählerischer Löwe, der bestimmt nicht alles, was da an seinem Gehege vorbei marschiert, fressen würde. Die Zebras zum Beispiel - ne, wirklich nicht. Abgesehen davon, dass ich - siehe oben - nicht so sehr auf Streifen stehe, sehen die zäh aus. Und die Kamele könnte man mir auch schenken - diese Höcker sehen ausgesprochen fettig aus und ich mag's nun mal kein Fett. Die Pferde dagegen sind perfekt: Muskulös, fit, seidiges Fell - was will man mehr? Und mir ist natürlich klar, dass sie es Janas Training zu verdanken haben, dass sie so gut in Form sind, ergo drückt mein hungriger Blick Anerkennung für ihre Arbeit aus. Aber sie ist eine Frau - und Frauen verstehen einen nicht immer richtig.
Außerdem sind sie manchmal biestig, wie ich feststellen musste, nachdem Jana verschwunden war. Diamond hat nämlich mal wieder so getan, als ob sie mit der Sache überhaupt nichts zu tun hätte - dabei hat sie sich sogar die Schnauze geleckt als sie das Pferd gesehen hat! Und Princess feixte gar und hat nachher überlegt, wie ich wohl mit Streifen aussehen würde.
Frauen! Man(n)wird ihnen nur Herr, wenn man(n) zusammenhält - und wie, bitte, soll ich das mit dem Zusammenhalt machen, wenn Martin dauernd nicht da ist und mich unter so vielen Frauen alleine lässt?
Ich hab's nicht leicht - und darum ziehe ich mich jetzt zu einer längeren Denkpause zurück.
(c) Thomas Sommer
Würde es Ihnen etwas ausmachen, mit der Bank leicht nach links zu rücken, damit sie mir Schatten spendet? Danke! Und bis bald mal wieder - wenn ich ausgeschlafen habe!
(c)Thomas Sommer
* in alphabetischer Reihenfolge, damit sie sich nicht anzicken müssen!
** Hallo, Claudia, Karin, Christina, Michele, Katja I und II und III und alle anderen Katjas, die mich toll finden; hallo, Eva, hallo unbekannte Schöne, die Du Dich leider noch nicht bei mir vorgestellt hast!