Bericht der Kommission zur Überprüfung der Ausstellung Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht

Oct 27, 2008 12:00

Bericht der Kommission zur Überprüfung der Ausstellung
„Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“

Omer Bartov, Cornelia Brink, Gerhard Hirschfeld, Friedrich P. Kahlenberg,
Manfred Messerschmidt, Reinhard Rürup, Christian Streit, Hans-Ulrich Thamer..

....Im Frühjahr 1997 meldeten sich in der überregionalen Presse einige angesehene Historiker
kritisch zu Wort, ohne jedoch die ausgestellten Fotos und Dokumente konkret in Zweifel zu
ziehen....Hinweise im Bild, schriftliche
Dokumente, Beschriftungen in anderen Archiven als den benutzten, Zeitzeugenaussagen, neue
Fotos und Filmbilder lassen in einigen Fällen vermuten, dass einige der präsentierten
Aufnahmen keine Wehrmacht-, sondern NKWD-Verbrechen zeigen, obwohl ihre
Beschriftungen in der Ausstellung mit denen der konsultierten Archive übereinstimmen...
Unhaltbar ist die Ansicht, nur solche Fotos gehörten in die Ausstellung, die
Wehrmachtsoldaten und -offiziere im Augenblick der Exekution zeigen, um dann daraus zu
folgern, lediglich ca. 10% des in der Ausstellung verwendeten Bildmaterials zeigten Verbrechen
der Wehrmacht. Die Ermordung der Juden, der sowjetischen Kriegsgefangenen und der
Zivilbevölkerung war nur als arbeitsteiliger Vorgang innerhalb des militärischen und
polizeilichen Exekutivapparates des „Dritten Reiches“ möglich (Heereseinheiten,
Feldgendamerie, Geheime Feldpolizei, Waffen-SS-Einheiten, einheimische Milizen,
Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, Ordnungspolizei etc.). Mit anderen
Worten: Aufnahmen von Bahnbeamten (214/2), SS oder Milizen gehören somit durchaus in
eine Ausstellung über „Verbrechen der Wehrmacht“. Allerdings haben die Autoren es in
einigen Fällen versäumt, die auf Fotos erkennbaren Gruppen zu benennen...Der gravierendste Vorwurf an die Autoren lautet, dass einige Fotografien Opfer des
sowjetischen NKWD, und nicht - wie in der Ausstellung behauptet - der Wehrmacht zeigen.
Soweit bekannt, hat der NKWD seine Gefangenen vor dem deutschen Einmarsch in der Regel
nach Osten evakuiert. Wo dies wegen der Kürze der Zeit nicht möglich war, wurden oftmals
Gefangene ermordet, die wegen sogenannter „konterrevolutionärer Verbrechen“ verurteilt bzw.
dieser beschuldigt waren. In mehr als zwanzig Orten Ostgaliziens fanden Wehrmachttruppen
beim Einmarsch massenhaft Leichen von NKWD-Häftlingen. Die Wehrmacht ließ die Toten -
zumeist von den Juden im Ort - exhumieren. Für Lemberg, Niemirow, Sokal, Tarnopol und
Boryslaw gibt es Hinweise darauf, dass sich Soldaten der Wehrmacht an den anschließenden
antijüdischen Pogromen beteiligten [Pohl]....Während die Ereignisrekonstruktionen - soweit
bisher auf der Grundlage der wenigen vorliegenden Regional- bzw. Lokalstudien überhaupt
möglich - weitgehend unstrittig sind, bleiben im Hinblick auf die Fotos der Ausstellung vor
allem folgende Fragen zu beantworten: Zeigt die Ausstellung Fotos, die während dieser
Massaker aufgenommen, von den Ausstellungsmachern aber nicht als solche erkannt worden
sind? Wer sind die Toten? Lassen sie sich (aufgrund ihres Verwesungszustandes, ihrer Lage,
Blutspuren etc.) eindeutig als Opfer des NKWD bzw. der Wehrmacht identifizieren? Blicken
die abgebildeten Wehrmachtangehörigen, SS-Männer, ukrainischen Milizen auf die von ihnen bzw. mit ihrer Unterstützung ermordeten Juden oder betrachten diese Männer die exhumierten
Opfer des NKWD?...
=>Die Fotos aus Zloczow sind an verschiedenen Stellen
im „Eisernen Kreuz“ zu sehen - offenkundig haben die Autoren sie nicht einem eigenen
Tatkomplex zugeordnet. Auch das Foto aus Boryslaw ist im Abschnitt „Genickschüsse“ des
„Eisernen Kreuzes“ ausgestellt, d.h. wie schon die Zloczow-Aufnahmen ohne begleitendeDokumente und ohne jeden Bezug auf die NKWD-Morde.Das Foto, das nach Feststellung
eines Kritikers Gefängnisinsassen zeigt, die Ende Juni 1941 vom NKWD in Lemberg ermordet
wurden, findet sich im Serbien-Kapitel der Ausstellung, wo es das Massaker in Kraljewo im
Oktober 1941 dokumentieren soll...
Für Zloczow kann inzwischen als gesichert gelten, dass zwei
der im Katalog gezeigten Aufnahmen Opfer des NKWD zeigen..Auf dieser Aufnahme sind auch Särge mit Kreuzen zu sehen,
außerdem mit Tüchern bedeckte Leichen. Der wiederholt vorgebrachte Einwand, einige der
abgebildeten Uniformierten hielten sich Taschentücher vor Nase und Mund, um sich vor dem
Verwesungsgeruch der zu ihren Füßen liegenden Toten zu schützen, weshalb es sich nur um
NKWD-Opfer handeln könne, trägt allein nicht. Die Geste muss nicht zwangsläufig bedeuten,
dass der Verwesungsgeruch von jenen Leichen ausgeht, die auf dem Foto zu sehen sind.
Ebensogut können sich die exhumierten Toten an anderer Stelle des Hofes befinden, die aber
auf diesen Fotos nicht zu sehen sind [dazu Hesse]....

verbrechen der wehrmacht, omer bartov, manfred messerschmidt, nkwd, christian streit

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