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Feb 09, 2006 13:21

Selbstbetrug

Sie steht an das Geländer des Stegs gelehnt. Ich glaube, es ist Frühling oder Herbst. Die Abendsonne lässt die Ränder ihres Umrisses rot leuchten.
Wenn ich näher gehe, wirkt sie kleiner als vorher. Eigentlich ist sie richtig klein. Das fällt aber fast nie auf. Ihre zerzausten Haare leuchten golden und duften nach Zukunft. An die Zukunft erinnere ich mich gerne. Vielleicht auch nur, weil sie so gut riecht.
Würde sie sich umdrehen, sähe man ihre feinen Züge, vielleicht ein verschmitztes Lächeln. Wahrscheinlich hängt ihr wie immer eine Strähne ins Gesicht. Sie hat grüne, klare Augen, von großer Tiefe. In ihnen etwas zu lesen fällt in etwa so schwer wie das Leben auf einer einsamen Insel. Oder in einer Einsiedlerhütte hoch in den Bergen, im Schnee.
Wenn ich ganz still bin, höre ich ihren sanften Atem, über das Rauschen des Wassers hinweg. Frieden.
Das Bild eines fliegenden Vogels erscheint vor meinen Augen.
Ich hoffe, es ist ein Kolibri.
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