http://jungle-world.com/artikel/2009/28/35428.html Dazu aus grauer Vorzeit meines Studienanfangs:
"Vorigen Mittwoch, das war der 16. November [2005], hat PD Dr. Hochhuth einen Vortrag zu dem Thema "Wie frei sind 'nationalsozialistische' Äußerungen und Demonstrationen unter dem Grundgesetz?" gehalten. Diese gut besuchte Veranstaltung wurde vom AKJ Freiburg organisiert. Zunächst gab Hochhuth einen kurzen Überblick über die Entwicklung in der Rechtsprechung zu dieser Thematik. Nach derzeitigem Stand der Rechtsprechung können Aufmärsche und andere Veranstaltungen im Hinblick auf die „öffentliche Ordnung“ jedenfalls mit Auflagen versehen werden. Die dann darin bestehen können, eine Demonstration terminlich zu verschieben, um eben an sensiblen Tagen - wie dem 30. Januar oder dem 8. Mai - Demonstrationen im Blickpunkt der Medienöffentlichkeit unterbinden zu können. An dieser Rechtsprechung übte Hochhuth jedoch zu Recht Kritik. Eben das Abstellen auf die „öffentliche Ordnung“ laufe der grundgesetzlichen Idee der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zuwider. „Öffentliche Ordnung“ richtet sich immer nach der Ansicht der Mehrheit (in dem zu entscheidenden räumlichen Gebiet). Aber das Grundgesetz will gerade auch der Minderheit ein öffentlichkeitswirksames Artikulationsrecht geben. Zudem muss auch bedacht werden, dass diese Argumentation zur Unterbindung von öffentlichen Versammlungen auch anderer Demonstrationsgruppen verwendet werden kann (wie zum Beispiel „Linke“, Atomkraftgegner etc.). Damit steht die Frage im Raum: muss man den Neonazis also die Straße überlassen? Die Antwort von Hochhuth ist: nein und dies begründet er mit der folgenden Überlegung:
Das Grundgesetz habe nicht nur eine radikal-freiheitliche Wertordnung, die eben u.a. in Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Recht auf Waffenverweigerung auch im Verteidigungsfall zum Ausdruck kommt. Sondern zudem eine antifaschistische Ausrichtung. Dies könne an einzelnen Stellen des Grundgesetzes abgeleitet werden, die sich nur vor dem Hintergrund „Nie wieder Nationalsozialismus“ erklären lassen. Dazu zu zählen seien u.a.: Stellung der Menschenwürde vor dem Leben (Art. 1 GG), Verbot der Zwangsarbeit (Art. 12 Abs. 3 GG) und eben Art. 139 GG. Dessen Wortlaut ist: „Die zur ‚Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus’ erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.“ Der Hintergrund dieser Regelung ist in dem Versuch der Entnazifizierung und Re-education der deutschen Bevölkerung durch die Alliierten zu sehen. Die West-Alliierten hatten Angst, dass die von ihnen dazu erlassenen Vorschriften durch das Grundgesetz ausgehebelt werden könnten (eben durch Berufen auf die Meinungsfreiheit etc.). Während in der heutigen Kommentarliteratur zu dieser Vorschrift zu lesen ist, dass sie stets eine geringe und heute faktisch gar keine Bedeutung mehr habe, will Hochhuth diese Vorschrift und die dahinter stehende Idee nutzen, um öffentliche Aufmärsche der Nazis unterbinden zu können."
Quelle:
http://www.strafrecht-online.org/index.php?dl_init=1&id=2504