Demokratie und Demokratiedefizit der Europäischen Union

Dec 20, 2007 04:10

DIREKTE DEMOKRATIE UND DEMOKRATIEDEFIZIT

Zum Abschnitt der Wissenskluft zwischen Parlamentatiern und Bürgern (ich hoffe mal diemeisten der ersten Gruppe hätten den Kosovo grob richtig verortet und auf einer Europakarte bei zwei namenlosen Ländern richtig Slowenien nicht mit Slowakei verwechselt), wo ich mir natürlich auch wünschen würde dass es einen YouTube Link gäbe, beantwortet der ebenfalls lesenswerte Beitrag des von mir hochgeschätzten Burkhard Hirsch ja schon die Frage, wie es dazu kommt dass viele Parlamentarier vom meisten nur wenig wissen.

Michael Moore hat ja die US-Abgeordneten im doppelten Wortsinn schön vorgeführt als er erfragte, dass exakt Null (0) Abgeordnete das Gesetz gelesen hatten das den Bürgern viele Rechte und allen Datenschutz wegnahm. Natürlich sollten wir hier die USA nicht als Benchmark nehmen für das was wir von unseren Parlamentariern erwarten.

Möglicherweise stimmen Sie mir nicht zu, dennoch ist meine Überzeugung dass viele Elemente der direkten Demokratie dann problematisch werden wenn Dunbars Zahl von 150überschritten wird:
http://en.wikipedia.org/wiki/Dunbar%27s_number

Wennwir von 80 Millionen Wählenden ausgehen, ist nur noch von einem sehr geringen Teil zu erwarten, dass sie die notwendige Zeit und Energie aufbringen, sich tatsächlich mit den Inhalten europäischer (oder besser: nicht kommunaler) Entscheidungen zu befassen, die eben ausnahmslos nichttrivial, also komplex sind. Umgekehrt sehen Mediatoren die versuchen wollen, ihre Position zu vermitteln und für diese um Unterstützung in der wählenden Bevölkerung nachzusuchen, sich vor zwei Schwierigkeiten:
* Nur mit einem hohen Aufwand an finanziellen Mitteln, die den Vertretern mancher Positionen eher zur Verfügungs tehen als denen anderer Ansichten und/oder einem unbeschränkten Zugang zu breitenwirksamen (ggf. eigenen) Medien ist es möglich, die eigene Position allgemein nicht nur bekannt zu machen sondern auch zu erklären.
*Nur mit einer z.T. ins Groteske gehenden Vereinfachung lassen sich die eigenen Botschaften so transportieren, dass sie zitierfähig für Tageszeitungen oder 30sek Fernsehschnipsel werden oder auf Plakate passen die auch gelesen werden. Das geht dann gerade bei einer wachsenden Zahl an Referenden - siehe die Schweizer Schengen-Diskussion- bis zu simplistischem 1976'er Pathos (Freiheit oder/statt Sozialismus).

Damit ist der Demokratie nicht wirklich geholfen.

Das Volksbegehren dagegen, ein Initiativrecht einer signifikant grossen Teilmenge des Volkes, halte ich für ein wichtiges und wertvolles Mittelder direkten Demokratie in der Europäischen Union - weshalb ich diese Möglichkeit ebenso begrüsse wie die die Stärkung des Europäischen Parlaments, auch wenn ich mir mit den meisten meiner Gesprächspartner darüber einig bin dass dieser überfällige Schritt nooch lange nicht weit genug geht - natürlich braucht das Europaparlament ein Initiativrecht und während die Souveränität nationaler und regionaler(!) Parlamente nach dem Subsidiaritätsprinzip unangefochten bleiben sollte, sollten innerhalb der EU die Entscheidungen mehr und mehr zum Parlament verlagert werden - in dem übrigens auch ich mich dann dafür einsetzen will, wenn ich dort im von mir gewünschten Maße tätig werden kann. Denn meiner Überzeugung nach muss der Druck auf die anderen Entscheidungsgremien, auch über die Europäische Öffentlichkeit, viel deutlicher als bisher von Strassburg ausgehen, von den Parlamentsmehrheiten oder doch relevant starken demokratischen Koalitionen darin. Wenn das Europaparlament sichtbar für seinen Einfluss kämpfen würde, würde auch die Wahrnehmung von Demokratie und Demokratiedefizit innerhalb der EU sich in der breiten Öffentlichkeit verschieben.

Denn natürlich sind EU-Kommission und Ministerrat, ist 'Brüssel', keinen Deut leichter dazu bereit Macht abzugeben als das die nationalen Parlamente und Regierungen sind - tatsächlich wehren sich die als "Eurokraten" geschmähten Brüsseler, die keineswegs immer schlechte Politik machen, dagegen noch heftiger als die als "Euroskeptiker" kritisierten Briten dagegen, Macht und Einfluss abzugeben. Also müssen wir uns, also werde ich mich, für mehr Demokratie und eine weitere Stärkung des Europaparlaments engagieren.

Mit Gruss aus Tübingen,
Wolfgang G. Wettach

german, europe, politics

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