Der Frühling ist hier

Apr 20, 2011 13:08

Es ist warm und die Sonne scheint und der Himmel ist perfekt blau und das ist so ein Tag, wo ich einfach mal inne halte und dankbar bin.

Heute morgen hatte ich wieder die Vorlesung "Einführung in die Ethik" und ich bin immer noch der Meinung, dass acht Uhr morgens für so ein Thema der falsche Zeitpunkt ist. Nein, nicht weil ich nicht so früh aufstehen will, sondern weil man um acht einfach mental noch nicht bereit ist für Präimplantationsdiagnostik und Sterbehilfe. Aber es sind wichtige, interessante Themen und ich mag die Vorlesung viel mehr als erwartet. Ich hab letztes Semester bei "Umweltethik" schon gemerkt, dass mich ethische Themen überraschenderweise doch viel mehr interessieren und bewegen als ich es gedacht hatte. Wen zählen wir zur 'moral community'? Wann beginnt ein Leben, wann hört es auf? Wer entscheidet das? Bedeutet das Anrecht auf Glück auch das Anrecht auf glückliches Sterben? Und wo steh ich ganz persönlich bei solchen Themen? Es macht einen alles sehr, sehr nachdenklich.

Und danach habe ich "Konfessionslosigkeit als missionarische Herausforderung" und heute hat uns ein Vikar von einer 'Gemeindepflanzung in Bergen Rotensee erzählt. Das ist ein Plattenbauviertel in Bergen, wo praktisch nur Leute "auf dem Abstellgleis" wohnen. Und dann erzählt der Vikar, wie er nach und nach mit den Einzelnen ins Gespräch kommt und Vertrauen aufbaut. Das sind zum Teil Leute, die seit Jahren nur noch zum Einkaufen aus dem Haus kommen und Gemeinschaft ganz neu lernen müssen. Und er geht da hin und trinkt mit den Leuten Kaffee und schaut sich russische Don-Kosaken-Filme an, weil es halt das ist, was die Menschen da machen. Er nimmt sie so an wie sie sind. Ich fand das zutiefst beeindruckend, weil ich glaube ich könnte das nicht. Aber dieser Vikar sagt, Gott wird ihm schon Türen öffnen und ich bewundere das, diese Art von Glauben. Ich bete nur selten und von Gottesdiensten will ich gar nicht erst anfangen, aber für ihn offenbart sich da Gott. Und dieser Mensch lebt den Glauben vor, das ist seine Art die Menschen dort zu erreichen. Und dann denk ich an Luther und frage mich, ob ich zu wenig tue, weil hey -- das ist ja DAS Problem Luthers, nicht? Wie bestehen wir vor Gott? Aber dann denk ich an die Reformation und dass es nicht an mir liegt, sondern an Gottes Gnade. Und vielleicht sind Gebete ja einfach nichts für mich, sondern ich bin ihm auf andere Weise nah. An einem Tag wie heute, zum Beispiel. Der mich zum Nachdenken bringt während die Sonne meine Haut wärmt. Oder in Gedichten mit Sätzen so schön, dass ich sie nie aus der Hand legen möchte.

Und einer sah über's Ährenfeld
und fühlte die Augen brennen.
Und sprach: "Dass es Menschen gibt,
die für Menschen sterben können?!"

Und er fühlte Staunen in sich,
als er weiterspann:
"Und dass es Dinge gibt,
für die man sterben kann?!"

Es war ein junger Mensch.
Es ging um die Abendzeit.
Der Himmel war Dunkel.
Wind ging.
Das Korn blühte weit.

Sie gingen gebeugt
Im letzten Licht.
Einer ging mit.
Sie erkannten ihn nicht.

- Bertolt Brecht

sehnsucht nach gott, unileben, steinbruch der wörter, haters to the left

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