Es muss mal gesagt werden

Nov 16, 2010 20:50

Auch wenn es total geekig ist und nerdy und überhaupt, aber ... ich liebe Kirchengeschichte. Wenn ich könnte, würde ich es heiraten. Ich hab dieses Semester "Konziliengeschichte" und wir sind nur drei Leute -- einer davon ist der Prof. Es ist großartig. Ich hatte vorher keinen Plan vom Byzantinischen Reich und der frühen Kirche, aber es ist toooooooooooll. Heute haben wir über das 3. Konzil geredet (431). Göttlich (höhö). Hab mich selten über Kirchengeschichte so amüsiert.

Auf der einen Seite haben wir

Nestorius: Bischof von Konstantinopel, orthodox, eigentlich nicht weiter auffällig bis auf dass er Maria als "Christusgebärerin" und nicht "Mutter Gottes" bezeichnet -- aber er will damit eigentlich nur getreu den Beschlüssen des 1. Konzils die zwei Naturen Christi betonen

Auf der anderen Seite haben wir

Kyrill: Bischof von Alexandrien, orthodox, konzilientreu, vielleicht ein "bisschen" machthungrig

Dann hätten wir da noch

den Papst: eigentlich interessiert niemanden seine Meinung, weil die orientalische Kirche damals das Sagen hatte, aber wenn er in Streitfragen deiner Meinung ist ist er natürlich ganz praktisch

Theodosius II: Kaiser ... aber eigentlich kann man ihn getrost übergehen
Alles fängt mit Briefen an. Kyrill schreibt Nestorius einen, erzählt so von der wahren Lehre, ermahnt Nestorius ein klitzekleinwenig die auch ja zu predigen und so ... wirklich nichts schlimmes. Ist auch noch nett im Ton und voller christlicher Bruderliebe und blub und blah. Er unterstellt Nestorius nicht, dass er was falsches predigt oder so ... dann kommt die Antwort. Die müsst ihr euch ungefähr so vorstellen:

HÖR AUF MICH ZU BELEIDIGEN, DU ARSCH! UND SOWIESO HAST DU VON TUTEN UND BLASEN KEINE AHNUNG! Ich erzähl dir mal, wie das richtig abläuft ... -- er führt also alle möglichen angeblichen Falschlehren von Kyrill an, die aber nie in dem ersten Brief auftauchten - genauso wenig wie die Beleidigungen. Ich weiß nicht welchen Brief Nestorius vorher gelesen hat, der von Kyrill war es sicherlich nicht. Er ereifert sich dann auch noch über Themen, die ebenfalls in dem vorherigen Brief nicht erwähnt wurden und macht generell den Eindruck, als ob ihm Kyrill mal die Freundin ausgespannt oder das Pausenbrot geklaut hätte.

Das alles kann Kyrill natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Flugs erfindert er irgendwelche häretischen Lehren und legt sie Nestorius in den Mund. Dann ruft er den Papst an (also nicht per Telefon, eher Brief denk ich) um die Häresie zu verdammen. Der Papst hat keine Ahnung von Nichts (aber Rom ist auch einfach so verdammt weit weg von der Orientalischen Kirche, wo der Bär steppt zu der Zeit), hat sowieso was Besseres zu tun und überträgt einem Mönch die Entscheidung. Mönch wollte offenbar schon immer mal ein Ferienhaus in Alexandrien und gibt Kyrill recht.

Und eigentlich müsste die Geschichte hier zu Ende sein. Ist sie aber nicht.

Theodosius II. wollte sich wichtig tun ... vielleicht war ihm aber auch nur langweilig oder er wollte seinen Namen gerne in Kirchenannalen lesen. Jedenfalls beruft er ein Konzil ein. Das von Ephesos. Dumm nur, dass praktisch nur Kyrill da mit seinen Anhängern auftaucht. Nestorius ist zwar auch eingeladen, aber kommt nicht. Hatte offenbar keinen Bock drauf, dass mal die Fetzen fliegen. Also hat Kyrill freie Bahn, ergibt sich seinen despotischen Anwandlungen und lässt Nestorius mal so eben als Häretiker verdammen. Finden die Unterstützer Nestorius, die drei Tage zu spät zum Konzill kommen jetzt nicht so nett. Allerdings haben die scheinbar auch keine Lust auf eine gefplegte Keilerei -- sie halten stattdessen ein paralleles Konzil ab. Ist ja auch viel netter so unter sich, wo alle der gleichen Meinung sind und man sich nicht mit der Mehrheit feindlich Gesinnter rumschlagen muss.

Theodosius II. bekommt unterdessen Zweifel an dem Treiben Kyrills und erklärt die Beschlüsse dessen Konzils für ungültig. Interessiert nur keinen. Ebenso wenig, dass der Kaiser beschlossen hat beide Bischöfe ihres Amtes zu entheben. Kyrill ignoriert ihn wieder und bleibt im Amt, Nestorius natürlich nicht (aber der hat auch nie was gegen Kyrill unternommen, also verdient er es auch nicht). Die Beschlüsse des Konzils bleiben auch in Kraft.

Das Ende vom Lied ist, dass der Kaiser ne Nulpe ist, Nestorius ein Angsthase, der Papst weit weg und Kyrill mal sowas von gewonnen hat. Und eigentlich haben sie sich über nichts gestritten. Kyrill und Nestorius hatten haargenau die gleiche Meinung! Die konnten sich einfach nicht leiden.

Drama, Baby! Es ist so herrlich menschlich, es ist schon wieder putzig.


Und zur weiteren allgemeinen Belustigung.

das buch der bücher, wait ... what?, sehnsucht nach gott, unileben, sometimes life wins, *möööööp*, zeit für plan b, haters to the left

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