Tag 2 der Viennale ist mein Tag 1, weil ich den Eröffnungsfilm gestern abend im Gartenbau vermieden habe (aufgrund des üblichen Gedränges, das einem entweder schlechte Plätze beschert oder wahlweise langes Anstehen und Stress voraussetzt). Stattdessen war ich - wie bereits berichtet - beim DJ-Set von Andy Smith, den ich vor vielen vielen Jahren in Wiesen mal mit 3 (oder gar 4?) Plattenspielern gar Wunderbares vollbringen erleben durfte. Daher wollte ich da auch unbedingt hin, jedoch um ein wenig enttäuscht zu werden. Erstmal war ich zu früh da und dieses Gewarte auf den Hauptact finde ich ja sowieso schon mal verzichtbar. Gegen 23:30 wurde es aber dann doch noch voll und Herr Smith legte die Standards auf (Public Enemy, KRS-One, etc.) und ein mittelmäßiger MC tat das seine. Kein Turntablism vom Feinsten sondern einigermaßen laute Langeweile. Irgendwann kamen aber die üblichen Verdächtigen, die man sonst immer nur bei der Viennale trifft, diesmal in Form von Viennale-Wolfgang, den ich nur unter diesem Namen kenne. Es folgte eine angeregte Kino-, Film-, Musik-, Gadget- und Tech-Diskussion bis ich es aufgab drauf zu warten, daß die Musik noch besser werden würde und es mir zu spät wurde. Denn heute musste ich ja bereits um 11, bzw. eigentlich besser um halb 11 im Gartenbau für den ersten Film sein.
And here we go:
Inside Llewyn Davis(USA 2013, 105 min., R: Joel Coen, Ethan Coen)
Der neue Coen-Film lief schon in Cannes und war dieses Jahr als Eröffnungsfilm gleich drei mal zu sehen: Am ersten Tag zur Gala, dann wie immer um 23 Uhr und um 11 Uhr am zweiten Tag. Da sich das zeitlich ganz gut ausging, hab ich ihn (obwohl er schon einen Verleih in Österreich hat) in meinem Programm gelassen, obwohl ich vom unnützen Heineken-Bier des Vortags noch bis zum späten Nachmittag Kopfweh hatte.
Die Story handelt von einem Folksänger Anfang der 60er Jahre, dem der Durchbruch nicht und nicht gelingen will. Er ist ständig abgebrannt, schläft bei Freunden auf der Couch und verdingt sich mit Auftritten in einem zweitklassigen Club. Soweit die Rahmenhandlung. Viele kleine Geschichten laufen dann parallel ab. Zum Beispiel entwischt ihm die Katze eines Freundes, bei dem er übernachtet hatte und macht sich auf die Suche nach ihr, er trampt nach Chicago um bei einem Musikproduzenten unter Vertrag genommen zu werden. Er schafft es, daß er diesem vorsingen darf, legt sein ganzes Herzblut in den Song, doch nach kurzer Stille meint der Produzent nur: "I see no money in this."
Viel Gitarrenfolk, durchwegs lustig und natürlich hat auch John Goodman, einer der Lieblingsschauspieler der Coens, wieder einen Auftritt in einer coolen Rolle.
Durchaus sehenswert wie immer wenn die Coens einen Film machen!
Hätte aber nicht unbedingt während der Viennale sein müssen.
Tian zhu ding (A Touch of Sin)
(China/Japan 2013, 133 min., R: Jia Zhangke)
Schon wieder ein Film, der schon in Cannes gezeigt wurde und dort auch gleich den Drehbuch-Preis abgeräumt hat. Erzählt werden vier Geschichten über Gewalt in vier sehr unterschiedlichen Provinzen in China: Ein frustrierter Rächer der Opfer einer Firmen-Privatisierung im ländlichen Shanxi (nahe der inneren Mongolei), ein vom Leben in Chongqing gelangweilter Gangster, eine Geliebte in Hubei, deren Affäre ein Ende hat und ein Teenager in Guangdong, der sich in eine Prostituierte verliebt.
Schön erzählt, kann man sich durchaus ansehen.
Soshite chichi ni naru (Like Father, Like Son)
(Japan, 2013, 120 min., R: Koreeda Hirokazu)
Der Regisseur eines meiner absoluten Lieblingsfilme, Dare mo shiranai (Nobody Knows) aus 2003, hat einen neuen Film gemacht. Wieder eine Familienstory:
Zwei Elternpaare stellen fest, daß ihre sechsjährigen Söhne nach der Geburt im Spital vertauscht wurden. Was tun? Zurücktauschen? Mit sechs Jahren? Wie werden es die Kinder aufnehmen?
Sehr interessante Story. Ganz großartig umgesetzt. Empfehlung!
Special Program 1: Kinochronisten
Gezeigt werden eine Reihe von Stummfilmen des österreichischen nonfiktionalen Kinos von 1903 bis 1970. Quasi Videopostkarten aus der Vergangenheit.
Im einzelnen:
Der Besuch Kaiser Franz Josefs in Braunau am Inn
Eröffnung der Kärntner Landeshandwerkerausstellung 1911 unter dem Ehrenprotektorate von Erzherzog Karl Franz Josef
Osijek und das Urania Kino zur Zeit der Österreichisch-Ungarischen Monarchie
Ein k. u. k. Feldkino-Zug während des Ersten Weltkrieges
Aufnahmen des Kino Reichenau in Payerbach-Reichenau 1919
Kundgebung vor dem Brigittenauer-Kino in Wien anlässlich des Geburtstags von Kaiser Franz Josef
Die Fronleichnamsprozession 1927 in Gainfarn
Die Eröffnung des Zentral-Kino in Bad Vöslau
Historischer Schützenfestzug in Oberhollabrunn
Musikalisch live begleitet wurde die Vorstellung von Philip Jeck und Klaus Karlbauer, also durchaus Granden der zeitgenössischen elektronischen Musik
Wirds im Kino vermutlich in dieser Form nie wieder geben, aber man darf sich vermutlich auf eine DVD-Ausgabe freuen.
Nach diesem Film ist für heute Schluss und es heisst:
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Morgen gehts ab 13 Uhr weiter.