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Sep 28, 2006 13:50

q/depesche 2006-09-28T13:06:22

AT: Big Brother Awards 2006 - die Nominees

Die Jury hat getagt, die Kategorie "Volkswahl" läuft noch bis 24. Oktober,
also reichen Sie Ihren Lieblingskandidaten auf die Schnelle ein.

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Big Brother Awards 2006 - Land der Spanner
http://www.bigbrotherawards.at/index.php

Einreichen zur Kategorie "Volkswahl"
http://www.bigbrotherawards.at/2006wiki/index.php/Nominieren

Die Nominees
http://www.bigbrotherawards.at/2006wiki/index.php/Nominierungen

Etwas verspätet, wie es in technischen Dingen hierzulande manchmal
vorkommt, dafür aber umso gründlicher fällt das Land Österreich dem
Kamerawahn anheim. Vor der Nationalratswahl 2006 werden noch schnell alle
Register gezogen, um dem Volk zu zeigen, was eine Ordnung ist und eine
öffentliche Sicherheit.

Als sich die Frau Innenminister zu Linz von TV-Kameras vor
Überwachungskameras abfeiern ließ, die man extra für den TV-Auftritt im
öffentlichen Raum drapiert hatte, gab das einen garstigen Vorgeschmack
darauf, was auf uns zukommt: Video-Überwachung in allen Lebenslagen. Egal
ob sie nicht mehr bewirkt, als das "subjektive Sicherheitsgefühl" zu
steigern, was eines der erklärten Ziele des Kamera-Einsatzes ist.

In Linz und Salzburg randaliert der jugendliche Übermut nun halt woanders
als auf den überwachten Beisl-Meilen. In Wien hat sich die
Kleindealer-Szene vom Schwedenplatz in weniger überwachte Teile des
städtischen Weichbilds wegbewegt, die schwer Suchtkranken auf dem
Karlsplatz hingegen sind geblieben und mittlerweile Akteure im Reality-TV.
In dieser Version der "Big Brother"-Show wird für ein noch exklusives
TV-Publikum von Polizeibeamt/inn/en vor dutzenden Kameras weiterhin
gedealt, gedrückt und auch gestorben. Aus dieser Variante der Reality-Show
werden die Akteure nämlich durch Verhaftung, Krankheit oder Tod
hinausgewählt.

All das läßt man sich auch etwas kosten. Allein in Wien werden 3,7
Millionen Euro in die Vollüberwachung aller U-Bahnzüge investiert, um zu
erwartende Vandalenschäden von 200.000 Euro pro Jahr zu verhindern. Hat
schon mal irgendwer nachgerechnet, wann sich diese massive Investition von
Steuergeldern frühestens amortisieren wird?

Vor Amtszeitende wurde von der österreichischen Regierung noch schnell mit
den benachbarten Innenministern die flächendeckende Video-Überwachung von
Zügen ausgemacht. Die neuesten Garnituren der ÖBB wurden schon davor mit
Kameras bestückt geliefert, sie brauchen nur noch eingeschaltet werden. Das
österreichische LKW-Mautsystem ist wiederum so konstruiert, dass auch alle
PKWs schon jetzt von den Maut-Kameras erfasst und eingelesen werden. Bis
jetzt - wenn es denn wahr ist - werden diese Daten noch gelöscht.

Wie lange noch? Der deutsche Innenminister hat bereits angekündigt, das
deutsche Mautsystem im Kampf gegen den Terror einzusetzen. Bald ist es auch
hier so weit, dass die Regierung anfängt, systematisch und flächendeckend
Zeit-Weg-Diagramme von ihren Bürger/inne/n anzulegen. Dafür darf dann über
einige vollüberwachte Strecken mit Tempo 160 gebrettert werden. Ein
österreichischer Versicherungskonzern bietet billigere Prämien an, wenn das
Fahrzeug rund um die Uhr via Satellit geortet werden kann.

Wer sich im öffentlichen Raum bewegt, muss erst einmal durch sein Verhalten
beweisen, dass er die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet.

Das auch in Österreich zu erwartende, nächste Stadium des Kamerawahns kann
dort, wo er zuallererst ausgebrochen ist, bereits besichtigt werden. In
Großbritannien sind die urbanen Überwachungssysteme bereits zum Teil in
ihre interaktive Phase eingetreten. Die Bilder der Überwachungskameras
werden via TV live in Haushalte übertragen, die Teilnehmer an diesem
Nachbarschafts-Reality-TV sind aufgerufen, verdächtiges Verhalten sofort
per E-Mail oder Telefon bei der Polizei zu melden.

Das ist das eigentliche Ziel.

Staatsbürger/innen sollen sich gefälligst gegenseitig bespitzeln und das
bitte gleich ordentlich. Statt einem Blockwart braucht man jetzt halt
viele, weil die Polizei mit der Auswertung so vieler Bilder längst
überfordert ist. Ein Nebenprodukt ist die Unterhaltung derer, die nicht am
öffentlichen Arbeitsleben teilnehmen, weil sie Arbeitslose, Hausfrauen,
Pensionisten oder Jugendliche sind.

Während sich das gemeine Volk solchermaßen durch wechselweises Belauern
unterhalten soll, wird auch das subjektive Gefühl des Wohlbefindens
gestärkt. Man trägt zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei, man spielt
auf einmal wieder eine gesellschaftliche Rolle - und sei es die eines
kleinen Spitzels in der großen Spanner-Republik.

Der Tag scheint nicht mehr fern, an dem man auch in Österreichs Haushalten
Drogenkranke live vor der Überwachungskamera zusammenbrechen oder man
U-Bahn-Selbstmörder zur Steigerung des Nervenkitzels der kommenden
Voyeurs-Gesellschaft bei ihren letzten Schritten sieht.

Nachsatz:

Nur ein Großereignis von weltweitem Interesse haben die Kameras der
öffentlichen Verkehrsmittel in Wien anscheinend verpasst. Der Selbstmord
des Entführers von Natascha K. geschah außerhalb des Bahnhofs Praterstern
und damit außerhalb des Bereichs von Überwachungskameras.

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relayed by Harkank
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