Verdammte Axt. Nach diesem Kapitel hab ich nur noch eins in der Hinterhand, und ich hab immer noch nicht damit angefangen, den dritten Teil dieses epischen Auswuchses zu schreiben.
Morgen. Ganz bestimmt. Morgen fang ich damit an. Augenblicklich tropft mir das Hirn zu den Ohren raus. Fachvokabular zu übersetzen ist nach wie vor pure Folter.
Wehe übrigens, mich schreit wieder jemand an dafür, dass ich aufgehört habe, wo ich aufgehört habe. WEHE!
Teil
1 - Teil
20 Der Park ist wie ausgestorben. Phil war nicht bewusst, wie sehr das Leben in der Stadt noch immer unter der Invasion leidet - hat nicht gewusst, dass die Leute sich lieber in ihren Wohnungen verstecken, anstatt hinaus zu gehen und die Sonne zu genießen.
Ihm war außerdem nicht bewusst, wie lange es her ist, dass er sich zuletzt außerhalb eines Krankenhauses oder Tony Starks Grundstück aufgehalten hat. Steve geht neben ihm her, aufrecht und aufmerksam und lässt seinen Blick umherschweifen, als rechne er jede Sekunde mit einer Attacke auf Phils Leben.
Phil hätte offenbar zumindest bewusst sein sollen, dass Steve diesen Ausflug wie einen Kriegseinssatz behandeln würde. Es grenzt an ein kleines Wunder, dass er den Schild in der Villa gelassen hat.
„Bitte entspann dich“, sagt Phil leise. „Das hier ist der Central Park.“
„Vor drei Wochen habe ich am Broadway gegen Aliens gekämpft“, entgegnet Steve ernst.
Phil seufzt. „Wahr. Nur zu wahr. Trotzdem. Ich bin auch so schon nervös genug.“
Steve nickt, fährt sich mit der Hand durchs Haar, dann luschert er Phil durch seine Wimpern hindurch von der Seite an. Phil nimmt an, dass Steve mit einem solchen Blick reihenweise weiche Knie auslösen könnte, wenn er es darauf anlegte - und nicht einmal den Hauch einer Ahnung davon hat.
„Ja?“ fragt er also, zu gleichen Teilen amüsiert und vorsichtig, und Steve macht ein ertapptes Gesicht. „Ist es wegen Clint?“
Phil räuspert sich. „Ist was wegen Clint?“
„Bist du seinetwegen so nervös? Hat er seine Sitzung?“
Phil starrt ihn an. „Du weißt davon? Hat Tony mit dir gesprochen?“
Steve schüttelt den Kopf. „Tony hat kein Wort zu mir gesagt. Aber ich habe eine gefestigte Ahnung, wer Doktor Roberts war, und dass man seine Sitzung mit Clint nicht unbedingt als Erfolg bezeichnen konnte. Außerdem war Clint heute morgen beim Frühstück auffallend unruhig.“
Phil stößt ein schweres Seufzen aus. „Tony hat Recht, wenn er von unserer Frühstücksrunde als Familie spricht. Keine Geheimnisse möglich.“
Steve fährt sich ein weiteres Mal mit der Hand durchs Haar und bringt seinen sonst so geordneten Scheitel endgültig aus der Facon. „In der Tat. Aber wenn du nicht darüber -“
„Clint hat seine Sitzung“, unterbricht Phil ihn betont ruhig. „Und ich mache mir Sorgen.“
„Ist Bruce nicht bei ihm?“ fragt Steve, klingt jetzt ebenfalls besorgt, und Phil schließt einen Moment lang die Augen. „Doch, ist er.“
„Dann müssen wir uns nicht allzu große Sorgen machen“, erwidert Steve mit Nachdruck. „Bruce wird auf ihn Acht geben.“
Phil ballt die Hand zur Faust. „Ich habe mir verboten, seine Sitzungen zu überwachen.“
Steve nickt. „Selbstverständlich hast du das.“
Seine ruhige Akzeptanz trifft Phil einigermaßen unvorbereitet. „Aber wäre es nicht viel eher meine Aufgabe, und nicht die von Bruce -“
„Wärst du nicht mehr als Clints Handler, wäre es deine Aufgabe“, unterbricht Steve ihn sanft. „Aber du bist sein Partner.“
Phil kann sich nicht helfen. Er klingt eindeutig eifersüchtig, als er erwidert: „Bruce ist weder das Eine noch das Andere.“
Steve nickt. „Du hast dir die Familienfotos zu genau angesehen, nehme ich an?“
Phil seufzt. „Viel zu genau.“
Steve nickt ein weiteres Mal. „Mich überkommt ein nicht zu leugnendes Unwohlsein, wann immer ich Pepper vor dem Bilderrahmen verharren sehe.“
Phil starrt ihn an. Er weiß ehrlich nicht, was er dazu sagen soll. Selbst wenn seine Eifersucht gegenüber Bruce kaum greifbar ist, wenn er zu jedem Zeitpunkt ganz genau weiß, dass es überhaupt keinen Grund gibt, eifersüchtig zu sein, sogar wenn er sich das Foto ansieht, auf dem Clint Bruce mit nacktem Oberkörper umarmt - jetzt hat er ein schlechtes Gewissen.
Denn er mag Bruce. Er mag ihn wirklich. Er weiß, wie gut es Clint tut, Bruce um sich zu haben, und er ist unglaublich dankbar für die bloße Existenz dieses Mannes. Er hat sich nicht umsonst mit Pepper und Tony zusammengetan, um Bruce eine Freude zu machen. Dementsprechend hat er ein schlechtes Gewissen gegenüber Clint, ein schlechtes Gewissen gegenüber Bruce - und eines gegenüber Steve, weil er das Thema angesprochen hat. Besonders, weil sämtliche Klatschzeitungen sich an der Sun ein Beispiel genommen, und sich die hanebüchensten Geschichten über Steve und Tony ausgedacht haben.
„Deine Beziehung zu Tony ist bemerkenswert“, sagt Phil also leise. „Und ich weiß zufällig ziemlich genau, dass Pepper diese Beziehung beinahe so sehr zu schätzen weiß wie Tony. Es gibt keinen Grund für dein Unwohlsein.“
„Das hat sie mir bereits mehrfach mitgeteilt“, erwidert Steve lächelnd. „Aber die Fotos sehen nicht immer danach aus - das musst du zugeben.“
Phil nickt unwillkürlich. Besonders das Bild, das Tony dabei zeigt, wie er in Shorts und Morgenmantel an Steves Schulter eingeschlafen ist, wirkt alles andere als unschuldig. Aber Pepper hat es selber gemacht. Sie hat es ihm erzählt.
„Sein Vertrauen in Bruce ist so bedingungslos, dass es mir ein bisschen Angst macht“, sagt Phil leise, starrt zu Boden.
Steve legt ihm die Hand auf die Schulter. „Bruce hat ihn aufgefangen, Phil. Als Hulk. Ich schätze, das war der entscheidende Schritt. Dass etwas - jemand, der dafür berüchtigt ist, in grenzenloser Wut alles zu zerstören, das ihm vor die Fäuste kommt, sich doch so weit unter Kontrolle hat, dass er ihn beschützen kann. Bruce ist selbst dann sanft und behutsam Clint gegenüber, wenn er die Kontrolle über sich verloren hat. Und Tony hat mir erzählt, dass Clint ihn kürzlich sogar beruhigen konnte. Ich … ich nehme an, dass ihm das mit seinem Vater nie gelungen ist.“
Phil wird ein wenig schwindlig und er muss sich auf die nächste Parkbank setzen. „Du weißt von seinem Vater?“
Steve setzt sich zu ihm. „Ich stand zufällig daneben, als Clint sich Tony anvertraut hat.“
Phil stützt sein Gesicht in beide Hände. „Großer Gott.“
„Ich denke deswegen nicht schlechter von ihm, falls es das ist, was dich so aufbringt“, sagt Steve beunruhigt, und Phil bringt kein Wort heraus, kann nur den Kopf schütteln. Er muss ein paar Mal tief durchatmen, ehe er sich gefangen hat.
„Er hat es nicht mal für nötig gehalten, mir zu sagen, dass du davon weißt“, presst er schließlich hervor, hebt endlich den Kopf aus seinen Händen und sieht Steve in die Augen. „Er hat dieses Geheimnis jahrelang mit sich herum getragen, hat niemandem etwas davon erzählt - Ich bin so verdammt froh, dass er euch hat.“
Steves Miene, eben noch einigermaßen entsetzt und durch und durch bestürzt, klart nach und nach wieder auf. „Also wirfst du es ihm nicht vor, dass er es dir nicht gesagt hat?“
„Gott nein! Das ist die beste Nachricht, die ich seit langem gehört habe!“
Steve lacht erleichtert auf, und klopft Phil auf die Schultern. „Ich würde dich ja umarmen, aber wenn morgen Bilder von uns in der Zeitung auftauchen, wird Clint das nicht sonderlich wohlwollend aufnehmen, fürchte ich.“
„Ja, das ist meine Schuld“, gibt Phil bereitwillig zu. „Ich sollte wirklich damit anfangen, mir Sammelkarten von ihm zuzulegen.“
Steve zieht eine kleine Grimasse. „Ja. Ich … ich wollte mich schon lange dafür entschuldigen, wie ich -“
„Wie du darauf reagiert hast, dass ich mich wie ein unheimlicher Stalker benommen habe?“ unterbricht Phil ihn mit einem Schnauben. „Oh ja, bitte - entschuldige dich auch noch dafür.“
Steve muss sichtlich ein Lachen unterdrücken. „Du warst wirklich ein wenig … merkwürdig.“
Phil räuspert sich, und diesmal ist er derjenige, der sich mit der Hand durchs Haar fährt. „Naja. Wird nicht wieder vorkommen. Ich kann allerdings immer noch nicht fassen, dass Fury tatsächlich all meine Karten ruiniert hat. Das waren Einzelstücke.“
Neben ihm auf der Bank kneift Steve die Augen zu und wird von einem nicht länger zu unterdrückenden Lachen geschüttelt. „Tony plant eine Neuauflage mit allen Avengers - ich verspreche hiermit, dir sofort alles zu signieren, was du mir vor die Nase hältst.“
„Wie kann Tony sowas planen?“ erkundigt Phil sich ehrlich interessiert, und Steve versucht, sich zu beruhigen und atmet ein paar Mal tief durch. „Stark Industries wird zum Spielzeughersteller“, verkündet er mit einer großartigen Geste, die er sich eindeutig bei Tony abgeguckt hat - und fängt prompt wieder an zu lachen.
Phil muss ein Schmunzeln unterdrücken. „Das kann nicht sein Ernst sein.“
„Oh, es ist sein voller Ernst. Offenbar hat er online nach Avengers-Plüschtieren für Darcy geguckt und nichts Zufriedenstellendes gefunden. Also hat er seine eigene Firma gegründet. Eine Spielzeugfirma, die ausschließlich Avengers-Spielwaren vertreiben soll. Ich schätze, dass wir in einem Monat in Iron Man Plüschfiguren ertrinken werden.“
„Ein Iron Man aus Plüsch macht nicht den geringsten Sinn“, sagt Phil bierernst, aber er kann nicht abstreiten, dass er das Ganze für eine fabelhafte Idee hält. Egal, was Tony herstellt, es ist immer von höchster Qualität. Es wird Zeit, dass auch die Kleinen in den Genuss dieser Qualität kommen.
„Ich bin froh, dass er nicht länger davon ausgeht, sich nicht an unserer Öffentlichkeitsarbeit beteiligen zu können“, fügt er nach einem Moment der Stille hinzu, und Steve nickt. „Es wäre nicht dasselbe ohne ihn.“
„Und dann“, sagt Clint mit einem begeisterten Glucksen in der Stimme, „hat sie angefangen mit Bruce zu flirten. Du hättest dabei sein sollen - es war so fabelhaft!“
Phil hat mit Vielem gerechnet nach Clints erster Sitzung mit Doktor Scotts - aber ganz sicher nicht mit einer halben Stunde voller Lobeshymnen auf die werte Doktorin.
Offenbar muss er Doktor Roberts kontaktieren und sich tatsächlich bei ihm dafür bedanken, dass er sie empfohlen hat.
Phil sitzt seitlich auf ihrem üblichen Sofa im Gemeinschaftswohnzimmer. Er hat das linke Bein gegen die Lehne angezogen, das rechte auf dem Boden - und Clint dazwischen, mit dem Rücken an seine Brust gelehnt und seinen Kopf auf Phils Schulter gebettet. Hershey liegt in Clints Schoß und schnurrt wie aufgezogen. Der Rest der Bande ist im Garten, inklusive der anderen Katzen.
Tony hat seinen Vormittag damit verbracht, sich dekorative Störtürme für seinen Garten zu bauen, die die Paparazzi in Zukunft daran hindern werden, auch nur noch ein einziges Foto zu schießen. Er hat sie an JARVIS angeschlossen, der außerdem das Entstehen eventueller Filme verhindern wird. Nichts und niemand wird je wieder ohne Thors Einverständnis seine Bauchmuskeln digitalisieren.
Laut Tony sind diese Störtürme wesentlich pflegeleichter als ein Rudel Dobermänner. Phil war unwillkürlich erleichtert, selbst wenn Steve ein wenig enttäuscht ausgesehen hat. Es kam nicht wirklich überraschend, dass Steve sich auf den tierischen Familienzuwachs schon gefreut hatte. Steve ist ein schlimmeres Rudeltier als es jeder Hund je sein könnte.
Das Problem ist nur, dass Tony Steves enttäuschtes Gesicht genau so gesehen hat wie Phil, und ihm jetzt wahrscheinlich einen Welpen besorgen wird. Phil hofft nur, dass Tony entweder so vorausschauend ist, Clint dann ebenfalls einen zu besorgen - oder Steve so großzügig, seinen Welpen mit Clint zu teilen. Andernfalls werden Tränen fließen, Phil weiß es genau.
„Du hast also keine Einwände dagegen, dass Doktor Scotts übermorgen wieder kommt?“ hakt Phil nach, lässt seine Finger durch Clints Haar streichen. Clint brummt zustimmend, und Hershey schnurrt prompt ein wenig lauter. „Sie is’ gut. Ich kann mit ihr reden. Und sie war so nett zu Bruce.“
Es ist der letzte Satz, der Phil dazu antreibt, die Worte auszusprechen - nicht, weil er eifersüchtig ist, nicht, weil er glaubt, sein Territorium abstecken zu müssen - sondern weil Clint Barton von gerade den Menschen in seinem Leben, die ihn bedingungslos hätten lieben sollen, geschlagen, im Stich gelassen und betrogen worden ist, und es dennoch schafft, Bruce Banner mit bedenkenloser Zuneigung zu begegnen.
Also fasst Phil ein Gefühl in Worte, das er in ein oder anderer Form schon seit Jahren für Clint empfindet, das er viel zu lange unterdrückt und von sich weg geschoben hat. Denn wenn Clint sich nicht scheut, das Gefühl zuzulassen, welche Ausrede hat Phil dann bitte sehr?
„Ich liebe dich, Clint Barton“, wispert er also an Clints Schläfe - ernst und ehrlich und voller Überzeugung.
Er spürt, wie Clint den Atem anhält - dann folgt die fassungslose Entgegnung: „Ich liebe dich auch, Phil Coulson.“
Einen Moment lang ist alles still, dann ertönt ein weiteres Mal Clints Stimme. „JARVIS?“
Ja, Agent Barton?
„Klingeltöne, aber flott!“
Sehr wohl, Agent Barton.
Thor mag den Ausblick vom Dach der Villa. Er hat sich hierher zurückgezogen, als Jane mit Darcy und Natasha den Pool verlassen hat, hat Jeans und ein Hemd angezogen, und die Abendluft fühlt sich angenehm kühl an seinen nackten Armen an.
Er fragt sich, ob es irgendwann aufhören wird, weh zu tun - ob er aufhören wird, Loki zu vermissen, oder ob er den Rest der Ewigkeit damit verbringen muss.
Vielleicht wäre es leichter, wenn sein Vater ihm gestatten würde, Loki zu sehen, mit ihm zu sprechen - wenn Thor zumindest versuchen dürfte, seinem Bruder klar zu machen, wie leid es ihm tut. Dass er ihn liebt. Dass er ihm vergeben würde, wenn Loki ihn nur ließe.
Aber Odin hat es untersagt. Hat Loki weggeschlossen wie die Kostbarkeiten seiner Schatzkammer, bewacht von einem neuen Zerstörer.
Thor wird seinem Vater nie wieder vorwerfen, alt und töricht zu sein, aber er wünschte, er könne ihm sagen, dass er Loki mit seinem Verhalten nicht hilft. Dass er niemandem damit hilft.
Das Problem zu ignorieren und darüber zu schweigen hat schon einmal nicht funktioniert.
Thor seufzt und richtet seinen Blick gen Himmel, betrachtet die ersten blassen Sterne am Firmament. Er vermisst sein Zuhause. Er vermisst Asgard und seine Freunde.
Aber er hat auf der Erde ein neues Zuhause gefunden, neue Freunde, eine neue Familie. Trotz der kurzen Zeit, die er unter Menschen - unter diesen Menschen - verbracht hat, sind sie ihm ans Herz gewachsen.
Er wünschte, es gäbe eine Möglichkeit für ihn, das Beste aus beiden Welten zu haben.
Wie eine direkte Reaktion auf diesen Wunsch leuchtet einer der Sterne am Himmel über ihm plötzlich auf, wird heller, größer - dann fällt er herab. Thor runzelt leicht die Stirn, beobachtet seinen Weg über den Abendhimmel, den anmutigen Bogen, den er beschreibt, seinen glühenden Schweif.
Jane hat ihm von der midgardischen Tradition erzählt, die einem einen Wunsch gestattet, wenn ein Stern vom Himmel fällt. Es ist eine schöne Tradition, aber Thor bezweifelt, dass sie für ihn funktionieren würde. Er ist nicht von dieser Welt, ihre Traditionen sind nicht für ihn gedacht.
Aber der Stern fällt, ob nun für ihn oder nicht, beginnt plötzlich, Schlieren und Wellen am Himmel zu ziehen. Thor weitet alarmiert die Augen, als ihm aufgeht, dass dies keine gewöhnliche Sternschnuppe ist, dass sie ein Ziel hat, dass sie auf ihn zusteuert - dass sie -
„Mein Sohn.“
Dass sie seine Mutter ist.
Frigga steht vor ihm, aufrecht und mit hoch erhobenem Haupt, ihr Haar fließt offen über ihre Schultern, und in ihrem blass goldenen Gewand funkeln winzige Edelsteine wie Sternenstaub. Manchmal vergisst Thor, wie atemberaubend schön seine Mutter ist.
Einen Moment lang ist er schlicht überfordert - dann macht er einen hastigen Schritt nach vorn, schließt sie in seine Arme. „Es ist mir eine Freude, dich zu sehen, Mutter.“
Sie erwidert seine Umarmung wie sie es immer tut - voller Wärme und Sicherheit - und Thor schließt die Augen und drückt sich enger an sie heran. „Ist alles in Ordnung?“ fragt er sie ganz automatisch - und dann muss er sie an den Schultern fassen und sie ein Stück von sich drücken. „Ist es Loki? Ist etwas geschehen? Muss ich -“
Sie hebt ihre Hand und legt ihre Fingerspitzen an seine Lippen, und er verstummt.
Sie lässt ihre Hand an seine Wange gleiten, lässt ihren Daumen über seinen Wangenknochen streichen und betrachtet sein Gesicht. „Mir war nicht bewusst, wie groß deine Sorge um ihn noch immer ist, mein Sohn.“
Wieder schließt er die Augen, nimmt einen tiefen Atemzug und lehnt sich leicht in ihre Berührung hinein. „Er ist mein Bruder.“
„Ich bin froh, dass du so fühlst“, erwidert sie, und er hört die Trauer in ihrer Stimme.
Dann hört er Iron Man hinter sich auf dem Dach landen. „Was zur Hölle geht hier vor sich? JARVIS behauptet, hier oben sei ein Meteor eingeschlagen.“
Thor schlägt die Augen auf und wendet sich zu ihm um. „Antony - lass mich dir meine Mutter, die Königin von Asgard vorstellen.“
Tonys Gesichtsschutz klappt nach oben, und er starrt Frigga aus großen Augen an. „Sie sieht nicht aus wie glühendes Himmelsgestein. Ich weiß nicht, was JARVIS sich gedacht hat.“
Frigga lächelt, schreitet an Thor vorbei und reicht Tony ihre Hand - die er prompt an seine Lippen führt. „Es ist mir eine Freude, Sohn Midgards. Ich habe bereits viel von dir gehört.“ Sie tauscht einen flüchtigen Blick mit Thor. „Lass mich dir also versichern, dass Jahrhunderte vergangen sind, seit meine Söhne sich zuletzt mit meinen Vorhängen geschmückt haben.“
Einen Moment lang sieht Tony völlig verdutzt aus, dann versteht er und boxt Thor leicht in den Arm. Dank seiner göttlichen Oberarmmuskulatur kann Thor das ohne Schwierigkeiten tolerieren, obwohl Tony nach wie vor in seinem Anzug steckt.
„Du hast deiner Mutter von mir erzählt? Ich fühle mich ehrlich geschmeichelt!“
„Seine Geschichten von eurer Schlacht um die Freiheit dieser Welt waren die ehrenvollsten, die wir seit langer Zeit in der Halle der Krieger gehört haben“, entgegnet Frigga mit einem eleganten Neigen ihres Kopfes. „Aber das ist es nicht, weswegen ich hier bin.“
Tony nimmt seinen Helm ab. „Gerade, als ich anfangen wollte, mein Ego so richtig aufzublasen. Also, was führt Euch her, Eure königliche Hoheit?“
Sie schlägt kurz die Augen nieder, und Thor legt ihr die Hand auf die Schulter. „Du kannst offen vor Tony sprechen, Mutter. Er ist unseres vollen Vertrauens würdig.“
Tony verzieht leicht das Gesicht, aber er widerspricht nicht, und Frigga nickt. „Selbstverständlich ist er das. Dennoch würde ich es bevorzugen, meine Gründe vorerst nur mit dir zu besprechen, mein Sohn. Ob du anschließend deine Freunde einweihen möchtest, bleibt ganz dir überlassen.“
Thor runzelt besorgt die Stirn und nickt, und Tony setzt seinen Helm wieder auf. „Alles klar. Dann sag ich mal eben unten Bescheid.“ Er zögert kurz. „Bleibt die Dame zum Abendessen?“
Frigga nickt ihm zu. „Einen Abend im Kreis der Freunde meines Sohnes zu verbringen, wäre mir eine große Ehre.“
Tony nickt, dann heben sich seine Füße vom Dach. „Die Ehre ist ganz auf unserer Seite.“
Damit fliegt er davon.
Frigga blickt ihm einen Moment lang nach, und Thor kann den Ausdruck in ihren Augen beim besten Willen nicht entschlüsseln. „Dein Freund trägt eine große Bürde“, sagt sie schließlich leise, und Thor nickt.
Er weiß nicht, wie es sein kann, aber manchmal sieht er einen Schmerz in Tonys Augen, der ihn an Loki erinnert.
„Wie geht es ihm?“ fragt er also leise. „Welche Neuigkeiten bringst du von Loki?“
Sie nimmt seine Hand. „Dein Bruder leidet, Thor. Dein Vater wünscht deine Heimkehr.“
Jane starrt Tony an, als erlaube er sich einen Scherz mit ihr. „Seine Mutter?“
Tony nickt. „Seine Mutter.“ Er macht eine großartige Geste, und da er den Anzug inzwischen wieder ausgezogen hat, kommt diese Geste auch ganz wunderbar zu Geltung. „Die Königin von Asgard steht augenblicklich auf meinem Dach! Und ich bin bisher tatsächlich davon ausgegangen, in meinem Leben schon so gut wie alles erreicht zu haben!“
Pepper, die am Küchentisch sitzt und gegen Bruce, Natasha und Phil ganz spektakulär im Pokern verliert, räuspert sich leise. „Sie ist nicht deinetwegen hier, Tony.“
„Du solltest dich mit Steve wirklich darauf einigen, ob ihr mein Ego nun aufpäppeln oder doch lieber stutzen wollt. Dieses ewige Hin und Her ist schlicht unproduktiv.“
„Wir wollen lediglich vermeiden, dass dir langweilig wird“, erwidert sie schnippisch und legt ihre Karten mit einem Seufzen auf den Tisch. „Ich gebe auf.“
Bruce streicht schweigend seinen Gewinn an Gummibärchen für diese Runde ein. Clint, der schräg hinter ihm sitzt, stößt einen begeisterten Laut der Zustimmung aus, und fängt an, sie zu essen. (Er isst auch Natashas und Phils Gewinne. Er würde vermutlich sogar Peppers essen, wenn sie tatsächlich mal welche einstreichen würde.)
„Wie sieht sie aus?“ bringt Darcy das Gespräch wieder auf ihren göttlichen Dachbesetzer. „Wie ist sie so? Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Tony!“
Tony räuspert sich. „Nun … sie ist groß. Und ihre Haare sind noch besser als Thors. Diese Familie ist es sich ganz eindeutig wert. Außerdem ist sie ein Fan von mir und besitzt einen ganz außergewöhnlich guten Sinn für Humor.“
Jane sieht aus, als stehe sie kurz vor einem Schlaganfall. „Was hat sie gesagt, Tony? Warum ist sie hier?“
Er hebt leicht die Schultern. „Das wollte sie mir nicht verraten.“
„Clint, hör auf, Gummibärchen zu essen - es gibt gleich Abendessen“, weist Steve ihren Bogenschützen sanft zurecht, dann geht er zu Jane und legt ihr die Hand auf die Schulter. „Ich bin mir sicher, dass alles in Ordnung ist.“
Er wirft Tony einen ernsten Blick zu. „Richtig, Tony?“
Tony öffnet den Mund, wirft einen Blick auf Janes Gesicht und hält seine Theorien vom bevorstehenden Untergang der Welt zurück. „Richtig, Steve.“
Er dreht sich zum Tisch um. „Nun nimm doch endlich jemand Barton die Gummibärchen weg - er wird sich völlig den Appetit verderben!“
„Das“, sagt Phil mit Überzeugung, „ist schlicht nicht möglich.“ Aber er nimmt Clint dennoch die Gummibärchen weg.
Jane ist mehr als nur ein wenig eingeschüchtert. Warum sie bisher davon ausgegangen ist, Thors Umgangsformen seien repräsentativ für den Rest seiner Rasse, will ihr nicht recht in den Kopf. Er ist ein Krieger. (Manchmal ist er ein schrecklich ungehobelter Klotz, aber dafür liebt sie ihn nicht weniger - eher noch ein wenig mehr.)
Frigga hingegen … Friggas Umgangsformen sind … sie sind tatsächlich perfekt. Denn Frigga musste nur einen einzigen Blick über die Runde ihrer Gastgeber schweifen lassen, um die Situation einzuschätzen, und dann hat sie ihre Schultern ein wenig gesenkt, ihren Umhang abgelegt, ihr Haar zusammengebunden und sich eingefügt.
Sie sitzt Pepper gegenüber an Tonys rechter Seite, der wiederum die Stirnseite des Tisches besetzt, unterhält sich ungezwungen mit beiden, antwortet höflich jedem, der sie anspricht, und das schließt Darcys neugierige Fragen nach ihrem allmächtigen Ehemann mit ein. (Nachdem Thor zurück nach Asgard verschwunden war, war Darcy diejenige, die sich eingehender mit nordischen Mythen und Legenden beschäftigt hat. Jane war zu sehr mit ihren Forschungen beschäftigt, und Erik nicht länger bei ihnen.)
Jane ist die Einzige, die Frigga gegenüber den Mund nicht aufzubekommen scheint. Selbst Clint hat ihr ein paar Fragen gestellt, grinsend und beinahe noch unverschämter als Darcy. Aber Jane kann nicht. Denn Frigga ist nicht einfach nur die Königin von Asgard - und das ist einschüchternd genug. Sie ist Thors Mutter.
Jane ist nicht gut mit Schwiegermüttern. Donalds Mutter hat sie gehasst, und nach einer Weile hat das Gefühl auf Gegenseitigkeit beruht. Jane konnte sich einfach nicht helfen. Die Frau war … sie war erdrückend. Und das war bloß eine gewöhnliche Sterbliche.
Also hält sie den Blick auf ihr Essen fixiert und tut, als sei sie unsichtbar. Es hilft nicht, dass Thor an ihrer Seite ein Gesicht zieht, wie Äonen voller Regenwetter. Tony und Steve haben sich offenbar geirrt, als sie ihr versichert haben, dass alles in Ordnung ist.
Und dann erkundigt Tony sich im Scherz, ob Thor ein ungezogener kleiner Gott gewesen sei, ob er viele Streiche gespielt habe, als er jung war, und über Friggas Gesicht läuft ein Flackern, und Thor legt sein Besteck neben seinem Teller ab. „Ich muss euch verlassen.“
Janes Kopf schnellt in die Höhe, und sie starrt ihn an. Ein paar Atemzüge lang spricht niemand ein Wort, und dann schließt Tony die Augen. „Lass mich raten - Loki war derjenige, der die Streiche gespielt hat? Er war der ungezogene kleine Gott.“
Frigga legt ihre Hand über seine, ganz selbstverständlich, so als sei sie seine Mutter und nicht Thors. „Meine Söhne haben beide Vergnügen darin gefunden, Streiche zu spielen. Lokis waren allerdings ein wenig … raffinierter.“
Tony schnaubt und er nickt. „Das kann ich mir vorstellen.“ Er räuspert sich, schlägt seine Augen wieder auf und fixiert Thor mit einem ernsten Blick. „Du musst uns verlassen?“
Thor nickt. Jane hat das Gefühl, sie bekommt keine Luft mehr. „Loki, er … Er braucht mich.“
Clint erhebt sich mit einem Ruck vom Tisch und verlässt das Zimmer. Phil legt seine Serviette beiseite. „Entschuldigt mich.“
Jane registriert kaum, wie er Clint folgt.
„Clint!“
Phil kann nicht fassen, dass er tatsächlich schon außer Atem ist. Er hat Clint kaum fünfhundert Meter weit verfolgt. Wenn er sich vorstellt, dass er am Nachmittag noch davon ausgegangen ist, dass er sein Training wieder aufnehmen kann - nach spätestens zwei Minuten wäre er keuchend zu Boden gegangen.
„Clint, warte!“
Wenn Clint nicht gleich stehen bleibt, wird er keuchend zu Boden gehen, Training oder nicht. Weiße Punkte tanzen in seinem Sichtfeld, und eine Sekunde später stellt seine Schulter Kontakt zur Wand her, ohne dass Phil sich erklären kann, wie es dazu gekommen ist.
Eine weitere Sekunde später kniet er am Boden. Wenn es jemals einen Moment gegeben hat, in dem Phil Coulson sich selbst erschießen wollte, dann ist es dieser.
Aber Clint kommt zu ihm zurück, als er bemerkt, was los ist, geht vor ihm in die Hocke und sieht ihn besorgt an. „Kannst du aufstehen? Oder brauchst du einen Moment?“
Phil fasst ihn an den Schultern und hält sich an ihm fest, schließt kurz die Augen. „Du bist zu gut für diese Welt.“
Clint lässt ein ungläubiges Schnauben hören. „Das sowieso.“
Er fasst Phil unter den Armen, lässt seine Hände an seinem Torso auf und ab gleiten, langsam und beruhigend, und Phils überforderter Körper lehnt sich dankbar ein wenig mehr in seine Richtung.
„Lassen wir ihn gehen?“ fragt Clint plötzlich leise, und Phil schlägt die Augen wieder auf. „Ich wüsste nicht, wie wir ihn hindern sollten.“
Im Halbdunkel des Flurs sehen Clints Augen beinahe schwarz aus - dunkle Seen voller Wut und Angst, und Phil nimmt einen tiefen Atemzug. „Er kann … er kann auf sich selbst aufpassen, Clint.“
Clints Finger krallen sich in seine Seiten. „Sein Bruder hat versucht, ihn umzubringen. Sein Bruder. Und er geht trotzdem zu ihm zurück - lässt uns hier zurück, weil Loki ihn braucht!“
Die letzten Worte werden zu einem Fluch, und Phil wünschte, ihm wäre nicht so schwindelig.
„Erklär mir, womit Loki seine Vergebung verdient - womit er einen Bruder wie Thor verdient! Dieses Monster hat jetzt schon zweimal versucht, ihn umzubringen, und er geht trotzdem zurück zu ihm! Wieso kann er nicht einfach hier bei uns bleiben und Loki vergessen? Wieso sind wir nicht genug?“
Phil hört die Tränen in Clints Stimme, hört die verzweifelte Eifersucht, und er lässt sich an die Wand zu seiner Rechten sinken und zieht Clint an sich heran.
„Wieso reichen wir ihm nicht, Phil?“ schluchzt Clint in seine Schulter, und Phil kneift die Augen zu. Wenn Clints Bruder ihm jemals über den Weg laufen sollte, dann wird er ihn umbringen. Wird Regeln Regeln sein lassen und schlicht ignorieren, dass persönlich nicht dasselbe ist wie wichtig.
„Er ist doch nicht mal sein Bruder“, presst Clint hervor, nuschelt es undeutlich in seine Schulter, und Phil hebt die Hand und lässt sie über seinen Kopf streichen. „Loki verdient ihn nicht. Er hat dich umgebracht, Phil.“
Ein plötzliches Stechen schießt durch Phils Brust, lediglich das Phantom richtigen Schmerzes, aber ihm entfährt dennoch ein Zischen. „Ich bin hier, Clint.“
„Ich weiß“, erwidert Clint leise, hebt endlich wieder seinen Kopf zu ihm an, legt seine Hand auf Phils Brust. Tränenspuren ziehen sich über seine Wangen, und er wischt sie ungeduldig weg. „Aber ganz sicher nicht dank Loki.“
„Das nicht. Aber ich bin hier. Wir sind alle hier, Clint. Wir müssen Thor gehen lassen. Wenn er glaubt, dass sein Bruder ihn braucht, dann müssen wir ihn gehen lassen. Ganz egal, was wir davon halten.“
Clint senkt den Blick, starrt auf einen Punkt irgendwo unterhalb von Phils Kinn. „Ich will nicht, dass er geht. Er gehört jetzt … er gehört jetzt zu unserer Familie. Er gehört hierher.“
Es schnürt Phil die Kehle zu. „Ich weiß. Er wird mir auch fehlen.“
Pepper ist fassungslos. Neben ihr gibt Tony sich größte Mühe, Thor zum Bleiben zu bewegen - laut und rücksichtslos und eindringlich wie nur Tony es kann. Unter den vielen Stimmen am Tisch gehen seine Einwände dennoch unter.
Denn Tony ist nicht der Einzige, der mit Thors Ankündigung alles andere als einverstanden ist. Beinahe jeder versucht, ihm ins Gewissen zu reden, versucht, ihm seinen Entschluss auszureden. Pepper fühlt sich stark versucht, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen und ein dramatisches „Genug!“ zu brüllen.
Sie versteht ja, dass man Thor nicht kampflos ziehen lassen will, aber er hat seinen Entschluss ganz sicher nicht leichtfertig gefasst. Er liebt Loki, ob das nun nachvollziehbar ist oder nicht.
Pepper weiß, wie es sich anfühlt, jemanden zu lieben, den der Rest der Welt zu verdammen scheint. Wie es ist, Entschuldigungen und Rechtfertigungen formulieren zu müssen dafür, dass man jemanden nicht aufgeben kann - nicht aufgeben will. Sie weiß, wie es ist, die Einzige zu sein, die das Gute in jemandem sehen kann.
Bruce ist der Einzige, der entschlossen schweigt, den Blick auf den Teller vor sich fixiert. Pepper sieht die Anzeichen von Erschöpfung und aufkeimender Wut in seinen Augen und greift automatisch nach Tonys Hand.
Er verstummt sofort, blickt sie fragend an, und sie deutet mit den Augen zu Bruce hinüber. Tonys Augen weiten sich entsetzt. Er räuspert sich. „Wenn ich um Ruhe bitten dürfte! Diese ganze Aufregung ist nicht gut für meinen Blutdruck!“
Alles verstummt nach und nach, und nach ein paar Atemzügen blickt Bruce von seinem Teller auf, sieht Tony direkt an. „Vielen Dank.“
Thor, der kein Wort mehr gesagt hat, seit der Versicherung, dass Loki ihn brauche, lässt seinen Blick durch die Runde schweifen. „Ich weiß, dass ihr nur mein Bestes wollt, meine Freunde. Aber die Entscheidung ist gefällt. Ich werde nach Asgard zurückkehren. Wenn es nur die geringste Hoffnung für Loki gibt, dann muss ich gehen.“
Niemand scheint zu wissen, was hierauf zu erwidern ist. Frigga hebt leicht das Kinn. „Es tut mir sehr leid, dass ich Uneinigkeit in dieses Haus gebracht habe. Dies lag gewiss nicht in meiner Absicht.“
Pepper zwingt sich zu einem traurigen Lächeln. „Wir müssen uns entschuldigen, Eure Hoheit. Aber seit versichert, dass unser Verhalten nur der Sorge um Thor entspringt.“
Tony hält noch immer ihre Hand, und jetzt drückt er sie dankbar.
Frigga erwidert Peppers Lächeln. „Dessen bin ich mir bewusst, Tochter Midgards. Mein Sohn kann stolz sein auf die Bande, die er in dieser Welt geknüpft hat.“
„Wirst du … wirst du zurückkommen?“ fragt Jane plötzlich mit kleiner Stimme, und Thor wendet sich ihr zu und schließt sie hastig in seine Arme, hält sie schweigend an sich gedrückt.
Pepper beobachtet, wie Friggas Blick traurig und mitfühlend wird.
„Ich hoffe es“, erwidert er schließlich leise, klingt plötzlich so verletzlich, so menschlich, dass es Pepper eine Gänsehaut verursacht. „Ich muss den Befehlen meines Vaters gehorchen.“
„Mein Sohn“, sagt Frigga sanft. „Du bist kein Sklave unter dem Willen des Allvaters. Es steht dir frei, zu kommen und gehen, wie du es wünschst. Dein Vater wünscht genau so wenig, dich unglücklich zu sehen, wie ich es tue.“
Thor blickt auf, sieht sie über Janes Schulter hinweg an, und sein Lächeln ist unglaublich dankbar. „Ich bin ein Krieger Asgards, Mutter. Ich habe einen Eid geleistet.“
Friggas Hände beschreiben eine umfassende Geste über den Tisch hinweg. „Du bist nun außerdem ein Krieger Midgards, Thor. Und du magst keinen Eid geleistet haben, dieser Welt zu dienen - aber du hast einen Bund aus Tränen, Schmerz und Liebe geknüpft. Es steht weder deinem Vater noch mir zu, diesen Bund lösen zu wollen.“
Sie zögert einen Moment. „Und wenn deine sterbliche Gefährtin wünscht, dich nach Asgard zu begleiten, dann soll sie in unserem Reich voller Freude willkommen geheißen werden.“
Janes Kopf ruckt in die Höhe. „Was?“ entfährt es ihr gleichzeitig mit Darcy.
„Oh wow“, hört Pepper Tony an ihrer Seite murmeln. „Da ärgere ich mich doch jetzt glatt, dass ich nicht Thors Gefährtin bin.“
Pepper boxt ihm in die Seite.
Tag Sechs
Phil liegt im Bett und beobachtet den Fortschritt des Sonnenaufgangs an der Zimmerdecke.
Clint liegt neben ihm, hat ihm den Rücken zugewandt und sich zusammengerollt wie ein kleines Kind. Er lag schon so da, als Phil aufgewacht ist.
Phil hat nicht wirklich damit gerechnet, dass Clint Thors endgültigen Beschluss, dass er sie verlassen wird, sonderlich gut aufnehmen würde, und das hat Clint auch nicht.
Seine Augen sind leer geworden, als Natasha es ihnen erzählt hat, leer und emotionslos. Er hat sich nicht dazu geäußert, hat weder geweint noch protestiert - hat einfach nur genickt.
Er hat so ausgesehen, wie er es tut, wenn er einen Befehl erhält, der ihm nicht gefällt, hat sich in sein Zimmer zurückgezogen und Cello gespielt. Phil weiß das, weil er lange Zeit vor der Tür gestanden und zugehört hat - unfähig, sich bemerkbar zu machen oder das Zimmer zu betreten.
Genauso wie er jetzt unfähig ist, die Hand nach Clint auszustrecken.
Wenn er ganz ehrlich mit sich selbst ist, dann ist er wütend auf Thor. Nicht, weil er seinem Bruder helfen will - obwohl Phil sich wirklich Mühe geben muss, was das angeht - sondern weil er nicht zu sehen scheint, dass sein Entschluss Clint verletzt.
Er hat nicht ein einziges Mal versucht, mit Clint zu reden, nachdem er vom Tisch weggelaufen ist, scheint Clints Reaktion einfach hinzunehmen, als sei sie nicht von Bedeutung.
Phil muss einen Moment lang die Augen schließen. Es ist noch nicht zu spät. Natasha hat gesagt, dass Thor erst am Abend dieses Tages mit seiner Mutter - und Jane - nach Asgard zurückkehren wird.
Wenigstens deutet der Umstand, dass Jane Thor nach Asgard begleiten wird, an, dass Thors Abschied nicht für immer sein wird. Phil kann sich nicht vorstellen, dass Jane die Erde und all ihre Freunde für immer hinter sich lassen könnte - nicht einmal für Thor und alle Pracht Asgards.
Als er von Janes bevorstehendem Abschied erfahren hat, hat Clint sich nur noch mehr in sich zurückgezogen. Phil kann ihr kaum vorwerfen, dass sie Thor begleiten möchte - Friggas Einladung ist unglaublich großzügig.
Phil schlägt seine Augen wieder auf, als Clint plötzlich ein leises Wimmern im Schlaf ausstößt. Der Laut klingt kaum, als stamme er von einem menschlichen Wesen, klingt hilflos und wild und verzweifelt.
Phil runzelt die Stirn und dreht den Kopf zur Seite, betrachtet Clints Kehrseite. Clint hat sich derartig in die Bettdecke eingewickelt, dass Phil lediglich eine Ahnung wirren Haars ausmachen kann.
Dennoch wird er das Gefühl nicht los, dass Clint unter der Bettdecke zu zittern begonnen hat. Also streckt er die Hand nach ihm aus. Noch ehe er Clint auch nur berührt hat, geht ein Ruck durch Clints ganzen Körper, und seiner Kehle entkommt ein heiserer Schrei.
Phil setzt sich hastig auf, zieht die Bettdecke beiseite - und jetzt liegt Clint auf dem Rücken. Seine Augen sind offen, blicken leer an die Zimmerdecke, und seine Arme und Beine liegen starr auf der Matratze, als seien sie dort fixiert.
Wenn er nicht so gut mit Clints Akte vertraut wäre, wäre Phil jetzt vermutlich nicht ganz so schlecht. Aber wenn er nicht wüsste, wovon Clint träumt - von einem weiteren Menschen, dem er vertraut, und der ihn betrogen hat, der Clint zum Sterben und mit Pfeilen durchbohrt an einen Baum genagelt zurückgelassen hat - wenn er das nicht wüsste, dann wüsste Phil jetzt auch nicht, was er zu ihm sagen muss.
„Clint“, sagt er vorsichtig - leise und sanft - und Clints Wimpern erzittern sachte, ansonsten zeigt er mit keiner Regung, dass er ihn gehört hat.
„Du bist Zuhause, Clint“, sagt er mit betont ruhiger Stimme. „Du liegst im Bett.“
Phil zögert einen Moment, dann streicht er über Clints Handgelenk. „Keine Pfeile, Clint, du kannst dich bewegen. Es ist alles in Ordnung.“
Clint nimmt einen hastigen, flatternden Atemzug, blinzelt einmal, und Phil streicht mit etwas mehr Druck an seinem Arm auf und ab. „Du kannst dich bewegen, Clint. Wir sind Zuhause. Wir sind in Sicherheit.“
Einen weiteren Atemzug später hat Clint aus der schrecklichen Erinnerung heraus, und in die Realität gefunden - und er rollt sich herum, rutscht an Phil heran und presst sich der Länge nach an ihn. „Oh Gott.“
„Es war nur ein Traum“, murmelt Phil, schlingt beide Arme um Clint und hält ihn fest. „Es ist alles in Ordnung. Du bist ok.“
„Du bist der einzige Mensch auf der ganzen Welt, der tatsächlich von mir behaupten würde, dass ich ok bin“, sagt Clint in seine Schulter hinein, in einer verzweifelten Mischung zwischen Lachen und Schluchzen, und Phil schließt die Augen und lässt seine Lippen über Clints Schläfe streichen.
„Ich lass dich nicht allein“, verspricht er Clint, als habe er ihn nicht gehört. „Du wirst nie wieder allein sein.“
Clint küsst ihn. Es ist ein verzweifelter, drängender Kuss, ihrem ersten viel zu ähnlich. Aber Phil kann nicht anders, als ihn zu erwidern - genau so drängend, genau so verzweifelt.
Clint stöhnt in seinen Mund hinein, seine Finger krallen sich in Phils Hüften, und er stößt seine Hüften nach vorn, reibt seine anschwellende Erektion an Phils Schritt.
Phil gibt Clint sein Stöhnen zurück, ein wenig rauer, ein wenig atemloser, und lässt seine Hände in Clints Pyjamahosen und seine Shorts gleiten, umfasst seinen Hintern. Clints ganzer Körper kommt zu einem zuckenden Halt. „Phil … Phil … bitte …“
„Jah“, murmelt Phil heiser. „Jah, ok.“
TEIL 22