Vielleicht bin ich ein wenig verwöhnt, was mein Verständnis angeht. Ich muss Texte lesen und komme immer mit dem Gefühl zum Unterricht, dass ich verstanden habe, worum’s geht. (Ob das Gefühl der Wahrheit entspricht oder nicht, ist dabei egal. Wichtig ist das Gefühl beim Arbeiten.) Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen wissenschaftlichen und literarischen Texten, aber bei wissenschaftlichen Texten habe ich die Fakten und bei literarischen Texten habe ich zumindest immer ein paar Ideen für die Interpretation.
In den wissenschaftlichen Text, den ich diese Woche für das Hauptseminar „Die Ästhetik der Schrift und des Buches“ lesen muss, komme ich allerdings überhaupt nicht rein und ich bin stinksauer deswegen. Das Thema - nämlich die wandelnde Rolle der Schrift im Film - ist echt nicht schwer oder klingt es zumindest nicht. Der geschichtliche Abriss leuchtet mir auch noch super ein, aber dann beginnt der Autor in Sphären abzuheben, in die ich ihm einfach nicht mehr folgen kann. Er beschreibt in Metaphern, reiht Fremdwort an Fremdwort (und verknüpft die mit mehreren Genitivkonstruktionen) und zieht Sätze über sieben Zeilen.
Ich möchte schreien.
SCHREIEN!
1a) Diese Gehirnwichserei jenseits von gut und böse ist so typisch deutsch. Unsere Gesellschaft glaubt immer noch, dass wir nur schlau sind, wenn uns keiner versteht. Komplexe Syntax und Fremdwörter, wo ein allgemeinverständliches es auch getan hätte - auch wenn’s erschreckend ist: Auch Wissenschaftler sind Menschen.
1b) Ergo wären die Gedanken des Autors auf Englisch formuliert, mit ein wenig mehr transatlantischer Mentalität, verständlich.
1c) Traurig: Auswandern hilft nichts. (So gern ich es auch wollte: Englisch wird leider nie meine Muttersprache werden.)
2a) Medienwissenschaftler. Dieser Autor - und noch ein weiterer, dessen Text ich auch schon angelesen habe - haben mir jetzt beim ersten Kontakt schon die Lust darauf verdorben, mich mehr mit dem Thema Film als verfilmte Literatur wissenschaftlich auseinanderzusetzen. Danke.
2b) Ich bin schnell mit Vorurteilen, was Studiengänge angeht, und eines, was ich jetzt habe, ist: Von Medienwissenschaftlern kann ich nichts lernen. (Nicht, weil sie nicht Interessante Dinge wüssten, sondern weil sie sich einfach nicht genau genug für mich ausdrücken können.)
3) Ich bin echt traurig, dass das Seminar, das so viel versprechend klang, mit so beschissener Sekundärliteratur arbeitet.