Ich habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll und das trotz Notizen. Aber: Ich habe ja auch noch keine Aussageabsicht gefunden. Ich weiß noch nicht, was ich mit diesem Eintrag genau sagen will. „Schreiben“ als Thema, gut und schön, aber was will ich eigentlich?
Das frage ich mich seit neuesten auch immer, wenn ich eine Geschichte plane, hab ich aber nicht immer. Ich war mal froh, einfach Figuren zu haben und sie quasi übers Papier laufen zu lassen. Sie haben mir immer Geschichten erzählt, laaaange und gedeeeehnte Geschichten, aber Geschichten hatten sie. Die Tintenwelt-Geschichte aus dem NaNoWriMo 2005 zum Beispiel war in ihrer ersten Fassung 68.000 Wörter lang. Da haben mir Staubfinger und der Schwarze Prinz auf vielen Umwegen erzählt, was sie wollten. Drei Wochen im November, drei Wochen im Dezember, noch ein paar im Januar und Februar und Mann, wollte ich sie zum Schluss alle nur im Fluss ertränken. Es hat so lange gedauert, bis ich im Schreiben erkannt habe, was eigentlich Sache war.
In der zweiten Fassung, die ich letzten Dezember anfing, kamen und gingen die Ereignisse alle schon etwas geordneter. Ich hatte so etwas wie einen Plan. (Hey, wenn man sonst nichts hat nach 68.000 Wörtern, dann wenigstens einen Plan!) Ich habe eine sinnigere Multiperspektive angefangen und dadurch ein paar mehr Figuren zu Wort kommen lassen, denen ich sonst immer den Mund verbieten musste. Außerdem hatte ich nicht nur den Hauptplot gefunden, sondern auch noch drei unterschiedlich große Nebenhandlungen entdeckt. „Entdeckt“, na ja, das sage ich jetzt. Vor gut einem halben Jahr war mir noch nicht so bewusst, dass Klingentanz’ Konflikt zum Beispiel eine Nebenhandlung ist. Was ich aber damals schon wusste, war, was in den jeweils nächsten drei bis fünf Kapiteln für diese und jene Figur passieren wollte - also war ich mir der Zwischenziele der Nebenhandlungen schon irgendwie bewusst. Die zweite Fassung umfasst 44.000 Wörter und Heißa! Rechnet im Vergleich zur ersten Fassung zwei neue Nebenhandlungen rein und die zweite Fassung hat trotzdem 24.000 Wörter weniger! (In meiner Formatierung (ohne Absätze aber mit eingerückten Zeilen) sind das 112 Seiten im Vergleich zu 77 Seiten.) Da ist viel Geschwalle rausgeflogen, sag ich euch.
Und ich habe das Dialogschreiben entdeckt. Ich liebe gute Charakterisierung durch Handeln (Guckt euch Mark Anthony an, der ist ein Ass darin!), aber in Gesprächen passiert so viel (und na ja, sprechen ist ja auch eine Form des Handelns...)! Es macht mir riesigen Spaß zu überlegen, was eine Figur an welcher Stelle zu welcher anderen Figur sagt. Nicht jeder redet mit jedem über alles, ne? Und das ist toll! Wie oft hatte ich genau das, was Figur A interessieren hat, in Figur Bs Kopf, aber Figur B hat den Mund gehalten! Das ist so toll! Und dabei empfinde ich beim Schreiben Spannung und das obwohl ich im Idealfall sogar weiß, wann genau Figur A endlich das erfahren wird, was sie wissen will.
Einen Plan zu haben liebe ich inzwischen. Wie genau bzw. ungenau der vor dem Schreiben sein muss, damit ich glücklich bin, weiß ich... allerdings noch nicht. Ich schäume jedenfalls über vor Glück, seit ich Campbells Modell der Heldenreise nicht nur gefunden, sondern auch anwenden gelernt habe. Und umformulieren. „Ja, guter Herr, das stimmt so, aber es klingt missverständlich“ - wie oft habe ich das gedacht und wie viel verdammte Gedankenarbeit hat es mich gekostet, es trotzdem zu verstehen? Das war echt ein starkes Stück, aber am einfachsten geht es mit Fantasy (ach was), weil sich die Helden da meistens nicht nur symbolisch sondern sprichwörtlich auf eine Reise begeben. Das ist so viel wert, dieses Greifbare, echt mal.
Seit ein den letzten paar Monaten sehe ich Plot und Phasen in ihm viel klarer, was ich sich aber nicht so sehr in meinem eigenen Plotten zeigt, sondern beim Bücher lesen, Filme sehen usw. Bestes Beispiel: The Last Rune. (Again.) Noch nie habe ich die unterschiedlichen Entwicklungsphasen verschiedener Figuren so klar an ihrem Handeln und Denken festmachen können. Und das ist befriedigend; sich endlich einmal auf etwas stützen zu können, ohne sich gleich wieder mit einem lauten „Knartz!“ am Boden wieder zu finden. Also: Praktisches Modell + gute Beispielgeschichte. Ich bin gespannt, wann sich dieses Gefühl des Durchblickens bei meiner eigenen Geschichte einstellen wird. (Am besten vorm November noch?) Ich weiß, es beginnt mit einer Angst und zum Schluss (ganz zum Schluss, am Ende des dritten Buches) soll diese Angst überwunden sein. Etappen sind das, was fehlt. Was muss die Figur am Ende des ersten, des zweiten Buches können, was führt sie dorthin, was macht sie so viel stärker, dass sie am Ende echt mit ihrem Albtraum fertig wird? Das muss ich begreifen und am besten auch ausformulieren lernen.
Eigentlich wollte ich schon lange einmal etwas zu der verdammten Schwammigkeit in der Literaturproduktion und -Rezeption sagen, aber dazu fehlt mir gerade die Kraft.
Da schreibe ich doch lieber noch schnell, dass das Schreiben, das Planen von Geschichten mich im Moment vollkommen glücklich macht. Das liegt natürlich nicht nur am Planen selbst, sondern auch an der großen Geschichte, die ich diesen November beginnen möchte. Sie kommt ganz tief aus mir und ja, das darf hier auch mal kitschig gesagt werden. Ganz, ganz tief, da, wo ich gerade eh am Suchen und Aufräumen bin, da in mir drin, da kommt diese Geschichte her. Und wenn ihr fragt, worum es geht, dann sage ich: das Leben, die Liebe zu sich selbst und die Liebe zu anderen.
(Und einen kleine Elefanten. Einen süßen kleinen Elefanten, der ständig dazwischentrötet und den Duschkopf für seine Mama hält. ... Und das meine ich ernst!)
Ich wünschte, ich könnte andere nicht nur mit meinen Geschichten glücklich machen, sondern auch diese Freude am Schreiben vermitteln. Wenn ich mit Jo und Sabrina plane, denke ich immer: „Was für ein Glück, dass ich diese beiden tollen Lehrer habe...“ Wir lernen alle voneinander, immer steht wer anders an der Tafel und erklärt etwas und wir drei sind nicht nur produktiv, sondern auch noch glücklich dabei. Und ich wünschte echt, ich könnte dieses Gefühl, diese Befriedigung durch fröhlich erledigte Aufgaben weit in die Schreib-Welt hinaustragen.
Aber was genau soll ich machen? Es geht bei dem Thema nicht ums Handwerk Schreiben, sondern um die Lebenseinstellung und das Weltbild des Autors, denke ich. Da sind Sabrina, Jo und ich uns sehr ähnlich und wir können dadurch einander helfen. Aber wäre ich anderen Menschen eine Hilfe, die frustriert und traurig mit ihrem Schreiben sind? Ich habe ja auch kein Patentrezept, von dem ich versichern kann, dass es funktioniert; ich lerne ja auch noch. Ich weiß zwar selbst, wie es sich anfühlt, frustriert vom Schreiben zu sein, aber wie genau ich da wieder rausgekommen bin, weiß ich leider nicht mehr. Das könnte ich also niemanden anbieten; keine Hand, die einen aus der dunklen Grube zieht. Was ich aber könnte, denke ich, wäre Trost und Kraft geben, den Weg irgendwann alleine hochzukrazeln, denn ich glaube daran, dass die Kraft dazu in jedem sitzt. Nur ist sie nicht immer abrufbar. Ich habe viel Erfahrung und bin mit einem Haufen guter Laune dabei, aber wollen Menschen sich so bewusst mit ihrer Einstellung zum Schreiben auseinandersetzen? Würde ich das wollen? Wenn man mir Besserung verspricht - wahrscheinlich. Wenn man mir den Preis nennt und den Verkäufer vorstellt - ich weiß nicht. Wahrscheinlich nicht.
Wahrscheinlich sollte ich einfach einen Roman über die Entwicklung eines frustrierten Autors schreiben, um es ganz subtil zu machen. Aber für die nächsten zwei Jahre habe ich mit kleinen Elefanten zu tun, also wann?