Ich kann mich seit gestern nicht entscheiden, ob das Thema wirklich so kompliziert ist, man es nur so verkorkst (lies: genau) formuliert erfassen kann und ich somit bisher nur glaubte, es verstanden zu haben ODER ob es wieder typisch deutsch ist und ich weiter meinem Traum von verständlichen Theorietexten im Studium nachhängen darf.
Die Struktur des Informationsvorsprungs erlaubt es dem Zuschauer, die Diskrepanzen im Informiertheitsgrands der Figuren untereinander zu erkennen und vermittelt ihm so das Bewusstsein der Mehrdeutigkeit jeder Situation, und sie versetzt ihn in eine Position, aus der er die einzelnen Situationseinschätzungen der Figuren als abweichend von der Norm des faktisch Angemessenen beurteilen kann. Das kann an sich bereits - als Kontrast zur existentiellen Situation der Lebenspraxis - ein nicht geringes Vergnügen sein. Dieses gelegentlich als "eskaptisch" kritisierte Moment der Rezeption von Texten dieses Typs findet seine ästhetisch-kognitive Ergänzung in der Erfahrung tragischer oder komischer Diskrepanzen zwischen objektivem Sachverhalt und subjektiver Einschätzung und in der Erfahrung der Abhängigkeit einer Wirklichkeitssicht vom Informationsstand, wie sie in dieser Struktur modellhaft demonstriert werden.
Manfred Pfister, "Das Drama"
Meine Lieblingsstellen habe ich unterstrichen und hey, der letzte Satz, das ist doch ein adverbiales Meisterwerk, oder?
Grob soll das in etwa heißen (wenn man mir trauen kann): Wenn man im Theater als Zuschauer mehr weiß als die Figuren auf der Bühne, kann man die Tiefenstruktur der Handlung erkennen und hat gleichzeitig auch noch Spaß dabei. Wenn man dann glaubt zu wissen, was als nächstes passiert und dieses eben nicht, sondern das Gegenteil eintritt, ist es noch toller. Als Bonus versteht man am Beispiel der unwissenden Figuren auf der Bühne auch noch, wie anders man die Welt doch sieht, wenn man manche Dinge nicht weiß.
Manchmal frage ich mich, für wen diese Leute schreiben. Die Schlauen schreiben für die genauso Schlauen und keiner von den nicht so Schlauen kann schlauer werden, weil sie eben nicht schlau genug sind, diese verdammt schlauen Texte von den super Schlauen zu verstehen. Oder halt nach fünf mal Lesen. Wenn ich das mit allem in meinem Studium mache, bin ich Oma, bevor ich meinen Abschluss habe.