Philosophsiche Übungsfrage: "Wo bist du, Geist?"

Feb 02, 2010 11:14

Woran kann ich (oder man) am deutlichsten und möglichst unzweifelbar erkennen, dass mehr von einem selbst als der Körper existiert?

Nun, ich bin ein Kind der "Feuerbachthesen" von Marx - soll heißen, mein Maßstab für das Philosophieren ist der einer "Philosophie der Praxis". Dabei geht es ums Handeln, Beziehungen herstellen und eingehen, sich denkend in Verhältnissen bewegen, etc. - Von daher betrachtet, ergibt sich aus der Introspektion, dem Sich selbst-fühlen, aus dem " Ich denke, also bin ich" wenig bis nichts. Wenn in der Übungsfrage "deutlich" und "unzweifelbar" steht, so darf man das nach meinem Verständnis nicht im unmittelbaren Sinn verstehen, also etwa: "Ich fühle, spüre und denke, also fühlt, spürt und denkt in mir ein Etwas - also vielleicht sowas wie Seele, Geist, Bewusstsein, Selbst, Ich, etc.
"Geist" ist also nicht" in mir" zu finden, sondern nur im Austausch mit anderen und in der Auseinandersetzung mit den in der Gesellschaft wirksamen Ideen. Entgegen aller Neurowissenschaft ist auch die Psyche nicht im Gehirn zu finden, - was nicht heißt, dass hier und dort wichtige Entdeckungen gemacht werden - sondern nur in der Dimension, die manchmal als "transindividuel" bezeichnet wird, d.h. in jener symbolischen, historischen Dimension gesellschaftlicher Bedeutungsstrukturen und -prozesse, in denen wir uns sowohl als Einzelne als auch als an bestimmten Konformismen Teilhabende bewegen.

Was bedeutet das für meinen Geist, für meine Seele, Bewusstsein, etc.? Bin Ich, mein Geist, dann nur ein Konglomerat, eine zufällige Kombination aus Versatzstücken, also etwas relativ Fragiles; oder doch ein eher ein Block, aus den Sedimenten der eigenen und der Zeitgeschichte gebildet?

Ich würde sagen, ohne unsere tagtägliche Denk-Aktivitäten, die notwendigerweise unsere Handlungen begleiten (und sei's, dass diese nur im Aushalten und Rechtfertigen der Gegenwart bestünden) gibt es weder Kontinuität noch Veränderung in unserem Geist. Als Menschen sind wir Wesen, die sich vergesellschaften müssen, und sich nur auf diese Weise auch als Individuen herstellen - und sei's auch nur imaginär, in der Phantasie, der Träumerei oder gar Spinnerei.

Gestern, spät in der Nacht hab ich eine Dokumentation über den mittlerweile alt gewordenen Wiener Maler Ringel gesehen, der sein ganzes Leben, nach eigener Aussage immer nur sich selbst gemalt hat. Wer sich immer nur mit sich beschäftigt, wird dieser dann nicht zu einem Jedermann?

"Wir spinnen (vernetzen und verheddern uns), also sind wir."- Hier spüre und denke ich am "deutlichsten" und "unzweifelbar", -über lange Umwege vielleicht dann doch wieder "unmittelbar", dass wir Geist besitzen.

„ Wenn ich nicht für mich bin, wer ist dann für mich? Solange ich aber nur für mich selber bin, was bin ich? und: Wenn nicht jetzt, wann sonst? “

- Sprüche der Väter 1,14

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